Es sind bereits
2162
Stellungnahmen eingegangen.
Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:Name | Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft |
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Conner Ukena | Ich möchte mich hiermit gegen die Einordnung der Klima-Aktivisten als kriminelle Vereinigung aussprechen. Ihre Aktionen sind zwar unbequem und sollen aufrütteln, aber sie bringen niemanden bewusst zu Schaden. Zudem sind die Aktionen einem höheren gemeinschaftlichem Ziel untergeordnet und dienen nicht etwa dem Eigennutz. Damit fallen die Aktionen in die Kategorie „ziviler Ungehorsam“. Und der ist wichtig. Wie sonst soll man sich einsetzen gegen ungerechte Gesetze und für langfristigen Natur- und Klimaschutz? Die Mühlen der Gesetze mahlen oftmals zu langsam, die Zeit haben wir nicht mehr im Klima- und Naturschutz. Ziviler Ungehorsam hat eine lange und rühmliche Geschichte. Erstmals rief der Philosoph Henry David Thoreau im Jahr 1849 dazu auf, keine Steuern mehr zu zahlen, bis die USA ihren Expansionskrieg gegen Mexiko einstelle und zudem die barbarische Sklavenhaltung abschaffe. Später rief Indiens Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi zum Boykott gegen die Produkte der Briten auf, um sein Land von deren Herrschaft zu befreien. Die jüdische Philosophin Hannah Arendt hat den zivilen Ungehorsam als politische Handlungsform verteidigt, ebenso Jürgen Habermas, der ihn als Zeichen einer gefestigten Demokratie verstand. Die Methoden des zivilen Ungehorsams sind unterschiedlich. Auch das Festkleben auf Straßen ist Ausdruck eines Aufbegehrens gegen die herrschende Gesetzgebung und gehört somit dazu. Der zivile Ungehorsam der meist jungen Aktivisten kostet Mut. Wir sollten die Beteiligten nicht kriminalisieren und sie nicht mit Strafen mundtot machen, – sondern vielmehr ihre Botschaft ernst nehmen, ihnen zuhören und gemeinsam nach Lösungen suchen. |
Willi Wagner | Zum Verfahren gegen einige Aktivisten der Neuen Generation: zum Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung möchte ich wie folgt Stellung nehmen: Nach Jahren der Proteste nun schon einiger Vorgängergenerationen zu den Themen Klimaschutz und Umweltzerstörung deren Erfolg eher gering war, versuchen nun Menschen diesen Protest der Dringlichkeit angemessen, so zu gestalten, dass er von den Entscheidungsträgern und der Gesellschaft wahrgenommen wird. In den gewählten Protestformen, die im Wesentlichen auf Störungen und gewaltfreien Aktionen beschränkt sind, ist zwar ziviler Ungehorsam zu erkennen jedoch keine kriminellen Straftaten. Im Gegensatz zu den Protestformen deutscher Bauern, die mit tonnenschweren Traktoren in Städten und auf Autobahnen Bürgen bedrohen und nötigen, deren Zusammenrottungen jedoch nicht als Bildung krimineller Vereinigung verfolgt wird, in den seltensten Fällen sogar mit Strafzetteln, beschränken sich die Aktionen der Klimaaktivisten auf reversible und weitgehend zersörungsfreie Störaktionen. Das die Staatsanwaltschaften im Falle eines begründeten Verdachts oder augegebener Anzeigen einen Sachverhalt überprüfen muss liegt in Ihrem Aufgabenbereich und ist somit alternativlos. Bei Betrachtung des Sachverhalts jedoch könnte die Staatanwaltschaft mit rechtsstaatlicher Ratio und gesundem Menschenverstand erkennen, daß es sich hierbei um nachvollziehbaren staatsbürgerlichen Protest handelt der womöglich in ein oder anderem Fall durch die Umstände die Grenzen des geplanten und gewollten überschritten hat und somit weder vorsätzlich noch mit terroristischem Kalkül herbeigeführt wurde. Hier kann und muss selbstverständlich von einer Strafverfolgung der seitens Staatsanwaltschaft abgesehen werden. Die Dringlichkeit des Handels gegen den Klimawandel ist wissenschaftlich unstrittig und unter Beachtung der minimalen erzielten Fortschritte seitens Politik und Industrie akut geboten. Wir befinden uns in einer Situation, in der langwierige politische Entscheidungsfindung unter intensiver Mitwirkung einiger Lobbyisten nicht die Dringlichkeit des Handelns entsprechen kann. Wir “älteren“ müssen den Aktivisten der letzten Generation für ihr Handeln danken und sie nicht kriminalisieren. Das sollte mit Gruppierungen gemacht werden, die mit Lobbyarbeit trotz besseren Wissens schnelle Maßnahmen wie Tempolimits und ÖPNV Ausbau verhindern. Ich fordere Sie auf, bitte Sie innständig, die Vorwürfe gegen diese Aktivisten als unbegründet abzuweisen. |
