Es sind bereits
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Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
Carolin Heyer mein Name ist Carolin Heyer (36), Projektmanagerin an der Charité und ich möchte gerne Stellung nehmen gegen das Verfahren gegen Mitwirkende der Letzten Generation u. a. wegen § 129 StGB (Bildung krimineller Vereinigungen) anzuklagen.

Ich kann verstehen, dass Sie Regelverstöße, die die Letzten Generation durchaus begeht (den Autoverkehr regelmäßig (für kurze Zeit) zu stören oder Gegenstände mit abwaschbarer Farbe zu besprühen) stoppen wollen. Doch fünf Personen deshalb als “Kriminelle Vereinigung” mit gefährlichen Mafia-Strukturen gleichzusetzen, ist total unverhältnismäßig. Verurteilen Sie den Diebstahl von Brot im Supermarkt gleichwertig wie den Diebstahl von Kronjuwelen in einem Museum? Das ist eine völlige Überdehnung des Kriminalstrafrechts. Wann und in welchem Maß gedenken Sie, die Zerstörer unseres Planeten anzuklagen?

Die Aktivitäten der Letzten Generation dienen einem verfassungsrechtlich legitimen Ziel - die Lebensgrundlage aller Menschen zu erhalten. Das klingt immer so abstrakt, da wir nicht in die Zukunft blicken können und uns anschauen können, wie das wird. Aber dafür gibt es Klimaforscher:innen, die verschiedene Szenarien entwickeln, wie unsere Zukunft sein wird. Haben Sie sich das einmal angeschaut? Selbst das Best-Case-Szenario nimmt mir den Atem und um dieses zu erreichen, müssten die Wirtschaftssysteme aller Länder der Erde HEUTE eine 180-Grad-Wende machen. Wie Sie wissen, sind wir davon leider weit entfernt.

Die realistischste Annahme ist derzeit, dass wir im Jahr 2100 eine 2,7 Grad heißere Erde haben (siehe IPCC). Das ist ein Durchschnittswert. Da die Erde größtenteils aus Wasser besteht, welches Wärme nicht so schnell aufnimmt wie Land, können wir davon ausgehen, dass es bei uns in Europa zwischen 7-10 Grad heißer sein wird - Sommer wie Winter. Sich das bildlich vorzustellen, ist schwer und wird oft mit apokalyptischen Vorhersagungen gleichgesetzt. Daher zitiere ich die Aussage von dem Meteorologen Sven Plöger sinngemäß: "vor 11.000 Jahren war es global 3-4 Grad kälter. Das bedeutete z. B. dass in den Tälern der Alpen alles voller Eis war - in Österreich und in der Schweiz lebte somit kein Mensch mehr, weil das gar nicht möglich war. Und auch Berlin war damals mehrere hundert Meter unter dem Eis.” Nichts weniger als das Aussterben von Millionen Menschen bis 2100 steht hier auf dem Spiel.

Haben Sie Kinder oder Nichten und Neffen? Was erzählen Sie denen, wenn in 20 Jahren die Wälder Brandenburgs abgebrannt sind, der Rhin und die Havel ausgetrocknet sind und die Lebensmittelpreise Luxusgütern ähneln?

Wussten Sie, dass Klimaschutz auch Demokratieschutz ist? Klima und Demokratie bedingen sich gegenseitig, denn die Demokratie gibt es nur auf einem bewohnbaren Planeten und das Klima wird sich nur mit demokratischen Mitteln retten lassen (Buchempfehlung: Demokratie im Feuer von Jonas Schaible).

Ich weiß, dass Sie am liebsten alle Themen-Zusammenhänge, wie Klimaschutz, Demokratieschutz, wissenschaftliche Prognosen, Protestforschung usw. ausblenden wollen, um sich nur auf den kleinen Sachverhalt zu konzentrieren - eine Gruppe organisiert sich, um Straftaten zu begehen (nicht heimlich, sondern sie steht dazu mit Gesicht und Namen). Die heutige Welt ist allerdings nicht monokausal - sie ist komplex und ich bitte Sie, bei Ihrer Prüfung alle Zusammenhänge genauestens zu prüfen.

