Es sind bereits
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Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
Heiko Tessmann Meine Stellungnahme:
Die allgemein als 'Klimakleber' bezeichneten Menschen handeln weder aus Eigennutz noch aus terroristischem bzw. kriminellem Hintergrund. Ein Eigennutz wird durch das Ziel (Vermeidung einer für alle Menschen unkalkulierbaren Zukunft) ad absurdum geführt. Basis des formulierten Ziels ist keine individuelle Sichtweise der 'Klimakleber', sondern die von der großen Mehrheit der damit beschäftigten WIssenschaftler/innen anerkannte und hinlänglich bestätigte und an Fahrt aufnehmende Klimakatastrophe. Es ist also Handeln für ein zukünftiges Allgemeinwohl, in Anlehnung an Art. 20a GG: (Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.) Die von Ihnen beschuldeten Menschen sind Teil dieses Staates (nach Definition GG). Eine Relation zu einem vorhandenen Paragrafen im StGB zu konstruieren bzw. das StGB zu ändern, um diese Menschen anzuklagen bzw. zu verurteilen, ist Willkür. Es sind durch demonstrierende Bauern (B5, Elstal) bereits mehr Menschen zu Schaden gekommen, als durch 'Klimakleber' (und die Opfer in Elstal hätten dabei sterben können). Nicht präventiv bzw. nicht im Nachhinein gegen Bauern vorzugehen, aber gegen 'Klimakleber', verletzt aus meiner Sicht unmittelbar das Prinzip der Verhältnismäßigkeit (Demonstration für eine erträgliche Zukunft aller ./. Abschaffung von Subventionen für Wenige). Tatsache ist, dass Politik auf ganzer Linie versagt gegenüber der Klimakatastrophe, dass bereits beschlossene Maßnahmen rückgängig gemacht werden, aufgehoben, in eine ferne Zukunft verschoben werden. Das Gemeinwohl des Staatsvolkes als einem Teil des Staates, bemisst sich nicht in zeitlichen Grenzen. Nicht bis zur nächsten Wahl und auch nicht bis zur Pensionierung einer Staatsanwaltschaft (und nach mir die SIntflut). WEIL das Vertrauen in die Politik nicht mehr da ist, sollten sich vor allem die jungen Menschen zumindest auf die unabhängige Justiz verlassen können (BVerfG-Urteil zu Klimazielen), doch die Justiz folgt aus meiner Sicht in nicht wenigen Fällen politischen Vorgaben von denjenigen Politikern, die am lautesten Zeter und Mordio schreien (außer wenn es um ihre eigenen Skandale geht > Cum Cum, Cum Ex, Maskendeals etc.). Auch hier wieder die Verhältnismäßigkeit? Milliarden STEUERN verschwendet = Geld des Staates = Geld des Staatsvolkes, das ihm entzogen wird, um seine Zukunft zu stablisieren? Maßnahmen wie die mögliche Anklage der Klimakleber sind in höchstem Maße inkohärent in bezug auf Ausgewogenheit, Verhältnismäßigkeit und ethisch-moralische Werte, die andernorts von Skandalpolitikern gerne angeführt werden. Sie zerstören das Vertrauen in Staat, Politik UND Justiz grundlegend und nachhaltig. Dieser Schaden ist NICHT wieder gutzumachen. Vor allem ist es einer Demokratie und eines Staates, der sich auf Gewaltenteilung und unabhängige Justiz beruft, gänzlichst unwürdig. Am Ende bleibt nur der EIndruck einer Willfährigkeit.
Claudia Schwegmann Die aktuelle Klimapolitik der Bundesregierung ist nicht konform mit den Menschenrechten. Viele Millionen Menschen werden bereits heute in der Wahrnehmung ihrer Menschenrechte eingeschränkt, aufgrund der weiterhin hohen klimaschädlichen Emissionen in Deutschland. Die Menschenrechte junger Menschen in Deutschland und weltweit werden in Zukunft noch viel gravierender eingeschränkt.

