Es sind bereits
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Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
Katrin Kowalski Ich bin froh und dankbar, in einem Rechtsstaat wie Deutschland zu leben. Ich bin überzeugt , dass er dazu da ist, Kriminalität zu verfolgen und die Bevölkerung vor Unrecht zu schützen. Zunehmend tut sich für mich jedoch ein Widerspruch auf: Wirtschafts- und Steuerkriminalität, die nicht geahndet wird, während Menschen, die beim Schwarzfahren erwischt werden, teils hohe Geldstrafen anhäufen, die sie unter Umständen sogar im Gefängnis absitzen müssen. Couragierte Menschen wie Irmela Mensah-Schramm sollen für Sachbeschädigung bestraft werden, während Polizeibeamt*innen in rechtsextremen Chatgruppen ihren Menschenhass kundtun. Mir ist klargeworden, dass der Rechtsstaat es in der Hand hat, welche Straftaten mit wie viel Engagement und Sorgfalt verfolgt werden. Heute ist eine rechtsextreme Partei im Bundestag vertreten, während Bürger*innen, die sich für Menschenrechte einsetzen, immer wieder massiv kriminalisiert werden.

Auch ich setze mich seit ca. einem Jahr gemeinsam mit anderen im Rahmen der Organisation „Letzte Generation“ für Menschenrechte ein. Eine weitere Eskalation der Klimakrise, die mit großer Sicherheit eintritt, wenn sich an der aktuellen Klimapolitik nichts ändert, wird zahlreiche Menschenrechte einschränken. Extremwetterereignisse häufen sich, vertreiben Menschen aus ihrer Heimat, zerstören ihr Eigentum und kosten zahlreiche Menschen auch das Leben. Wasserknappheit, wie sie in den letzten Jahren nun auch in europäischen Ländern wie Spanien und Frankreich zu beobachten ist und in Deutschland bereits Einfluss auf landwirtschaftliche Erträge nimmt, sind eine direkte Bedrohung menschlichen (Über-)Lebens. Kurzum: dass heute auf der ganzen Welt Vorgänge zu beobachten sind, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind und das menschliche Leben empfindlich einschränken und gefährden, kann heute niemand mehr ernsthaft bestreiten.

Die Verursacher*innen dieser Krise nutzen die Zerstörung des Planeten häufig zugleich als Geschäftsmodell. Zudem sind es die reichsten Menschen der Welt, die auch in ihrer Freizeit den Klimawandel am meisten befeuern. Dass ein vierstündiger Privatjet-Flug ungefähr die gleiche Menge CO2 ausstößt, wie ein durchschnittlicher Mensch in Deutschland in einem Jahr verursacht, soll hier zur Illustration ausreichen.

Doch wie reagiert die Staatsanwaltschaft Neuruppin auf die Proteste der Menschen, die auf diese Missstände aufmerksam machen? Die auf den Artikel 20A GG hinweisen? Die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen? Die der Bundesregierung immer wieder vor Augen zu führen versuchen, was sie eigentlich seit Jahrzehnten weiß? Sie versucht, diese Menschen zu kriminalisieren.