Kommen wir zum Protest-Mittel der Letzten Generation. Sie haben sich für friedliche Straßenblockaden oder leichte Sachbeschädigung entschieden. Alle anderen legalen Protestmittel (Infostände, Briefe an Politiker:innen, öffentliche Vorträge, Petitionen, Demonstrationen usw.) sind schon längst ausgeschöpft. Die Forschung hat gezeigt, Protest muss in der Mitte der Gesellschaft stattfinden und er muss stören, damit er überhaupt wahrgenommen wird und dadurch erst wirksam werden kann. Und dass sich etwas ändert, ist ja klar. Wie Sie wissen, ist nichts im Leben statisch, sondern eine Entwicklung findet in jedem Fall statt. Nur in welche Richtung diese verläuft, hängt von jedem einzelnen von uns ab.

Ich hoffe sehr, dass durch den Druck, den die Letzte Generation erzeugt, die Regierung bald wirksame Klimaschutzmaßnahmen durchsetzt und sich die Mitwirkenden der Letzten Generation bald wieder ihrem normalen Leben widmen können. Es ist nämlich ganz schön schwer, die Welt ehrenamtlich in der Freizeit zu retten, wenn andere sie hauptberuflich zerstören.

Wissen Sie, was das Schlimmste an der Klimakrise ist? Wer nichts macht, macht nichts verkehrt. Heutzutage erwächst das meiste Unheil nicht aus Untaten, sondern aus Untätigkeit. Aus Gedankenlosigkeit, aus Routinen, aus Normalität und dem einfachen Wunsch nach einem guten Leben. Ich bin einerseits froh, dass die Mitwirkenden der Letzten Generation sich zusammenschließen und ausbrechen aus diesem Tunnel, dem ewigen “weiter-so” und sich unbequem in den Weg stellen. Allerdings bin ich auch sprachlos darüber, dass sie das überhaupt tun müssen.

Wie ist das bei Ihnen? Oft sind mutige Schritte nötig, um eine Weiterentwicklung unseres gesellschaftlichen Handelns zu ermöglichen – auf der Straße, aber auch im Job - in Ihrem Fall in der Justiz – SIE können heute ein Teil davon sein, indem Sie dem Recht der zukünftigen Generationen einen hohen Stellenwert einräumen, alle Themen-Zusammenhänge hinlänglich prüfen und die Anklage gegen die Mitwirkenden der Letzten Generation fallen zu lassen.

Ich schließe mich der Letzten Generation an und ich werde gemeinsam mit ihnen auf der Straße gegen die wirklichen Kriminellen dieses Landes protestieren.
nur für die StA sichtbar Über die Aussicht einer Anklage gegen diese mutigen Menschen, die sich
einer von Lobbyisten der Wirtschaft beeinflusten Politik ihre
Lebensgrundlagen nicht zerstören lassen wollen und sich dieser Politik
entgegen stellen, bin ich sehr empört. Kriminalisierung von Menschen,
einer ganzen Generation,die ihre vom Grundgesetz garantierten Rechte
wahrnehmen, steht einem Rechtsstaat nicht zu.Für das Handeln dieser
Menschen wäre ein Verdienstorden eher angebracht als für eine Frau
Märkel nach 16 Jahren verfehlter Klimapolitik!

Eine Staatsanwaltschaft hat auch ein Rückrat.
Bitte keine strafrechtliche Verfolgung.

Interessant wird es sicherlich,ob wir, die wir die Letzte Generation mit unseren
Schreiben unterstützen,ebenfalls mit einer Klage rechnen müssen.
Die Staatsanwaltschaft würde die Letzten Generation damit sicherlich unterstützen!


Volkmar Walczyk Sie ermitteln gegen die "Letzte Generation" wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129StGB
Mir fallen dazu einige Fragen ein.
Nach meiner Rechtsauffassung ist die Staatsanwaltschaft in ihren Verfahren verpflichtet, bei ihren Ermittlungen "nach allen Seiten" zu ermitteln. Das bedeutet, dass Sie auch nach Beweisen suchenmüssen, dass die "Letzte Generation" keine terroristische Vereinigung ist.
Und - schon damit angefangen? Oder lassen Sie sich von einem Ermittlungsfuror leiten, der mit Scheuklappen schon jetzt die Schuldigen kennt?
Meine nächsten Fragen beziehen sich auf den § 129 StGB. Ich möchte ihn hier in Auszügen zitieren:
"(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist,....
(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,....
2. wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist...."

