Es sind bereits
2162
Stellungnahmen eingegangen.
Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:Name | Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft |
---|---|
Christian Schneider | Die Klimakrise an sich ist kein politisches Thema. Politisch wird das Thema erst durch die Politik, die in ihrer verfassungsgemäßen Pflicht versagt, nach Artikel 20a des Grundgesetzes „in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung“ zu schützen. In der Begründung ihres Urteils des Bundesverfassungsgericht vom 24.03.2021 (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-031.html) haben die Verfassungsrichter entwickelt, dass der Klimaschutz Verfassungsrang hat. Das Versagen der Politik, durch ausreichend Klimaschutz die natürlichen Lebensgrundlagen zu sichern, hat António Guterres, Generalsekretär der UN, in seiner Rede vom 28.02.2022 (https://unric.org/de/ipcc280202022/ ) so ausgedrückt: „Ich habe in meinem Leben schon viele wissenschaftliche Berichte gesehen, aber keinen wie diesen. Der heutige IPCC-Bericht ist ein Atlas des menschlichen Leids und eine vernichtende Anklage gegen die verfehlte Klimapolitik… Die Fakten sind unbestreitbar. Diese Verweigerung von Führung (in der Klimakrise) ist kriminell.“ Das Versagen in der Klimakrise wird z.B. durch die Aussage von Stefan Rahmstorf, Leiter des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung und Mitglied im Klimabeirat der Bundesregierung, belegt als er als Sachverständiger im Gerichtsprozess vom 16.01.24 aussagt: „Bei meiner Tätigkeit im Klimarat der Bundesregierung musste ich immer wieder feststellen, dass die Berichte, die der Bundesregierung nicht in ihre Politik passten, einfach ignoriert wurden.“ Außerdem verstößt die Bundesregierung, aber auch jede Landes- und Kommunalregierung, gegen das Völkerrecht, in dem sie das Pariser Klimaabkommen von 2014 nicht einhält. In einem Interview des MDR (https://www.mdr.de/wissen/extreme-hitze-land-meere-zusammenhang-klimawandel-klimaforscher-stefan-rahmstorf-100.html), antwortete Professor Rahmstorf auf die Frage, ob „ Die Aktivisten der letzten Generation, die sogenannten Klimakleber,“ recht hätten mit ihrem Protest mit “ Ja! Ihre Forderungen sind vollkommen berechtigt. Die Politik versagt im Moment und erfüllt die Versprechungen des Pariser Klimaabkommens einfach nicht.„. Im Gegenteil, anstatt wie im Pariser Klimaabkommen vereinbart, die Maßnahmen gegen die Klimakrise nachzuschärfen, werden die Ziele zurückgeschraubt, beispielsweise durch die Aufweichung der Sektorenziele (https://www.l-iz.de/politik/engagement/2023/09/ein-fatales-signal-fur-die-klimapolitik-spd-klimagruppe-kritik-aufweichung-klimaschutzgesetz-552902 ). Ohne dieses Versagen der Politik wären Bewegungen wie Fridays for Future, Extinction Rebellion, oder die Letzte Generation nie entstanden. Ein besonders eklatantes Beispiel für das Versagen der Bundesregierung sind ihre letztendlich erfolgreichen Bestrebungen, die Verbrennung von Erdgas in die EU-Taxonomie für klimafreundliche Energieversorgung der Zukunft aufzunehmen (https://www.nabu.de/news/2022/07/31916.html) , denn Erdgas ist nur auf den ersten Blick weniger klimaschädlich als Erdöl und Kohle (https://www.sueddeutsche.de/wissen/erdgas-heizung-methan-1.4655930). In der Gesamtbilanz, also inklusive der bei Exploration, Transport, Verarbeitung und Verbrennung entweichenden Methanmengen (zwischen 2 und 8%), ist Erdgas durch ihre hohe Treibhausgaswirkung (GWP20=86) 2 bis 8 mal so klimaschädlich wie Erdöl. Dies ist wichtig um zu verstehen warum die Letzte Generation Aktionen gegen die Erdgas-Infrastruktur unternommen hat. Die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft und der Legislative ist entscheidend für die Gewaltenteilung und die Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit. Eine unabhängige Staatsanwaltschaft gewährleistet die faire Anwendung des Gesetzes, während eine unabhängige Legislative die Gesetzgebung frei von Einflüssen durchführen kann, um die Interessen