Karen Schäfer | Ich bin fassungslos über die Einleitung eines Verfahrens gegen fünf Menschen der Letzten Generation u.a. wegen §129 StGB (Bildung einer kriminellen Vereinigung). Ich möchte mich klar gegen die Kriminalisierung von friedlichem demokratischem Protest positionieren und mache hiermit Gebrauch von der Möglichkeit der Stellungnahme. Auch ich sehe mich als Unterstützerin der Letzten Generation. Als diese hatte ich mich - wie auch fast zweieinhalb Tausend andere Personen – Ende 2022 bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin selbst angezeigt. Nach meinem Rechtsverständnis erfüllt die Letzte Generation die rechtlichen Anforderungen zur kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB nicht, weshalb ich darum bat, mich in die Ermittlungen wegen § 129 StGB mit einzubeziehen. Ich denke, dass es angesichts eines drohenden Kollapses menschlicher Zivilisation, den Klima-wissenschaftler*innen als wahrscheinlichstes Ergebnis unseres Tuns voraussagen, an Bürgerinnen und Bürgern ist, aufzustehen und auf den Missstand hinzuweisen, dass unsere Regierung unsere Lebensgrundlagen gerade nicht ausreichend schützt, dass sie entgegen Artikel 20a unseres Grundgesetzes und damit verfassungswidrig handelt. Wir haben ein Recht darauf, dass die Regierung Gesetze, die demokratisch beschlossen wurden (Klimaschutzgesetz), nun auch in konkrete Maßnahmen übersetzt, so wie es auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorgibt. Klimawissenschaftler*innen gehen davon aus, dass sich klimatische Bedingungen, wie sie heute auf nur etwa 0,8% der Erdoberfläche vorherrschen (in Regionen wie der Sahara), bis zum Jahr 2070 auf etwa 20% der Erdoberfläche ausbreiten werden.4F In diesen Gebieten leben heute etwa 3,5 Milliarden Menschen, das ist mehr als jeder dritte Mensch. Die für diese Regionen prognostizierten klimatischen Bedingungen werden menschliches Leben im Jahr 2070 dort nicht mehr möglich machen. Wollen wir uns kurz gemeinsam vorstellen, was es bedeutet, wenn mehr als ein Drittel der heutigen Weltbevölkerung gezwungen sein wird, sich ein neues Zuhause zu suchen? Wenn auf den wenigen Flächen, die sich klimatisch noch zum Leben eignen werden, gleichzeitig auch das Essen für die gesamte Weltbevölkerung angebaut werden muss? Die Protestierenden möchten eine Zukunft abwenden, in der große Teile der Weltbevölkerung aufgrund von Dürre oder Überschwemmungen Hunger leiden beziehungsweise keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Eine Zukunft, in der wir Milliarden Menschen neu verteilen müssen, da große Landstriche unbewohnbar werden. Eine Zukunft, in der wir im globalen Norden auch noch das allerletzte Loch in der Mauer der Festung zu schließen versuchen, um den Flüchtlingsstrom aus den Ländern des globalen Südens abzuwehren, die schon heute die volle Breitseite der Klimafolgen zu spüren bekommen. Auch ich habe Angst, dass uns jeglicher moralischer und demokratischer Kompass abhandenkommen wird, wenn es in weltweiten Ressourcenkriegen um unser eigenes Überleben geht. All dies ist „weder Fiktion noch Übertreibung“, sondern „[D]as ist, was laut Wissenschaft die Folge unserer aktuellen Energiepolitik sein wird.