Ein juristisches Vorgehen gegen Menschen, die gegen diese Klimapolitik vorgehen ist daher aus meiner Sicht völlig absurd und vergleichbar mit der Verurteilung von Menschenrechtsaktivisten in totalitären Staaten oder Widerstandskämpfern im dritten Reich. Die Geschwister Scholl haben im dritten Reich geltendes Recht gebrochen und wurden dafür nach geltendem Recht hingerichtet.

Sehr geehrte Damen und Herren der Staatsanwaltschaft Neuruppin, möchten Sie zu den Richtern und Staatsanwälten zählen, die im Rückblick auf der falschen Seite der Geschichte stehen?
Henriette Wägerle Die völlig unverhältnismäßige Einordnung der Last Generation als kriminelle Vereinigung nach §129 StGB durch die Justiz, hat mich, die ich seit Jahrzehnten aktiv an unserer Demokratie mitarbeite und - trotz Bedrohungen - letztendlich an unseren Rechtsstaat glaube, fassungslos gemacht und mich zutiefst entsetzt.
Laut einem neuen Bericht der Europäischen Umweltagentur (EUA) erwärmt sich Europa von allen Kontinenten der Welt am schnellsten mit teilweise katastrophalen Folgen für Mensch und Natur. Schnelle, wirksame Maßnahmen in allen Bereichen sind gefordert, sonst werden wir Menschen in naher Zukunft unter Hitze, Dürre, Wassermangel u.v.m. leiden und in nicht allzuferner Zukunft auch in Europa und Deutschland nicht mehr überleben können, so wie bereits jetzt weltweit Menschen als Folge der Auswirkungen des Klimawandels sterben.
Die Politik müsste konsequenter auf diese kommende Katastrophe mit einer klaren Klimapolitik reagieren und zwar in allen Bereichen, von Verkehr (Tempo 130, Ausbau der ÖPNV, Streichen der Subventionen für Flugbenzin und des Dienstautopriviliegs), Wirtschaft (nur Förderung nachhaltiger Produktion), Landwirtschaft (Förderung ausschließlich nachhaltiger Landwirtschaft) bis hin zum individuellen Verhalten, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Themen und notwendige konkrete Maßnahmen sind hinglänglich bekannt. Umso unverständlicher ist mir, warum die Politik nicht handelt. Dass nun viele Gruppen deshalb die Politik auffordern, endlich aktiv zu werden, ist ein Zeichen für eine gesunde Demokratie und eine starke Zivilgesellschaft. Die Zivilgesellschaft hat in den letzten Jahrhunderten und in vielen Ländern die Regierenden zu dringend notwendigen politischen Veränderungen gezwungen. Der Ausdruck hierfür ist ziviler Ungehorsam. Ziviler Ungehorsam ist die Beteiligung der Bürger*innen des Staates am politischen Prozess der Willensbildung und Entscheidung. Ich zitiere aus dem Juraforum:
"Bürgerlicher Ungehorsam ist keine Erfindung der Neuzeit, sondern ein Werkzeug, dessen Wurzeln bis in die Antike reichen.
Mit der Form des bewussten Verstoßes gegen rechtliche Normen und einzelne Gesetze setzt der Bürger einen Akt, der auf die Beseitigung eines wahrgenommenen Unrechts abzielt. Es ist das empfundene moralische Recht auf politische Teilhabe und Gerechtigkeit. Das Widerstandsrecht ist ein Mittel, das sich in gewaltfreier Form, in einem symbolischen Verstoß gegen geltende staatliche Gesetze und Verordnungen äußert und damit auf die öffentliche Meinungsbildung abzielt.