der Bürger zu vertreten. Die EU hat Deutschland gerügt, weil die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft von der Politik ein wichtiger Grundsatz ist, der in der Europäischen Union sowie in Demokratien weltweit hoch geschätzt wird. Wenn die Staatsanwaltschaft nicht ausreichend unabhängig von politischen Einflüssen agiert, kann dies die Fairness von Ermittlungen und Rechtsverfahren beeinträchtigen und das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit untergraben. Wenn konkrete Bedenken oder Verstöße gegen diese Unabhängigkeit bestehen, kann die EU solche Situationen rügen, um sicherzustellen, dass Mitgliedstaaten die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit einhalten. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu diesem Thema (https://www.transparency.de/aktuelles/detail/article/eugh-urteilt-deutsche-staatsanwaltschaft-nicht-unabhaengig) zeigt, dass die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft in Deutschland Gegenstand von rechtlichen Diskussionen und Entscheidungen auf europäischer Ebene ist. Es verdeutlicht die Bedeutung der Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justizorgane, um die Rechtsstaatlichkeit zu schützen. Da diese im deutschen Rechtssystem nicht gegeben ist, sollte sich die Staatsanwaltschaft insbesondere bei politischen Anklagen zurückhalten, um sicherzustellen, dass ihre Entscheidungen frei von politischer Einflussnahme und Parteilichkeit sind. Politische Anklagen können sensibel sein und leicht als Instrumente für politische Machtkämpfe missbraucht werden. Wenn die Staatsanwaltschaft politische Anklagen erhebt, ohne klare rechtliche Gründe oder Beweise zu haben, kann dies das Vertrauen der Bürger in die Unabhängigkeit und Objektivität der Justiz erschüttern. Daher ist es wichtig, dass die Staatsanwaltschaft bei politischen Angelegenheiten besonders sorgfältig vorgeht und ihre Entscheidungen auf der Grundlage von Gesetz und Fakten trifft, ohne politische Einflüsse zu berücksichtigen. Das widerspiegelt auch die Ansicht von Rechtsprofessoren bei einem ähnlichen Vorgang der Staatsanwaltschaft Gera, wo gegen Aktivisten der Künstlergruppe „Zentrum für politische Schönheit“ ebenfalls wegen eines Anfangsverdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) strafrechtlich ermittelt wurde (https://verfassungsblog.de/politische-strafjustiz-zur-demokratischen-kontrolle-der-administrativen-strafverfolgungsbuerokratie/ ). Im Falle der Letzten Generation lehnen weite Kreise der Politik deren Aktionen, verständlicherweise aber nicht gerechtfertigter Weise, ab. Vorgeblich wegen der Form der Aktionen, aber im Grunde wegen der Kritik an ihrer Politik, die die „intertemporale Freiheitssicherung“, wie das Bundesverfassungsgericht Klimaschutz nennt, mißachtet. Der Paragraph 129 des deutschen Strafgesetzbuches (StGB) bezieht sich auf die Bildung krimineller Vereinigungen. Er hat seine Wurzeln im Kontext der Weimarer Republik und wurde später im Nationalsozialismus zur Verfolgung politischer Gegner missbraucht. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er wieder eingeführt, um kriminelle Vereinigungen zu bekämpfen, und er wurde im Laufe der Zeit angepasst, um aktuellen Bedrohungen wie organisiertem Verbrechen und Terrorismus gerecht zu werden. Der Zweck des Paragraphen 129 ist es, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, indem er die Bildung und Mitgliedschaft in kriminellen Vereinigungen unter Strafe stellt und ihre Aktivitäten bekämpft. In dem vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen einer Einordnung als kriminelle Vereinigung nach § 129 StGB nicht gegeben. Die letzte Generation hat nicht als Hauptziel, Straftaten zu begehen. Der Zweck ist nicht gegen die Verfassung gerichtet. Im Gegenteil, die Aktionen zielen auf eine Politik hin, die die Verfassung, insbesondere Artikel 20a des Grundgesetzes, und das Völkerrecht in Form des Pariser Klimaabkommens endlich einhält. Wenn wir die Klimakatastrophe verhindern