Es sind bereits
2162
Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
Christiane Maria Loosen Ihnen sind bereits zahlreiche Stellungnahmen zugegangen, die die Aktivisten der letzten Generation unterstützen und deren Vorgehen, die Eskalation der Klimakatastrophe in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft endlich effektiv zum Handeln zu bringen.

Die Lage ist sehr, sehr ernst. Als Bürgerin der BRD, eines demokratischen Rechtsstaates bin ich zutiefst erschüttert, wie dieser Staat geltendes Recht beugt. Menschen, die sich Maßnahmen des zivilen Ungehorsams bedienen, um auf Missstände und den Bruch des Grundgesetzes durch die aktuelle und vorangehende Bundesregierung aufmerksam zu machen, Repressalien unterwirft und sie als kriminelle Vereinigung diffamiert und anklagen will.

Wenn ich nicht wüsste, dass das totalitäre Regime der DDR seit nunmehr über 30 Jahren Geschichte ist, würde ich glauben in einen Zeitsprung geraten zu sein!

Die Klimaaktivisten der Letzten Generation, ebenso wie Fridays for Future und Extinction Rebellion wollen nichts andres, als dass geltendes Recht endlich umgesetzt wird. Dass endlich aktiv Maßnahmen umgesetzt werden, die unsere Lebensgrundlage endlich wirksam schützen. Denn es passiert ja noch immer nichts! Es werden nur Sonntagsreden gehalten und von notwendigen Maßnahmen abgelenkt.

Das Engagement der Aktivisten ist kein Selbstzweck für sie, die Ohnmacht und Verzweiflung angesichts einer apokalyptischen Zukunft und der Untätigkeit der herrschenden Regierung treibt sie auf die Straße. Dass sie dabei trotzdem gewaltfrei bleiben und dies auch das erste Prinzip all ihrer Handlungen ist, sollte ihnen Anerkennung bringen und keine Anklage als kriminelle Vereinigung. Verkehrte Welt!

Besinnen Sie sich auf die Werte der Justitia und der Würde unseres Rechtsstaats.

Und wenn Ihnen meine Stellungnahme zu pathetisch oder emotional ist, weise ich nachfolgend auf ein Statement des UN-Sonderberichterstatters Michael Frost hin bezüglich der Situation von Menschenrechtsaktivisten unter der Aarhus-Konvention [1, 2]:


„The repression that environmental activists who use peaceful civil disobedience are currently facing in Europe is a major threat to democracy and human rights. […] The environmental emergency that we are collectively facing, and that scientists have been documenting for decades, cannot be addressed if those raising the alarm and demanding action are criminalized for it. The only legitimate response to peaceful environmental activism and civil disobedience at this point is that the authorities, the media, and the public realize how essential it is for us all to listen to what environmental defenders have to say.“

(„Die Repressionen, denen Umweltaktivisten, die sich des friedlichen zivilen Ungehorsams bedienen, derzeit in Europa ausgesetzt sind, stellen eine große Bedrohung für die Demokratie und die Menschenrechte dar. […] Der Umweltnotstand, mit dem wir alle konfrontiert sind und den Wissenschaftler seit Jahrzehnten dokumentieren, kann nicht angegangen werden, wenn diejenigen, die Alarm schlagen und Maßnahmen fordern, dafür kriminalisiert werden. Die einzige legitime Reaktion auf friedlichen Umweltaktivismus und zivilen Ungehorsam ist, dass die Behörden, die Medien und die Öffentlichkeit erkennen, wie wichtig es für uns alle ist, auf das zu hören, was die Umweltschützer zu sagen haben“)

und schließt mit der Aufforderung an die Staaten, die Kriminalisierung von Umweltaktivisten mit Mitteln, die unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung und gegen organisierte Kriminalität geschaffen wurden, zu unterlassen („…and immediately cease the use of measures designed for counterterrorism and organized crime against environmental defenders“)

Sie können nicht wollen, dass die BRD politische Prozesse führt, wie sie in autoritären Staaten geführt werden. Das hatten wir schon mal und darf nie wieder geschehen.

Daher appelliere auch ich an Sie, stellen Sie das Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen die Menschen der Letzten Generation ein!


[1] Pressemitteilung des Sonderberichterstatters zur Situation von Menschenrechtsaktivisten, Michel Forst, vom 28. Februar 2024: https://unece.org/climate-change/press/un-special-rapporteur-environmental-defenders-under-aarhus-convention-releases

[2] Zur Aarhus-Konvention über die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten: https://de.wikipedia.org/wiki/Aarhus-Konvention