In der Pressemitteilung Nr.31/2021 vom 29. April 2021, bezogen auf seinen Beschluss vom 24. März 2021 teilt das Bundesverfassungsgericht mit:

"Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Regelungen des Klimaschutzgesetzes vom 12. Dezember 2019 (...) über die nationalen Klimaschutzzieleund die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen insofern mit Grundrechten unvereinbar sind, als hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen.... Dass Treibhausgasemissionen gemindert werden müssen, folgt auch aus dem Grundgesetz.... Zu dem danach gebotenen rechtzeitigen Übergang zur Klimaneutralität reichen die gesetzlichen Maßgaben für die Fortschreibung des Reduktionspfads der Treibhausgasemissionen ab dem Jahr 2031 nicht aus........

III. Grundrechte sind aber dadurch verletzt, dass die nach § 3 Abs. 1 Satz 2 und §4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 bis zum Jahr 2030 zugelassenen Emissionsmengen die nach 2030 noch verbleibenden Emissionsmöglichkeiten erheblich reduzieren und dadurch jegliche grundgesetzlich geschützte Freiheit gefährdet ist. Als intertemporale Freiheitssicherung schützen die Grundrechte die Beschwerdeführenden hier vor einer umfassenden Freiheitsgefährdung durch einseitige Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft. Der Gesetzgeber hätte Vorkehrungen zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs treffen müssen, an denen es bislang fehlt." sic!!!!!
Das Bundesverfassungsgericht stellt also fest, dass die Freiheitsrechte der kommenden Generationen verletzt werden durch die vom Gesetzgeber erlassenen Bestimmungen.
Die BürgerInnen nehmen demzufolge ihre grundgesetzlich verbrieften Rechte wahr, wenn sie sich dagegen zur Wehr setzen. Sie finden sich nicht zusammen, um Straftaten zu begehen, sondern um ihre Freiheitsrechte zu verteidigen, die der Staat ihnen beschneidet.
Interessant ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass die Bundesregierung Gesetze erlässt, die noch nicht einmal von ihr selbst eingehalten werden. Hier ist unter anderem auf das Bundesverkehrsministerium von Herrn Wissing zu verweisen, das von Beginn an gegen das vom Bundestag am 24. Juni 2021 beschlossenene Klimaschutzgesetz verstossen hat. Gibt oder gab es Ermittlungen gegen den Herrn Minister , der willentlich und wissentlich gegen seinen Amtseid verstossen hat? Oder vielleicht gegen Untergebene, die nicht durch Immunität der Strafverfolgung entzogen sind?
Was für ein irrer Gedanke meinerseits. Es gibt ja auch keine Ermittlungen wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung gegen TeilnehmerInnen der Prosteste wegen der Streichung von Subventionen in der Landwirtschaft - oder wird da noch ermittelt? Müsste doch eigentlich passieren - oder?
Ich erinnere noch einmal an § 129 StGB:
" Mit Freiheitsstrafe bis zu zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist...."