wollen, müssen wir Ernst machen. Unsere Demokratie muss dringend wieder handlungsfähig werden. Und zwar jetzt, weil nach Jahrzehnten seit dem wir von der nahenden Klimakatastrophe wissen, noch keine im entferntesten angemessene Reaktion erfolgt ist. Die letzte Generation fordert die Regierung deshalb dazu auf, eine geloste Notfallsitzung einzuberufen, um die Wende einzuleiten: Den Gesellschaftsrat für das Klima (https://letztegeneration.org/gesellschaftsrat ). Das Abdrehen der Gasleitung erfolgte am helllichten Tag. Die Aktivisten machten sich durch orange Warnwesten kenntlich und warteten bis die Polizei eintraf und sie abführte. Dies kennzeichnet die Aktion als politische Demonstration und als Symbol, dass wir als Gesellschaft den Gashahn, stellvertretend auch für alle anderen fossilen Energien, abdrehen müssen. Das zukünftige Klima des Planeten wird unser Leben, unsere Gesundheit, unserer Ernährungssicherheit und damit auch unseren sozialen Zusammenhalt mehr gefährden als den Meisten von uns heute bewusst ist. Es wird sehr ungemütlich, auch in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern. Unsere Komfortzone, ein Wetter, das sich in verlässlichen Grenzen bewegt ohne exzessive Wetterextreme, haben wir längst verlassen. Die Meisten denken, „Klimawandel“ sei etwas für künftige Generationen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wahrscheinlich aber bereits in 10 oder 20 Jahren, dass es regelmäßig in Deutschland, auch an der Ostseeküste, Sommer mit Temperaturen von über 45° C geben wird, Stürme, die die heutigen Sturmkategorien sprengen und Extremregen, die ganze Landstriche ersäufen. Dies gefährdet sowohl die weltweite als auch unsere eigene Wasserversorgung und Ernährungssicherheit. Es ist mehr als fraglich ob der soziale Zusammenhalt auch hier in Deutschland das aushält und dies letztendlich auch unsere Demokratie sprengen kann. Sie können dies alles abtun als Hirngespinste eines Klimaaktivisten, aber die Sorgfaltspflicht verlangt von Ihnen, dass Sie sich ein objektives, neutrales und unparteiliches Bild von der klimatischen Lage machen die der Grund für das verzweifelte Handeln der angeklagten Klimaaktivisten ist. Deshalb halte ich es für unabdingbar, dass Sie hierfür, zusätzlich zur Berücksichtigung der für die verschiedenen Aussagen angegeben Weblinks, sich die Fachmeinung eines oder mehrerer Klimawissenschaftler einholen. Fragen Sie Stefan Rahmstorf, Ottmar Edenhöfer, Mojib Latif oder einen anderen bekannten deutschen Klimaforscher (https://www.reuters.com/investigates/special-report/climate-change-scientists-list/) als Sachverständigen wie wahrscheinlich es ist, daß die oben geschilderten Szenarien eintreten. Sollten Sie zum Schluß kommen, die Letzte Generation sei eine kriminelle Vereinigung, wird in 10 oder 20 Jahren, wenn die Klimakatastrophe mit voller Wucht über uns, unsere Kinder und Enkel hereingebrochen sein wird, in den Geschichtsbüchern stehen: „Damals, als es noch möglich gewesen wäre die Klimakatastrophe abzumildern, hat sich die Staatsanwaltschaft zum Gehilfen der Politik gemacht, indem sie diejenigen, die warnen wollten, diejenigen, die die Gesellschaft und die Politik zum Handeln bringen wollten, mundtot gemacht haben. Sie haben sie als kriminelle Vereinigung eingestuft und ihnen damit ihr Versammlungsrecht und ihr Recht auf außerparlamentarische Opposition versagt. Die Staatsanwaltschaft hat sich zum Instrument für politische Machtkämpfe missbrauchen lassen.“ |
