Es sind bereits
2162
Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
Heike Maier Mein Name ist Heike Maier, ich bin 51 Jahre alt, bin Erzieherin. Ich arbeite seit vielen Jahren mit Kindern und Jugendlichen und bin in meinem beruflichen Kontext mit vielen Fragen der Kinder zu den Themen Umweltschutz und insgesamt Politik konfrontiert.

Kinder und Jugendliche schauen nämlich Fernsehen und sie machen sich Gedanken.

Woher kommt was, was kann man dagegen tun? Wer tut was dagegen oder weshalb wird nichts dagegen getan? Und warum dürfen Erwachsene das? Ist ein Politiker eigentlich verantwortlich für seine Entscheidungen oder nicht? Ist es uns in Europa egal, wenn in Afrika oder Südamerika Wüsten entstehen? Was passiert mit den ganzen Tieren im Amazonas - der trocknet ja gerade aus? Weshalb lässt man Flüchtlinge im Meer ertrinken? Sind die weniger wert? Wenn andere irgendwann nichts mehr zu essen haben, kommen die alle zu uns? Weshalb fahren wir Autos mit Benzin, wenn das schädlich ist? Weshalb schimpfen alle darauf, dass sie was tun sollen, was die Welt eigentlich besser macht? Weshalb müssen wir was tun, die anderen tun ja auch nichts? Wenn ich mal erwachsen bin - gibt es dann noch Wälder?
Was können wir eigentlich überhaupt tun, Heike? Und warum tun die Erwachsenen nichts?

Und dann stehe ich da und erzähle was von Demokratie und dass wir als Deutsche in der gesegneten Situation leben, dass wir einen Rechtsstaat haben, ein Demonstrationsrecht und dass wir nur genügend Engagement zeigen müssen, dann können wir was bewegen. Wir haben außerdem ein Wahlrecht und können darüber mitentscheiden, was in diesem Land geschieht.

Wir machen Projekte, um den Kindern alles mögliche zu erklären, beizubringen, ihnen zu vermitteln, was Umweltschutz und Klimaschutz betrifft. Wir versuchen, den Kindern Ängste zu nehmen und ihnen das Thema Selbstwirksamkeit mit an die Hand zu geben: „Schau, Du bist nicht hilflos ausgeliefert…“

Mittlerweile fühle ich mich dabei oft wie eine Lügnerin. Weil ich nicht blind und nicht blöd bin. Ich bin in der Lage, Studien zu lesen und die Ergebnisse zu erfassen. Ich sehe, dass ich eine Klimaschutz-Partei zwar wählen kann, dass diese aber nichts ausrichten kann, wenn es dem Rest im Parlament nicht gefällt.

Ich bemühe mich, jungen Menschen den Wert der freiheitlich demokratischen Grundordnung beizubringen. Damit sie ihre Rechte und Pflichten als Bürger*innen in diesem Land kennen und vernünftig dazu beitragen, dass wir in Freiheit leben können.

Ich fühle mich mittlerweile nicht mehr glaubwürdig dabei.

Mich fragen vermehrt Jugendliche, ob ich denke, dass es gerechtfertigt ist, die Letzte Generation als Terroristen zu bezeichnen. Wenn ich sie frage, was sie selber denken, dann sind sie alle der Meinung, dass Terroristen doch ganz andere Dinge tun. Anschläge auf Leib und Leben und so. Brände legen. Maschinengewehre benutzten. Flüchtlingsheime anzünden. Menschen mit Migrationshintergrund umbringen. Schiffe versenken.
Das tut die Letzte Generation ja aber nicht. Wenn sie Pipelines oder Flughäfen blockieren, dann stirbt da keiner.

Diese Einschätzung der Jugendlichen teile ich unbedingt.

Es tut mir unglaublich leid für die jungen Menschen, die zusehen müssen, dass der Regierung - übrigens anscheinend egal welcher in Deutschland mittlerweile - die Klimaziele egal sind. Da wird ein Herr Wissing halt mal eben davon befreit, seine Ressortziele umsetzen zu müssen, und beim Bauen ändert sich auch nichts und anstatt, dass man klipp und klar sagt, dass Öl- und Gasheizungen Klimakiller sind, dann wird halt hier noch verschoben, da noch aufgeweicht.

Kinder und Jugendliche - und letztlich wir alle - müssen zuschauen, wie Gesetze nicht eingehalten werden, Zeit verschwendet wird, unzählige Todesopfer in Kauf genommen werden, Lebensräume vernichtet, Biodiversität vernichtet und in allerletzter Konsequenz Konzerne davon profitieren.