Der Rat der Europäischen Unionschreibt in seinem Rahmenbeschluss 2008/841/JI vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität:
"Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses bezeichnet der Ausdruck
1. "kriminelle Vereinigung" einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die, um sich unmittelbar oder mittelbar einen finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteil zu verschaffen, in Verabredung handeln, um Straftaten zu begehen...."
Da könnte man doch glatt auf die Idee kommen, dass in diesem Fall eine kriminelle Vereinigung sich gebildet hat: tätliche Bedrohung von MinisterInnen; Strassenblockaden mit grossen Maschinen - da kam kein Rettungswagen mehr durch während es bei Blockaden der "Letzten Generation" immer der Fall war, dass diese hätten passieren können; das Kippen von Misthaufen auf viel befahrene Strassen, wodurch es zu Unfällen mit Personenschäden gekommen ist. Alle diese kriminellen Handlungen hatten allein das Ziel, sich materielle Vorteile zu verschaffen.
Wer hat da mehr Terror ausgeübt? Eigentlich eine klare Angelegenheit, denke ich. Allerdings habe ich bei meiner Argumentation glatt vergessen, dass in Deutschland Terrorismus immer vom Staat definiert wird.
Und in Bayern, wo die unsäglichen Ermittlungen gegen die "Letzte Generation" angestossen wurden, kennt man sich besonders gut mit Gesetz und Recht aus:
"Das bayrische Innenministerium weist die Kritik zurück. 'Von einer 'Kriminalisierung' von Klimaaktivisten kann nicht die Rede sein', teilt ein Sprecher auf SZ-Anfrage mit. 'Gefährliche Eingriffe in den Strassenverkehr oder in den Luftverkehr sind ernstzunehmende schwerwiegende Straftaten.' Diese verfolge man unabhängig davon, ob es sich um Proteste von Klimaaktivisten oder Landwirten handle. Wahr ist aber auch: Von einer Präventivhaft für protestierende Bauern ist im Ministerium nichts bekannt. Die Blockaden der Bauern seien in der Regel ohne Zwangsmaßnahmen aufzulösen, heißt es:" ( Süddeutsche Zeitung, 05.03.2024)
Zum Schluss möchte ich Ihnen noch eine Stellungnahme von Michael Forst, UN-Sonderberichterstatter fürUmweltschützer, aus dem Februar 2024 empfehlen. Er berichtet von zunehmenden Repressionen - auch in Deutschland. Unter anderem stellt er fest:
"In a context in which parliaments create new criminal offenses to prohibit the forms of protest used by environmental movements; peaceful environmental activists are compared to 'terrorists' by government ministers; counter-terrorism laws are used against environmental activists to place them under heavy surveillance;...; protesters are arrested, subjected to strip searches and held in police custody for several days without charge solely to 'check their identity';...., States create a climate of fear and intimidation for environmental defenders, in violation of their international obligations, including the Aarhus convention and international human rights law." (1)
Und die Staatsanwaltschaft macht sich zum Büttel?
"In Austria and Germany, the authorities are prosecuting the climate movement Letzte Generation on the charge of 'forming a criminal organisation' an offense that implies that an organisation intends to commit serious crimes that pose significant threats to public safety." (2)
Es soll ja Staatsanwaltschaften geben, die den Nonsens diese Vorgehens längst erkannt haben, andere brauchen zum Lernen halt länger. Und dass in einer Demokratie friedlicher Widerstand ein Grundrecht ist, ja eine Demokratie diesen geradezu braucht, ist in unserem Land ja auch nicht für alle nachvollziehbar. Unbedingt empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang die genaue Kenntnis unseres Grundgesetzes; und das zitierte Papier von Michael Forst ist sicher auch sehr anregend.

(1) State repression of environmental protest and civil disobedience: a major threat to human rights and democracy
Position Paper by Michael Forst, UN Special Rapporteur on Environmental Defenders under the Aarhus convention
February 2024
Seite 7
(2) ebenda, Seite 15

Eva Gieseke Es ist falsch Mirjam Hermann, Henning Jeschke, Lukas Popp, Edmund Schulz und Jakob Beyer nach §129 StGB anzuklagen. Somit werden nicht nur diese fünf Personen, sondern auch allgemein Protestgemeinschaften wie die Letze Generation und Fridays For Future kriminalisiert. Im §129 StGB steht, dass "wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist" bestraft werden kann. Das trifft auf diese fünf Leute nicht zu. Die Letzte Generation besteht nicht mit dem Ziel Straftaten zu begehen oder gar auf unrechtmäßigem Wege Geld oder andere Mittel zu erlangen. Die Letzte Generation hat das Ziel sowohl Politiker*innen als auch alle anderen Menschen aktiv zum Aufhalten des Klimawandels und den sich daraus ergebenden schweren Folgen zu mobilisieren. Sie setzt sich für die Gerechtigkeit und Demokratie und gegen Zerstörung und Unrecht ein. Und das ist keine Straftat.