Johann Estner die Menschen der "Letzten Generation" haben viel erreicht. Sie haben den Klimaschutz, der von der Vorgängerregierung komplett ignoriert wurde, wieder zu einem Kernthema der Gesellschaft gemacht. Ihre Aufgabe als RichterIn wird sein, eine Antwort auf die Frage zu finden:
Mit welchen Mitteln hätten Sie das tun können - wenn nicht mit den durch die "Letzte Generation vor den Kippunkten" genutzten ? Der
Klimawandel bedroht nicht nur unsere Gesellschaft, unsere Kinder und unsere Enkel - sondern in besonderem Maße auch die Länder des
"Globalen Südens", welche am schwersten von dessen Folgen wie Dürren, Unwetter etc. betroffen sind. Haben wir nicht die Pflicht, dies
zu schützen ? Was dürfen Bürger tun, um sich gegen profitorientierte und äußerst einflussreiche Kartelle zu stellen ? Wie kann man die
normalen BürgerInnen aufklären und aktivieren - welche von den Herausforderungen des Lebensalltags eingenommen, angesichts der
drohenden Katastrophe lieber weg- als hineinschauen ?
Sie wissen genauso wie ich, daß die Zeit der (großen) Demonstrationen vorbei war. Auf diesem Weg konnte diese Bewegung in den letzten
Jahren nichts mehr erreichen.
Wir verdanken den jungen Menschen der Letzten Generation sehr viel, und ich habe angesichts ihrer Gewaltlosigkeit, ihrer Selbstlosigkeit,
ihrer Beharrlichkeit und mit ihrer Bereitschaft mit jeder /m ins Gespräch zu gehen, den allergrößten Respekt.
Dieses Verfahren darf nicht ohne Berücksichtigung der Motivation betrachtet werden. Wenn die Politik eine Katastrophe ungeahnten Aus-
maßes ignorieren kann und unsere Verfassung der Bevölkerung keine Möglichkeit gibt, sich dagegen aufzulehnen - so müssen wir hinter-
fragen, wie demokratisch unser politisches System noch ist. Am Sachverhalt und den offensichtlichen Indizien dürfte es keine Zweifel mehr geben. Die Naturwissenschaft vermag die faszinierendsten und tiefgründigsten Sachverhalte wie Genforschung oder hoch-
leistungsfähige Quantencomputer zu generieren. Der Klimawandel wurde bereits seit Ende der 1970er Jahre offenkundig gemacht - daran
dürfte es keine Zweifel geben. Jetzt ist es das Gebot der Stunde, alle Resourcen zugunsten einer CO2-freien Transformation einzusetzen.
Die Warnungen des auf die fundierten Kenntnisse der Wissenschaft basierenden Weltklima-Rats sollten ernst genommen werden!
Jula Eichhorn gerne möchte ich zu dem von Ihnen gegen Mitglieder der Letzten Generation geführten Verfahren Stellung beziehen. Ich halte die Anwendung des Paragraphen 129 StGB auf das Vorgehen der Letzten Generation für einen verheerenden Kipppunkt im gesellschaftlichen Umgang mit zivilem Engagement und daran anschließen der Meinungsbildung in Deutschland.
Eine Stattgabe der Anklage würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen in Bezug auf den Umgang mit Menschen, die sich politisch, womöglich mit Mitteln des Zivilen Ungehorsams, aber nicht zwangsläufig, engagieren. Man würde in Kauf nehmen, dass eine Kriminalisierung der Letzten Generation im öffentlichen Diskurs legitimiert und gefestigt und der Raum für etwaige inhaltliche Diskussionen über Klimaschutzpolitik der Boden entzogen wird, sobald er von der Letzten Generation eingefordert wird. Der eigentlich effizientere Weg, um den Störungen der Letzten Generation entgegenzuwirken, nämlich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Forderungen der Gruppe, wird zugunsten der Kriminalisierung und Repression außer Acht gelassen.
Die Repressionen, welche die letzte Generation im Zuge ihrer Proteste bereits erfahren hat, sind überaus unverhältnismäßig, allein dadurch, dass ihre juristische Einordung mehrheitlich, höchst eindimensional auf eine strafgesetzliche Relevanz abstellt. Begründet wird dies im Falle von Straßenblockaden mit einer paarminütigen Verkehrsunterbrechung, durch welche im Übrigen alle konfrontierten Individuen dazu angehalten werden, sich mit den Beweggründen der Protestierenden auseinanderzusetzen. Dies ist aus meiner Sicht absolut gerechtfertigt. Denn Autofahrer:innen und Passant:innen sind keine Unbeteiligten. In der Klimakrise gibt es keine Unbeteiligten, da all unsere Handlungen mit ihr in Verbindung gesetzt werden können. Vielleicht rufen gerade deshalb die Proteste der Letzten Generation Anfeindungen und Trotzhaltungen in unserer Gesellschaft hervor; man möchte nicht an die eigene Verantwortung erinnert werden, die Kompromisslosigkeit, die wir in dieser nie dagewesenen Situation brauchen, nicht anerkennen.
Auch die Protestierenden selbst mussten mit Sicherheit innere Abwehrhaltungen gegenüber einer Auseinandersetzung mit der Klimakrise überwinden, bevor sie sich entschlossen, sich auf die Straße zu kleben. Doch letztendlich haben sie sich gewissenhaft dazu entschieden, der Kompromisslosigkeit, der es jetzt bedarf, entsprechend zu handeln.
Ja, auch noch nach ihrer Strategieänderung wird das Handeln der Letzten Generation auf Störungen im öffentlichen Raum ausgerichtet sein. Doch sind diese so einfach mit Straftaten und organisierter Kriminalität gleichzusetzen? Mitglieder der Letzten Generation widmen sich einem selbstlosen Zweck. Sie setzten sich dafür ein, eine wahrhaftige gesellschaftliche Anerkennung der Klimakrise zu erwirken und politisch Verantwortliche in die Pflicht für die Wahrung unser aller Lebensgrundlagen zu nehmen. Es kann nicht davon die Rede sein, dass die Mitglieder sich zwecks (problematischer) persönlicher Vorteile engagieren.
Die 2. Strafkammer des Landgerichts München hat am 16.1.1.23 zehn Beschwerden gegen Durchsuchungs- und Beschlagnahmungsanordnungen im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen Mitglieder der Letzten Generation als unbegründet verworfen. In ihrer Begründung verweist sie auf eine „erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ durch den Protest der Letzten Generation und erklärt, dass sie sich über die „rechtsstaatliche Ordnung und konsentierte[n] Formen der demokratischen Abläufe“ hinwegsetze. Diese Auffassung, welche auch von einer Vielzahl von Politiker:innen parteiübergreifend geteilt wird, zeugt für mich von erschreckender Realitätsferne.
Die Abwägung zwischen zivilem Ungehorsam als legitimes Mittel demokratischen, friedlichen Protests und der Bewertung dieser als Straftaten ist eine Abwägung, von der wohl kaum eine Protestbewegung in der Menschheitsgeschichte ausgenommen war.
Der Protestkonsens der Letzten Generation, welcher für die Öffentlichkeit absolut transparent aufbereitet und zugänglich ist, bekennt sich aber eindeutig zum Prinzip der Gewaltlosigkeit. In den Einstiegstrainings der Gruppe, wird in Rollenspielen auf die Wichtigkeit der Anerkennung von Lebenslagen anderer Menschen, die sich nicht im Protest befinden hingewiesen.
Ja, die Protestierenden widersetzen sich in vielen Fällen den Anweisungen der Vollstreckungsbeamt:innen. Doch das Ausmaß dessen ist kalkulierbar und unterwirft sich ab einem gewissen Zeitpunkt zwangsläufig dem Gewaltmonopol der Polizei, wenn diese die Protestierenden wegtragen und einkesseln.