Verena Schön | Ich hoffe, dass sich unser Rechtssystem nicht einspannen lässt, um friedlich demonstrierende Klimaschützer zu kriminalisieren und an der Äußerung ihrer Meinung und Organisation ihres politischen Protestes zu hindern. Der Paragraph 129 StGB wurde geschaffen, um organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Bitte lassen Sie es nicht zu, dass er instrumentalisiert wird, um Menschen, die sich um unser aller Zukunft sorgen und gewaltfrei ihre Meinung äußern daran zu hindern. Dies würde verheerende Wirkung auf unsere Rechtskultur haben und die Zivilgesellschaft erheblich in der politischen Meinungsbildung und -Äußerung behindern. Schon allein die ausufernden Ermittlungen und Bedrohen von friedlichen Jugendlichen mit der Waffe erscheint martialisch und absolut unangemessen. Staatsanwält*innen und Richter*innen in Deutschland sollten sich für den freiheitlichen Diskurs und Meinungsäußerung - auch mit kontroversen Mitteln - einsetzen und nicht für Schwerkriminelle geschaffene Paragraphen verbiegen, um engagierte und gewaltfreie junge Menschen vermeintlich zu disziplinieren. |
Jost Nicolaus | ich finde es zutiefst bedenklich gegen eine Gruppe von Menschen, die gegen massive Gefahren für unsere Existenz protestieren, ein Verfahren bzgl. Bildung einer kriminellen Vereinigung zu eröffnen. Dies erachte ich als Einschüchterungsversuch, um legitimen zivilen Protest künftig zu unterbinden. Die Protestformen sind sicherlich extrem, aber auf der anderen Seite verstösst die Regierung Deutschlands nun bereits in der 2. Legislaturperiode gegen geltendes Recht. Ohne jedwede Konsequenz. Wenn friedliche Demonstrationen über viele Jahre nicht helfen, halte ich es für legitim den zivilen Protest zu intensivieren. Natürlich müssen weiterhin Ordnungswidrigkeiten und Straftaten geahndet werden, aber eine Anklage wg Bildung einer kriminellen Vereinigung ist aus meiner Sicht völlig überzogen. |
Bernhard Grunau | schon alleine die Tatsache, dass geprüft wird, gegen Menschen, die, organisiert in einer Klimagerechtigkeitsbewegung, gegen nachweislich begehendes Unrecht der Bundesregierung durch deren Verstoß gegen Art. 20 a GG, gegen geltende Gesetze (z.B. KSG) und völkerrechtsverbindliche Abkommen („Pariser Abkommen“) Anklage wegen Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu erheben, macht einigermaßen sprachlos. Gegen diese engagierten Menschen, die im Rahmen legitimer Proteste nichts anderes als den Schutz des Lebens heutiger und auch künftiger Generationen einfordern, so wie es das BVG-Urteil 2021 explizit verlangt, dafür absolut friedlich, mit Gesicht und Namen, in gemeinnützigem Interesse, Strafen in Kauf nehmend, im Übrigen zu den Grundfesten unseres demokratischen Rechtsstaates stehend dafür eintreten, soll mutmaßlich Anklage erhoben werden? Das ist absurd. Papst Franziskus, der – auch in der säkularisierten Welt – mit seiner Umwelt-Enzyklika „Laudato Si“ aus dem Jahre 2015 vielseitige Beachtung gefunden hat, ergänzt aufgrund der sich verschärfenden Klimakatastrophe seine Enzyklika mit seinem im Oktober 2023 erschienenen apostolischen Schreiben „Laudate Deum – An alle Menschen guten Willens über die Klimakrise“. Hierin findet auch legitimer Protest entsprechende Würdigung. So schreibt er unter Ziffer 58, dass sog. „radikalisierte“ Gruppen oft die Aufmerksamkeit auf sich zögen. Und weiter: „In Wirklichkeit füllen sie jedoch eine Lücke in der Gesellschaft als Ganzer, die einen gesunden „Druck“ ausüben müsste, denn es liegt an jeder Familie, zu bedenken, dass die Zukunft ihrer Kinder auf dem Spiel steht.“ In wenigen Jahren werden wir alle uns fragen (lassen) müssen, was wir getan haben, angesichts dessen, was wir wussten. Der heutige Klimaaktivismus wird spätestens dann vermutlich in einem anderen Lichte beurteilt werden. Ich wünsche mir sehr, dass die Entscheider:innen in diesem Verfahren bedenken, dass die Klimaaktivist:innen auch deren Interesse, die Interessen von deren Kindern und Enkeln, die Interessen der heute schon hierzulande und vor allem im globalen Süden durch unseren Lebensstil entrechteten Menschen vertreten und dafür oft mit allem, was sie sind und haben, einstehen. Der Slogan der Letzten Generation „Wir alle sind die Letzte Generation VOR den Kipppunkten“ bringt es insofern auf den Punkt, JETZT das Notwendige, das „Not-wendende“ zu tun. Wir alle sind aufgefordert, für unsere demokratischen Werte einzustehen – auch, wenn es unbequem wird. Diese Werte sind auch und insbesondere in Gefahr, wenn die Klimakrise eskaliert. |