Es sind bereits
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Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
Joseph Leuthner Seit über vierzig Jahren warnt die Klimawissenschaft die Politik vor den Folgen des Klimawandels. Hat die Politik auch nur annähernd angemessen darauf reagiert? Vor über dreißig Jahren nannte der Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, in einem Interview als wichtigste Erkenntnis, die er aus den achtziger Jahren in die neunziger hinüber nehmen wollte, die Ökologie. Ein paar Wochen nach dem Interview wurde er ermordet; im Bekennerschreiben der RAF wurde Herrhausen als der mächtigste Wirtschaftsführer Europas bezeichnet - man darf ihm also unterstellen, dass er einen sehr klaren und nüchternen Blick auf die Welt hatte. Haben wir alle, die wir während der letzten Jahrzehnte bereits Verantwortung für unser Leben hatten, uns auch nur annähernd angemessen in Bezug auf die Ökologie verhalten?
Ist es wirklich überraschend, wenn nun nach Jahrzehnten allzu sorglosen Verhaltens von Gesellschaft und Politik vor allem junge Menschen massiv aufbegehren und einen Wandel einfordern? Sollen solche gewaltfrei agierende Menschen womöglich auf eine Stufe gestellt werden mit der RAF?
Sowohl privat als auch aus meiner beruflichen Tätigkeit in einem Konzern, der heute etwa 24.000 Mitarbeitende hat, weiß ich, dass die Zukunft immer wieder ganz erstaunliche Überraschungen bringt; auch bezüglich des Klimas wissen wir längst nicht alles, aber wenn ich die Fachleute richtig verstehe, dann unterliegt die Veränderung des Klimas ungewöhnlich trägen Prozessen, die sich auch zukünftig über eine sehr lange Zeit fortsetzen und damit das Leben auf der Erde - neben anderen vom Menschen verursachten Veränderungen - in ungewöhnlich starker Weise beeinflussen werden.
Ich weiß nun nicht, wie alt Sie sind, die Sie das lesen, und inwieweit Sie sich Mitverantwortung für die ökologischen Versäumnisse der Vergangenheit zurechnen, ich jedenfalls bin 72 und frage mich, wie ich den nachkommenden Generationen mein eigenes Verhalten erklären soll. Müssten nicht eher ich und meinesgleichen vor Gericht stehen als die "Letzte Generation"?
Ich wünsche Ihnen eine weise Entscheidung bezüglich der "Letzten Generation"!
Jürgen Schmitz Voraussetzung für die Anwendung des § 129 StGB ist die Bildung einer Vereinigung, die das Begehen von Straftaten zum Zweck hat. Hierzu müsste jedoch 1. das Begehen von Straftaten vorsätzlich und 2. im Falle der hier oft genutzten Anwendung des § 240 StGB bei Straßenblockaden zudem verwerflich sein. Gerade dieser Umstand ist jedoch juristisch kontrovers diskutiert und in angewandter Rechtsprechung höchst unterschiedlich bewertet worden.
Speziell für die Blockadefälle hat das BVerfG eine zwischen den erwähnten Auffassungen liegende Ansicht entwickelt, die deren jeweilige Schwachpunkte vermeidet. Ausgehend von der Prämisse, dass auch iSv § 240 I StGB „gewaltsame“ Sitzblockaden als friedlich anzusehen sind und damit grundsätzlich dem Schutzbereich des Art. 8 GG unterfallen, sei im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung jedenfalls der mit der Versammlung verfolgte Kommunikationszweck (scil. das „Ziel der Erregung von Aufmerksamkeit“ für ein politisches Anliegen) zu beachten. Daraus folgt, dass es bei der Verwerflichkeitsprüfung zwar auf die ethische Dignität der politischen Fernziele der Aktivisten nicht ankommt, im Übrigen aber die Verwerflichkeitsprüfung entlang versammlungs(grund)rechtlicher Wertungen und dem Grundsatz der praktischen Konkordanz erfolgen muss. Konkret sind nach der verfassungsgerichtlichen Judikatur folgende Aspekte für die Einzelfallbeurteilung maßgeblich: Die soziale Gewichtigkeit des verfolgten Anliegens, das Bestehen eines Sachbezugs zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand, ferner Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, das Bestehen von Ausweichmöglichkeiten für die betroffenen Verkehrsteilnehmer und die Dringlichkeit des blockierten Transports.

Hinsichtlich der sozialen Gewichtigkeit des Anliegens kann, s. den Klimabeschluss, kein Zweifel bestehen, dass es sich bei der Klimaschutzfrage – unabhängig davon, wie man inhaltlich zu ihr steht – um eine Angelegenheit von überragender gesellschaftlicher Bedeutung handelt. Ebenfalls gegen die Verwerflichkeit des Protests spricht hier der Konnex zwischen Versammlungsthema (Klimaschutz unter anderem durch Reduktion des Kfz-Verkehrs) und Protestform (Blockade von CO2 emittierenden Kfz), der dazu führt, dass die vom Protest nachteilig betroffenen Autofahrer in größerem Maße eine Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte hinnehmen müssen. Bezüglich der Protestdauer und -intensität kommt es, ebenso wie für die weiteren genannten Kriterien, auf die Umstände des Einzelfalls respektive die „Professionalität“ der Blockadeaktion an (vorherige Ankündigung? Freihalten einer Rettungsgasse?). In der Rechtsprechung sind blockadebedingte Verkehrsbehinderungen mit einer Wartedauer von 30–60 Minuten vielfach als stau-üblich, zumutbar und somit tendenziell nicht-verwerflich eingestuft worden. Unzulässig wäre es demgegenüber, den Protestierenden vorzuhalten, die Verkehrsbehinderung sei gezielt und absichtlich erfolgt; damit würde nämlich ein ohnehin zum (subjektiven) Nötigungstatbestand gehörendes Merkmal doppelt verwertet. Ferner kann die Verwerflichkeit nicht damit begründet werden, es gebe kein Recht auf verkehrsbehindernde Sitzblockaden; denn fehlende Verwerflichkeit führt zwar zur Entkriminalisierung, nicht aber zwangsläufig zur Rechtmäßigkeit der Nötigungshandlung.

