Es sind bereits
2162
Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
nur für die StA sichtbar Stellungnahme gegen den §129 StGB

Der §129 des Strafgesetzbuches (StGB) stellt eine Bestimmung dar, die in ihrem aktuellen Zustand erhebliche Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien aufwirft. Diese Bestimmung, die auf die Bildung von kriminellen Vereinigungen abzielt, hat in der Vergangenheit zu einer Reihe von Problemen geführt, die die individuellen Freiheiten und die demokratische Teilhabe beeinträchtigen können.

Zunächst einmal ist der §129 StGB für seine weite Auslegung bekannt, die eine breite Palette von Aktivitäten unter Strafe stellt, die oft nicht notwendigerweise die Kriterien einer kriminellen Vereinigung erfüllen. Dies kann dazu führen, dass legitime politische, soziale oder kulturelle Aktivitäten fälschlicherweise kriminalisiert werden, was letztendlich die Meinungsfreiheit und das Recht auf freie politische Betätigung untergräbt.

Des Weiteren besteht die Gefahr, dass der §129 StGB dazu missbraucht wird, politische Opposition zu unterdrücken oder bestimmte Gruppen zu kriminalisieren, die lediglich eine andere politische Überzeugung vertreten. Diese Möglichkeit der Instrumentalisierung des Strafrechts zur Einschränkung von Dissens und zur Schwächung demokratischer Prozesse ist äußerst besorgniserregend und steht im Widerspruch zu den Prinzipien einer offenen und pluralistischen Gesellschaft.

Darüber hinaus führt die Anwendung des §129 StGB oft zu langwierigen und kostenintensiven Ermittlungs- und Gerichtsverfahren, die nicht nur die Ressourcen der Justiz belasten, sondern auch das Risiko von unrechtmäßigen Verhaftungen und Inhaftierungen bergen. Dies kann zu einem Klima der Angst und Unsicherheit führen, das das Vertrauen der Bürger in die Rechtsstaatlichkeit untergräbt.

In Anbetracht dieser Bedenken ist es dringend geboten, den §129 StGB einer kritischen Überprüfung zu unterziehen und gegebenenfalls zu reformieren. Eine solche Reform sollte darauf abzielen, die Bestimmung klarer und enger zu fassen, um Missbrauch zu verhindern und die individuellen Freiheiten besser zu schützen. Darüber hinaus sollte die Anwendung des §129 StGB stärkeren rechtlichen und parlamentarischen Kontrollen unterliegen, um sicherzustellen, dass er nicht zur Unterdrückung legitimer politischer Aktivitäten missbraucht wird.

Insgesamt ist der §129 StGB in seiner gegenwärtigen Form mit erheblichen Risiken und Problemen verbunden, die eine ernsthafte Debatte über seine Legitimität und Notwendigkeit erfordern. Es ist an der Zeit, dass die Gesetzgebung diese Angelegenheit sorgfältig prüft und sicherstellt, dass das Strafrecht nicht als Werkzeug zur Einschränkung der demokratischen Teilhabe missbraucht wird.
Antony Benjamin Vaggers mit gemischten Gefühlen wende ich mich heute an Sie. Einerseits ist mir bewusst, wie wichtig es ist, meine Stimme zu erheben, um für das einzustehen, was mir am Herzen liegt. Andererseits kann ich nicht leugnen, dass ich Bedenken habe, diese Zeilen zu schreiben. Die Angst, allein für das Äußern meiner Meinung rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen, ist ein Gedanke, der mich tief besorgt. Doch genau diese Sorge verdeutlicht die Dringlichkeit, mit der ich Sie heute um Nachsicht und Verständnis bitte.

Die Anklage gegen die fünf Klimaaktivistinnen und -aktivisten, ihnen die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorzuwerfen, ist aus meiner Sicht nicht nur unverhältnismäßig, sondern auch ein Zeichen dafür, wie weit wir uns von dem entfernt haben, was eine lebendige Demokratie ausmacht. Diese Menschen haben sich mit Zivilcourage und dem Wunsch nach einer besseren Zukunft für uns alle eingesetzt. Ihr Handeln, so unbequem es für manche auch sein mag, entspringt nicht krimineller Energie, sondern der Notwendigkeit, auf die drängenden Probleme unserer Zeit aufmerksam zu machen.