Ich persönlich bewundere die Klimaschutz-Aktivist*innen hier übrigens sehr fürs friedlich bleiben. Ich bin 51 und ein sehr kontrollierter Mensch, aber in mir kocht ziemlich die Wut.
Vorne weg: ich finde viele der Aktionen von LG beispielsweise trotzdem einfach nur blöd. Ich verstehe den Sinn hinter den meisten Aktionen, glaube aber, dass Suppe auf Gemälden einfach nicht drastisch genug ist, um der Mehrheit der Bevölkerung den Ernst der Lage klar zu machen.

Ich sehe die Aktionen der Letzten Generation also durchaus kritisch, einfach, weil sie nicht dazu beitragen, dass Menschen sagen: „Ja, die haben recht, wir müssen jetzt sofort etwas ändern.“
Ich weiß allerdings nicht, ob das überhaupt aus dem Stand irgendjemand schaffen könnte.

Ich glaube tatsächlich, dass wenn die Politik heute beginnen würde, Klartext über die anstehenden Katastrophen zu reden und das als Anlass nähme, entsprechende Entscheidungen zu treffen, wenn die Medien erklären und einordnen würden und nicht populistische Sprachrohre für „Die-Welt-soll-bleiben-wie-sie-immer-war-nach-mir-die-Sinflut“-Menschen wären - dann hätten wir eine Chance.

Die Politik, die Regierung ist eigentlich genau dazu verpflichtet - und tut es ganz klar und offensichtlich nicht.

Junge Menschen, die ihr Demonstrationsrecht ernst nehmen, die sich engagieren und dafür einsetzen, dass Schaden abgewendet wird, das sind keine Terroristen. Das sind verantwortungsbewusste, politisch gebildete und interessierte Menschen.
Es sind junge Menschen, die unbequem sind und über deren Aktionen man sich empören kann.
Man kann sie auch zur Rechenschaft ziehen, wenn sie etwas beschädigen - das geht klar.

Sie aber zu einer terroristischen Vereinigung zu erklären macht den Weg für etwas ganz anderes frei, nämlich für die Unterdrückung der freien Rede, die schrittweise Einschränkung und dann Abschaffung des Demonstrationsrechtes und der Meinungsfreiheit.

Ich sehe, wie Politiker*innen und zum Teil einflussreiche Medienleute mit den Aktivist*innen der Letzten Generation und anderer Klimaschützer umgehen. Da ich in Bayern lebe sehe ich vor allem, wie die Bayerische Staatsregierung gegen Klimaschützer*innen vorgeht und gleichzeitig hetzt und polarisiert. Mittlerweile verfängt das Gerede von einflussreichen Menschen so, dass ich durchaus auch schon mal höre, dass es Terror ist, wenn man das Klima schützen möchte.

Was für ein Narrativ.


Landwirt*innen mit dicken Traktoren wird gleichzeitig alles nachgesehen, egal, was die anstellen, angefangen von Straßensperren über Umweltzerstörung hin zu Volksverhetzung.

Dieses zweierlei Maß macht mich fertig, so schizophren kann ich nicht denken, um das in mein Hirn zu kriegen.

In Bayern ist über das Polizeigesetz das Demonstrationsrecht schon erheblich eingeschränkt. Wenn die CSU mit der AfD koalieren würde, dann wär hier in kürzester Zeit ziemlich sicher finsterste Nacht.

Noch bin ich als Erzieherin in Bayern verpflichtet, Kindern und Jugendlichen demokratische Werte zu vermitteln. Zu diesem demokratischen Werten gehört, dass ich das Recht habe, die Regierung dazu aufzufordern, sich an Recht und Gesetz zu halten. Auch ziviler Ungehorsam ist ein Mittel der Wahl, um das zu tun.

Wenn die Klimaaktivist*innen zu einer terroristischen Vereinigung erklärt werden, dann werde ich Kindern und Jugendlichen vermutlich zukünftig erklären müssen: „Es tut mir leid, aber wir leben in einem Land, in dem es nichts nutzt, zu wählen, weil vernünftige Entscheidungen daran scheitern, dass es keine Mehrheiten gibt und es nützt nichts, bereits entschiedene Dinge einzufordern, und dafür auf die Straße zu gehen, denn dann bist Du kriminell und verbaust Dir Deine Zukunft. Schau bitte einfach still zu und reg Dich nicht auf.“

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Klimaschutz-Aktivist*innen nicht auf die Anklagebank gehören.