Insgesamt spricht daher – vorbehaltlich besonderer Fallkonstellationen – Vieles dafür, dass die „Standard“-Protestaktionen der Klima-Kleber grundsätzlich nicht iSv § 240 II StGB verwerflich sind. Damit entfällt jedenfalls die Strafrechtswidrigkeit der Nötigungshandlung, so dass eine Strafbarkeit nach § 240 StGB ausscheidet.
Quelle: Zimmermann/Griesar: Die Strafbarkeit von Straßenblockaden durch Klimaaktivisten gem. § 240 StGB

Insofern kann auch die Anwendung des § 129 StGB in der Abwägung der Rechtsgüter des berechtigten Interesses an der effektiven Ausübung des Demonstrationsrechts zum Erreichen eines effektiven Klimaschutzes für alle einerseits und dem Interesse an der jederzeitigen Fortführung und Aufrechterhaltung des motorisierten Individualverkehrs andererseits nach gründlicher Prüfung dem Zweck des § 129 StGB nicht gegen die Letzte Generation ausgelegt werden. Die mit den bisherigen Blockaden verursachten Störungen können in aller Regel vom zeitlichen Umfang her mit Störungen, die durch andere Ereignisse, wie Festumzüge, Rettungseinsätze oder Unfallgeschehen verursacht werden, gleichgesetzt werden.

Insofern dient ein Anwendung des § 129 StGB in der Form, in welcher diese gegen die Letzte Generation versucht wird, vorrangig einem Mittel der Abschreckung, als der Ahndung oder Vermeidung konkreter Straftaten. Aufgabe des StGB ist jedoch nicht berechtigten Protest durch überzogene Anwendung der mit 129 StGB eingeräumten Rechte berechtigten und zulässigen Protest im Keim zu ersticken.
Ramona Müller Unsere Regierung fördert immer noch fossile Energiequellen, hält sich nicht an Klimaabkommen und nimmt allgemein das Problem Klimawandel überhaupt nicht ernst. Dass auch viele Menschen das Problem nicht ernst genug nehmen, hängt mit dem Verhalten der Regierung zusammen - sie wiegt die Bevölkerung in falscher Sicherheit. Ich sehe darin einen ganz deutlichen Verstoß gegen den Artikel 20a unseres Grundgesetzes. Die politisch Verantwortlichen, die Klimaschutz aufhalten, indem sie wider besseren Wissens klimaschädliches Verhalten dulden oder gar fördern, gehören verklagt, und nicht die Menschen aus der Bevölkerung, die sich dafür einsetzen, ihre Mitmenschen und Politiker*innen wachzurütteln, damit endlich was passiert, damit wir auch in 50 oder 100 Jahren und länger noch gut auf der Erde leben können. Darin kann ich keine Kriminalität erkennen. Die Aktivist*innen tun das nicht, um sich persönlich besser zu stellen, sich die Taschen zu füllen etc., sondern damit es uns allen gut geht! Selbst wenn einzelne Aktionen wie Straßenblockaden zur Anzeige gebracht werden können, handelt es sich hier nicht um die "Bildung einer kriminellen Vereinigung". Hier geht es um Zivilcourage, hier wird die weitere Zerstörung unseres Planeten aufgrund Profitgier bzw. Angst vor wirtschaftlichem Verlust nicht weiter geduldet. Denn die zerstörerische Plünderung unserer Ressourcen ist sehr kurz gedacht - für die nächsten paar Jahre geht das vielleicht zumindest für die Wohlhabenden noch gut, aber dann zahlen wir alle! Und das ist schon sehr, sehr lange bekannt und wird von den Verantwortlichen missachtet - ganz klar Missachtung des Grundgesetzes an dieser Stelle. In einer Demokratie muss es möglich sein, sich couragiert gegen Grundgesetzverletzung von Seiten der Regierung einzusetzen, ohne kriminalisiert zu werden! Wenn wir es uns gefallen lassen müssen, dass die Reichen und Mächtigen die Lebensgrundlage der jüngeren und kommenden Generationen zerstören, weil wir sonst im Gefängnis landen, ist die Ära der Demokratie beendet.
Burkhard Sigges-Urban Den gegenwärtig auch durch Ihre Anklage ablaufenden Versuch, die Letzte Generation und ihre Mitglieder zu kriminalisieren, halte ich für falsch, überzogen und nicht gerecht.
Falsch, weil die Letzte Generation nicht aus egoistischen Motiven handelt sondern im Sinne der gesamten Gesellschaft bzw. der Natur.
Überzogen, weil die "Schäden" bzw. die Einschränkungen für die jeweils Betroffenen relativ gering und überschaubar sind.
Nicht gerecht, weil andere Gruppierungen wie die Bauern mit ihren Protesten und Störungen nicht oder nicht gleichartig verfolgt werden, obwohl dabei durchaus Gewalt angedroht und vereinzelt auch angewandt wurde.