Sehr geehrte Damen und Herren der Staatsanwaltschaft Neuruppin, ich fordere Sie dazu auf, das Verfahren gegenüber der „Letzen Generation“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung einzustellen. Stattdessen wäre es geboten, die wahren Verursacher der Krise zu verfolgen – im Sinne aller Menschen, die auf dieser Erde leben, aber vielleicht auch, um meinen Glauben in den Rechtsstaat zumindest teilweise wiederherzustellen.
Frank Neuberger mir scheint es hier nicht der richtige Weg zu sein den § 129 StGB auf Menschen anzuwenden, die grundsätzlich friedliche und nachhaltig lebensbejahende Ziele haben.
Ursächliche Schuld an der Zuspitzung der Situation hat genauso die jahrzehntelange Ignoranz von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bezüglich der weltweit massiven Zerstörung der Lebensgrundlagen.
Ich fordere Sie daher auf vermehrt zu prüfen ob der § 129 StGB nicht eher auf Strukturen und Vereinigungen in Industrie und Finanzwirtschaft angewendet werden kann, die auf kriminelle Weise von dieser Zerstörung profitieren.
nur für die StA sichtbar In den letzten Jahrzehnten gab es immer wieder Krisen und unruhige Zeiten. Natürlich haben diese auch mich besorgt und umgetrieben. Aktuell ist aber zur Sorge ein Gefühl von Panik hinzugekommen. Die Vergangenheit war trotz aller Krisen von meiner Gewissheit geprägt, in einem Rechtsstaat zu leben, der mir zumindest die demokratischen Rechte einräumt, für meine Überzeugung auf die Straße zu gehen und laut zu werden. In einem Rechtsstaat, in dem die Judikative der Exekutive und der Legislative auf die Finger schaut, damit meine Grundrechte nicht eingeschränkt werden.
In den vergangenen Monaten aber wurden staatliche Mittel eingesetzt, die jede Verhältnismäßigkeit sprengen: Präventivhaft, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmung und Abhörung wurden gegen Menschen eingesetzt, von denen keinerlei Gefahr für Leib und Leben ausgeht. Gegen Menschen, deren Anliegen es ist, sich für den Schutz von Leib und Leben aller einzusetzen und die sich Gewaltfreiheit auf die Fahnen geschrieben haben.
Einzelne, gezielt begangene Vergehen dieser Menschen strafrechtlich zu verfolgen mag zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung angebracht sein. Den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung sehe ich jedoch als hochgradig unzutreffend und unverhältnismäßig. Es scheint, als wolle man unbequemes zivilgesellschaftliches Engagement im Keim ersticken. Ich kann es mir nicht anders erklären, als dass hier Gruppierungen, die sich gegen Interessengruppen einsetzen, die bereits heute Freiheit und Gesundheit von Mitmenschen aufs Spiel setzen, durch Einschüchterung zum Schweigen gebracht werden sollen.
Interessengruppen, die mit ähnlichen Mitteln für die eigenen Interessen wesentlich aggressiver und gewaltvoller eintreten, wie aktuell die Landwirte, wurden bisher weder mit vorgehaltener Waffe im eigenen Schlafzimmer aufgesucht, noch wurden ihre Computer und Handys beschlagnahmt. Sie wurden nicht abgehört oder präventiv 30 Tage lang inhaftiert.
Ein solches Vorgehen gegen Klimaaktivisten war mir in der Vergangenheit aus Ländern Kolumbien, Indonesien oder Russland bekannt. Bis vor kurzem hätte ich niemals für möglich gehalten, dass dies in Deutschland möglich ist. Ich habe an unseren Rechtsstaat geglaubt.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat in der Vergangenheit eindringlich vor der Einschüchterung und Kriminalisierung von Klimaaktivisten gewarnt. Die Demokratie wird attackiert. Der Rechtsstaat ausgehölt. Die Judikative sollte Kontrollmechanismus und Garantin für Menschenrechte sein statt Erfüllungsgehilfin menschenfeindlicher Lobbygruppen.

Quo vadis Deutschland? Wie lange kann ich hier noch frei und sicher leben?
Sonja Placzek ich fühle mich aufgefordert Ihnen zu schreiben, weil ich die aktuelle Entwicklung im Umgang mit der Letzten Generation grundlegend falsch halte. Natürlich sind die Protestaktionen störend, nervend und verursachen sicher auch privat- und volkswirtschaftliche Schäden. Im Grunde trifft dies aber auf alle aktiven Protestformen zu, nicht zuletzt und insbesondere auf die ausufernden Bauernproteste und Angriffe auf Politiker und Politikerinnen. Ich bin dankbar, dass mutige Menschen auch für mich, meine Familie und unsere gesamte Gesellschaft mit soviel Einsatz für das Richtige kämpfen. Das muss unsere Gesellschaft und unser Staat aushalten können, und gleichzeitig die Dinge in die richtige Richtung lenken.
Hinzu kommt: wenn der Rechtsstaat hier mit zweierlei Maß misst, Bauern, Pegida, AfD, Nazis usw. frei protestieren lässt und man sich bei der Strafverfolgung öffentlich so gegen die Letzte Generation einschießt, ist dies eine Entwicklung, die unseren Rechtsstaat wirklich gefährdet. Und schwächt zudem auch noch diejenigen, die für (!) die Allgemeinheit (und nicht gegen etwas) kämpfen.

Ich bitte Sie, dies unbedingt zu berücksichtigen und Milde gegenüber den meines Erachtens nach zu unrecht Angeklagten walten zu lassen.