Da gehören andere hin. Politiker*innen, Unternehmer*innen und Medienmenschen, die alles daran setzen zu verhindern, dass dringend notwendige Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden können. Zum Beispiel.

Ich möchte daher darum bitten, genau hinzuschauen. Es geht um so viel mehr als nur darum, dass sich keiner mehr auf die Straße klebt, eine Pipeline oder eine Rollbahn besetzt oder Farbe irgendwo hinklatscht, wo sie nicht hingehört.

Es geht um Demokratie, um Demonstrationsrecht, um die Freiheit in diesem Land, um eine lebenswerte Zukunft, die Vermeidung von Zerstörung und Vernichtung.

Bitte, seid weise. Es geht um die Zukunft.








Ilona Puntschuh die freie Meinungsäußerung eines jeden Menschen ist durch unsere Verfassung gesichert.
Ich bin fassungslos, wie in einem Rechtsstaat Menschen an den Pranger gestellt werden, die einfach nur ihre Grundrechte wahrnehmen und für das Überleben auf die Straße gehen, während andere Politik machen, die gegen das Grundgesetz verstößt ohne dass dies irgendwelche Folgen hat.
Menschen zu kriminalisieren, die ihre grundgesetzlich garantierten Rechte wahrnehmen steht einem Rechtsstaat wahrlich nicht gut zu Gesicht! Mit welchen Mitteln hätte man den Klimawandel wieder zu einem Kernthema in der Gesellschaft machen können, wenn nicht mit den Genutzten?!
Schon innerhalb der nächsten Jahre werden Menschen aufgrund der Feigheit und Profitgier der Politik sterben, da nicht einmal die einfachsten Sofortmaßnahmen umgesetzt werden.
Kein Klimawissenschaftler würde die Proteste der Klimaaktivisten für unangemessen erachten. Sie riskieren ihre Unbescholtenheit um Menschenleben und das Überleben der Arten zu schützen.
Der Einsatz für eine lebenswerte Zukunft darf nicht bestraft werden!
Ich halte eine Nichtanwendung des § 129 StGB bei den Beschuldigten für zwingend geboten.


Andreas Klär Regelmäßig habe ich mich mit den Aktivisten der Widerstandgruppe Kempten an öffentlichen Orten, zum Beispiel im Park, getroffen um über zukünftige Aktionen zu diskutieren. Diese Gespräche erfolgten offen, kontrovers und völlig ohnes Ansinnen von Gewalt oder sonstigen kriminellen Handlungen. Die Letzte Generation zu kriminalisieren halte ich für Armutszeugnis unseres Rechtsstaats, von ähnlicher Dimension wie die Präventiv Haft von mehreren mehreren Aktivisten bei uns in Bayern. Jeder der auch nur Ansatzweise mit den Personen sich ernsthaft auseinandergesetzt hat kann als Bürger dieses Landes auf der Basis des Grundgesetzes nur den Kopf schütteln über das Vorgehen und teilweise über die Urteile unseres Rechtsstaates. Bitte gehen Sie reflektiert und wohlüberlegt vor zum Wohle der Zukünftigen Generationen!
Andreas Wieland Der Klimawandel schreitet schneller voran, als noch vor kurzem angenommen. Politik und Wirtschaft rudern bei den schon vorher nicht ausreichenden Zielen immer mehr zurück. Mit jedem Tag, an dem wir Öl und Gas aus Rentier-Staaten mit despotischen Regimen wie Iran, Katar oder Russland importieren, zerstören wir nicht nur unsere Lebensgrundlagen, sondern finanzieren auch den Terror von z.B. Hisbollah und Hamas.
Die "Letzte Generation vor den Kippunkten" kämpft als zivilgesellschaftliche Gruppe darum, dass diese Tatsachen in Politik und Wirtschaft endlich ausreichend berücksichtigt werden. Sie sind daher - auch wenn sie zu Maßnahmen des zivilen Ungehorsams greifen - keine kriminelle Vereinigung, sondern handeln in unser aller Interesse.
Bitte bedenken Sie das, wenn Sie nun darüber nachdenken, gegen die "Letzte Generation" Anklage wg Paragraph 219 StGB Anklage zu erheben.
Es gibt Zeiten wie z.B. in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung oder eben auch jetzt, in denen mutige Menschen sich dazu entschließen, gewaltfrei zu protestieren und dabei notfalls und vereinzelt auch geltende Gesetze zu übertreten. Deshalb bilden sie aber noch keine kriminelle Vereinigung, sondern erinnern uns als Gesellschaft sogar daran, was Recht wäre.