“ So fasste es auch schon UN-Generalsekretär António Guterres im Frühjahr 2022 zusammen. Im darauffolgenden Sommer stellte er außerdem fest: „Wir haben eine Wahl. Kollektive Handlung oder kollektiver Suizid."7F Im April letzten Jahres hat die 2. Vorsitzende der Teachers For Future Deutschland bei einer Kundgebung der Letzten Generation am Brandenburger Tor eine beeindruckende Rede gehalten. Sie hat sich gefragt, was sie wohl als Lehrerin beitragen kann und uns etwas über Grammatik erzählt, genauer gesagt über die Zeitform des Futur 2 – eine, wie ich gelernt habe, ziemlich unterschätzte Zeitform. Denn mit ihr können wir wichtige Fragen stellen wie zum Beispiel diese: Was werde ich getan haben? Oder auch: wer werde ich gewesen sein? Ich möchte an dieser Stelle weitere Teile ihrer Rede zitieren: „Werden wir aufgestanden sein, uns eingesetzt haben, werden wir gekämpft haben? Für die unveräußerlichen Menschenrechte unserer eigenen Kinder? Für die Rechte der Menschen im Globalen Süden, die bereits jetzt mitten in der Klimakatastrophe leben?“ Was sagen wir den Menschen in Pakistan, die im Sommer 2022 in den Fluten des Monsuns versanken? Was sagen wir diesen 33 Millionen Menschen? Dass wir alle Lösungen zwar kennen, um die Klimakrise abzuwenden, jedoch nicht bereit sind, sie jetzt auch in der notwendigen Skalierung zur Anwendung zu bringen? Dass wir allereinfachste Maßnahmen wie ein Tempolimit nicht umsetzen wollen, stattdessen fossile Infrastruktur immer noch weiter ausbauen und mit bis zu 70 Milliarden Euro jährlich subventionieren? Wie kann ich weiter zuversichtlich sein, dass unsere Regierung ihrem verfassungsmäßigen Auftrag nachkommt, uns zu schützen? "Dieser Verzicht auf Führung ist kriminell", so fasste es der UN-Generalsekretär António Guterres bereits bei der Veröffentlichung des 2. Teils des IPCC-Berichts Anfang 2022 in Genf zusammen. Der weltweit anerkannte Wissenschaftler Sir David King war jahrelang leitender wissenschaftlicher Berater der britischen Regierung, zuletzt explizit für Klimawandel. Er sagte: „Wir müssen schnell handeln. Was wir in den nächsten drei bis vier Jahren tun, wird meiner Meinung nach über die Zukunft der Menschheit entscheiden.“ Das hat er Anfang 2021 gesagt. Die ehemalige UN-Klimachefin und ‚Mutter‘ des Pariser Klimaabkommens, Christiana Figueres, ist überzeugt: "Ziviler Ungehorsam ist nicht nur eine moralische Entscheidung, es ist auch die mächtigste Art, Weltpolitik zu gestalten." […] "Es ist an der Zeit, sich an gewaltfreien politischen Bewegungen zu beteiligen, wo immer dies möglich ist".14F Ich möchte daran erinnern, dass es – wie es der Protestforscher Robin Celikates bereits festgehalten hat – „viele der für unsere Demokratie wichtigen demokratischen Errungenschaften – (einigermaßen) gleiche Rechte für Arbeiter:innen und Frauen, grundlegende, wenn auch noch immer eingeschränkte Rechte für Migrant:innen, Geflüchtete und LGBTQI-Personen – überhaupt nicht geben würde ohne vorausgegangene Protestbewegungen, die auch zum prinzipienbasierten Bruch geltenden Rechts im Namen von mehr Demokratie und Gerechtigkeit bereit waren." Das Verfahren gegen fünf Mitglieder der Letzten Generation wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung betrifft uns alle und es stellt in meinen Augen eine massive Bedrohung für die lebendige Demokratie dar, da es Menschen kriminalisiert, die an ihre demokratisch gewählten politischen Vertreter*innen appellieren und für ihren Protest diejenigen Werkzeuge nutzen, die die Demokratie ihnen zur Verfügung stellt. Diesen friedlichen Klimaprotest zu kriminalisieren, während fossile Konzerne die Zerstörung immer weiter anfeuern - in einer Zeit, in der über die Zukunft menschlicher Zivilisation entschieden wird, ist ein fatales Signal für die gesamte Gesellschaft. Ich fordere Sie deshalb dazu auf, die Anklage fallen zu lassen. |
Marten Lienen | Schon bei einem oberflächlichen Lesen von § 129 StGB ist direkt ersichtlich, dass eine Anwendung dieses Paragraphen auf die Letzte Generation nicht dem Geist dieses Gesetzes entspricht. Aber auch bei einer buchstabengetreuen Auslegung ist eine Anklage hier sinnlos. § 129 StGB Absatz 3 Punkt 2 legt fest, dass die Bildung einer Vereinigung nicht nach diesem Paragraph strafbar ist, "wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist", was bei der Letzten Generation zweifelsfrei gegeben ist. Ich fordere Sie daher auf, diese Verschwendung von staatlichen Mitteln umgehend einzustellen. |