Das Ziel zivilen Ungehorsams ist die Durchsetzung von Rechten der Bürger in der bestehenden Ordnung und zielt nicht auf die Ablösung aktueller politischer Machtsysteme, wie in § 20 Abs. 4 GG, definiert und beschrieben. Hinsichtlich der Methoden und Aktionsformen bestehen mit Sicherheit Überschneidungen." Als Beispiele zivilen Ungehorsams werden genannt:
Blockaden / Sitzblockaden
Streik (nicht gewerkschaftlich organisiert)
Aktionen, bei denen sich Menschen anketten
Steuerverweigerung
Protest-Camps
Kirchenasyl

Berühmtestes Beispiel für zivielen Ungehörsam ist Ghandis gewaltfreier Widerstand im Kampf für die Unabhängigkeit Indiens. Berühmt wurde auch der zivile Ungehorsam von Rosa Parks (sie weigerte sich, ihren Platz im Bus für Weiße frei zu machen, wie es die Apartheidpolitik der Südstaaten verlangte), der für Veränderungen in den USA entscheidend gewesen war und sie zur Ikone der Zivilrechtsbewegung machte.
In Deutschland wird in den 70ger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die sog. Grasswurzelbewegung für zukunftsorientierte Veränderungen wichtig. Heute steht sie für einen Bottom-Up-Ansatz in Politik und Gesellschaft. Ihr Ziel ist, Alternativen zu bestehenden gesellschaftlichen Systemen aufzubauen und zu etablieren, Systemveränderungen zu bewirken.
Ich sehe die LG in der Reihe vieler solcher Gruppen, die durch zivilen Ungehorsam wichtige politische Veränderungen erreichten. Gegen den drohenden Kollaps unserer Lebensgrundlagen endlich wirksames politisches Reagieren einzufordern , steht in dieser Tradition. Was könnte es Wichtigeres geben? Die LG ist somit eine zutiefst demokratische Gruppierung.
Der zivile Ungehorsam kostet Mut. Wir dürfen die Beteiligten nicht kriminalisieren und sie nicht mit Strafen mundtot machen, – sondern vielmehr ihre Botschaft ernst nehmen, ihnen zuhören und gemeinsam Lösungen erarbeiten und endlich umsetzen.
Dr. Beatrice Wagner Ich möchte mich hiermit gegen die Einordnung der Klima-Aktivisten als kriminelle Vereinigung aussprechen. Ihre Aktionen sind zwar unbequem und sollen aufrütteln, aber sie bringen niemanden bewusst zu Schaden. Zudem sind die Aktionen einem höheren gemeinschaftlichem Ziel untergeordnet und dienen nicht etwa dem Eigennutz. Damit fallen die Aktionen in die Kategorie „ziviler Ungehorsam“. Und der ist wichtig. Wie sonst soll man sich einsetzen gegen ungerechte Gesetze und für langfristigen Natur- und Klimaschutz? Die Mühlen der Gesetze mahlen oftmals zu langsam, die Zeit haben wir nicht mehr im Klima- und Naturschutz.
Ziviler Ungehorsam hat eine lange und rühmliche Geschichte. Erstmals rief der Philosoph Henry David Thoreau im Jahr 1849 dazu auf, keine Steuern mehr zu zahlen, bis die USA ihren Expansionskrieg gegen Mexiko einstelle und zudem die barbarische Sklavenhaltung abschaffe. Später rief Indiens Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi zum Boykott gegen die Produkte der Briten auf, um sein Land von deren Herrschaft zu befreien. Die jüdische Philosophin Hannah Arendt hat den zivilen Ungehorsam als politische Handlungsform verteidigt, ebenso Jürgen Habermas, der ihn als Zeichen einer gefestigten Demokratie verstand.
Die Methoden des zivilen Ungehorsams sind unterschiedlich. Auch das Festkleben auf Straßen ist Ausdruck eines Aufbegehrens gegen die herrschende Gesetzgebung und gehört somit dazu.
Der zivile Ungehorsam der meist jungen Aktivisten kostet Mut. Wir sollten die Beteiligten nicht kriminalisieren und sie nicht mit Strafen mundtot machen, – sondern vielmehr ihre Botschaft ernst nehmen, ihnen zuhören und gemeinsam nach Lösungen suchen.