Neben der Gewaltlosigkeit gewinnt der Zivile Ungehorsam als letztes Mittel an Legitimität. Er erfährt erst dann an Notwendigkeit, wenn die moderateren Mittel der demokratischen Beteiligung ausgeschöpft worden sind. Im Falle der Klimagerechtigkeitsbewegung muss konstatiert werden, dass Massendemonstrationen, Schulstreiks und Lobbies bisher nicht zu verfassungswahrendem Klimaschutz in Deutschland geführt haben. Es wird also deutlich, dass es einer gesellschaftlichen Situation bedarf, in welcher der Status Quo, das Bemühen um ein „Weiter So“ keine fahrbare Option mehr darstellt. Eine solche Situation kann nur durch fortgesetzten Zivilen Ungehorsam geschaffen werden, der Passivität in der Zivilbevölkerung und der Politik kontinuierlich herausfordert.

Gerade durch die kontinuierliche Adressierung der Bundesregierung beweist die Letzte Generation zudem ihre Systemtreue und ihren Glauben in die rechtsstaatliche Ordnung. Diejenigen mit einem politischen Mandat werden quasi im theoretischen Sinne ermächtigt, politische Maßnahmen zu treffen, die die menschlichen Lebensgrundlagen, auch zukünftiger Generationen gemäß Artikel 20a unserer Verfassung schützen. In diesem Sinne kann es durchaus als zynisch erachtet werden, die Beweggründe der Letzten Generation ausschließlich auf die Basis einer irgendwie gearteten, isoliert dastehenden Moral zu stellen.





nur für die StA sichtbar Die Menschen, die unter dem Namen "Die letzte Generation vor den Kipppunkten" (LG) Aktionen vorbereiten und/oder durchführen, tun dies nicht, um Straftaten durchzuführen, sondern um die Bundesregierung zur Einhaltung des Klimaschutzgesetzes und zur Einhaltung des Grundgesetzes (insbesondere Artikel 20a GG) und zur Einhaltung des völkerrechtlich verbindlichen Pariser Klimaabkommens zu bewegen. Deutschland hat sein gerechtes Budget zur Einhaltung des 1,5°-Ziels bereits aufgebraucht. Wir müssen schleunigst jede Möglichkeit zur Vermeidung weiterer Klimagasemissionen nutzen, und dafür muss die Bundesregierung die systemischen Rahmenbedingungen schaffen. Jede vermeidbare Verzögerung ist ein Verbrechen gegen die Menschheit, und das Ziel der LG ist es, diese Verzögerung zu beenden.

Nicht diese Aktivist:innen sind kriminell. Wirklich kriminell sind Politiker:innen, die wider besseren Wissens (die vom IPCC vorgelegten Fakten dürfen als bekannt vorausgesetzt werden) gegen die o.g. Rechtsnormen verstoßen, welche die Lebensgrundlagen der Spezies Mensch erhalten sollen. Aber es sind die falschen angeklagt.