Ziviler Ungehorsam, wie ihn diese Gruppe praktiziert hat, ist eine Form des friedlichen Protests, die seit Langem dazu dient, auf Missstände aufmerksam zu machen und Veränderungen herbeizuführen. Diese Tradition ist ein fundamentaler Bestandteil unserer demokratischen Gesellschaft und sollte nicht leichtfertig mit Kriminalität gleichgesetzt werden.

Durch die Kriminalisierung dieser Aktivistinnen und Aktivisten senden wir ein gefährliches Signal aus, nicht nur an sie, sondern an jeden Bürger und jede Bürgerin, der sich für die Belange unserer Zeit einsetzen möchte. Es steht zu befürchten, dass solche Maßnahmen Menschen davon abhalten, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen, aus Angst vor Repressionen.

Ich appelliere an Ihr Verständnis und Ihre Menschlichkeit, diesen Fall nicht nur aus der Perspektive des Gesetzbuches zu betrachten, sondern auch die übergeordneten Ziele und die Dringlichkeit der Klimakrise zu erkennen. Lasst uns nicht diejenigen bestrafen, die bereit sind, für eine lebenswerte Zukunft aufzustehen. Stattdessen sollten wir Wege finden, diesen wichtigen Diskurs zu fördern und gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen zu suchen, die vor uns liegen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe auf Ihr Verständnis und Ihre Weisheit in der Handhabung dieses Verfahrens.
nur für die StA sichtbar Ich denke nicht, dass §129 StGB hier angewendet werden sollte. Die Gruppe Letzte Generation führt gewaltfreie Proteste durch, die in unserer Gesellschaft und dem Justizsystem nicht mit diesem Paragraphen beantwortet werden sollten. Das entscheidende hierbei ist, dass ein Großteil der wissenschaftlichen Gesellschaft die Ansichten und Forderungen der Letzten Generation teilt. Meiner Meinung nach ist die Letzte Generation keine kriminelle Vereinigung. Es muss gesagt sein, dass die Bundesregierung aktuell geltendes Recht bricht, indem sie zu wenig für den Schutz künftiger Leben tut. Dies wurde vom Bundesverfassungsgericht so entschieden. Dass die Letzte Generation auf diesen Rechtsbruch hinweist, und eine Einhaltung des Rechts fordert, sollte nicht mit §129 StGB beantwortet werden!
nur für die StA sichtbar zum Vorwurf der Bildung oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung in Bezug auf die „Letzte Generation“ möchte ich wie folgt Stellung nehmen:

Es ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen schlichtweg unvereinbar, dass auf das Gemeinwohl – nämlich die Erhaltung der unabdingbaren natürlichen Lebensgrundlagen unserer Gesellschaft - gerichtete Tätigkeiten, die als Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG verfassungsrechtlich geschützt sind, strafrechtlich als „kriminelle“ Zwecke im Sinne des § 129 StGB gewertet werden.

Die Wahrnehmung von Grundrechten kann denknotwendig nicht als strafwürdiges Verhalten gewertet werden – es sei denn, man sähe das Strafrecht als höherrangig gegenüber dem Verfassungsrecht an und ignorierte Art. 1 Abs. 3 und 20 Abs. 3 GG.

Daher kann auch eine zu diesem Zweck gegründete Vereinigung von vornherein keine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB sein.
Zur Begründung dafür, dass selbst die von Mitgliedern der „Letzten Generation“ durchgeführten Blockadeaktionen sehr wohl vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gedeckt sind, verweise ich auf die verfassungsrechtlichen Ausführungen von Prof. Dr. Jochen von Bernstorff: Ist der Umgang mit Klimaprotesten in Deutschland menschenrechtswidrig? (04.06.2023) https://verfassungsblog.de/ist-der-umgang-mit-klimaprotesten-in-deutschland-menschenrechtswidrig/ und: Die planetarische Bürgerrechtsbewegung vor Gericht (13.12.2022) https://verfassungsblog.de/die-planetarische-burgerrechtsbewegung-vor-gericht/ sowie den Menschenrechtsbericht 2023 des Deutschen Instituts für Menschenrechte (Kap. 3: Versammlungsfreiheit in Gefahr? Raum für Klimaaktivismus erhalten. S. 84-94) https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/entwicklung-der-menschenrechtssituation-in-deutschland-juli-2022-juni-2023