Es sind bereits
2162
Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
Luisa Milazzo Die Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der „Letzten Generation“ verwundern, denn wenn die vom BGH entwickelte Erheblichkeitsschwelle auf den Fall angewandt wird, erscheint eine Verurteilung nach § 129 STGB nahezu ausgeschlossen (vgl. zur Erheblichkeitsschwelle: BGH 3 StR 583/94 – Urteil vom 22. Februar 1995 in https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/3/94/3-583-94.php: „ § 129 Abs. 1 StGB ist seinem Sinn nach nur anwendbar, wenn die Straftaten, auf deren Begehung die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung gerichtet sind, eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeuten […] “
Der Aufsatz von Prof. Dr. Dr. Milan Kuhli und Judith Papenfuß „Warum die „Letzte Generation“ (noch) keine kriminelle Vereinigung ist“, in https://kripoz.de/2023/03/24/warum-die-letzte-generation-noch-keine-kriminelle-vereinigung-ist/, angerufen am 27.3.2024, setzt sich ausführlich mit der Bedeutung dieser Rechtsprechung für die Einstufung der letzten Generation auseinander. Darin wird dargestellt, dass die Einstufung der Letzten Generation als kriminelle Vereinigung voraussetzen würde, dass ihr Handeln ein „Klima der Angst“ geschaffen hätte.
Die Letzte Generation hat zwar Aufmerksamkeit erregt und sicher auch gestört, aber ein Klima der Angst, wie es etwa durch rechtsextreme Schmierereien erzeugt werden kann, hat die letzte Generation ganz sicher nicht geschaffen. Die Menschen der letzten Generation wurden vielmehr häufig lächerlich gemacht und teils bei ihren Versammlungen mit Gewalt attackiert.
Ermittlungen nach § 129 StGB führen zu weiten Ermittlungsbefugnisse, die einschüchtern können. Nachdem eine Verurteilung höchst unwahrscheinlich ist, wirkt das Verfahren wie ein Versuch, die Menschen einzuschüchtern, die Bevölkerung von Spenden abzuschrecken und die Aktiven in ihrer Arbeit zu behindern.
Es sei noch darauf hingewiesen, dass bei den als Nötigung angeklagten Handlungen von Menschen der Letzten Generation in der Regel nicht einmal klar ist, ob es sich überhaupt um Straftaten handelt, weil der Tatbestand des § 240 StGB nur bei Verwerflichkeit erfüllt ist. Stets ist das Versammlungsrecht mit den Rechten der Verkehrsteilnehmenden abzuwägen.
Darüber hinaus ist der § 240 StGB auch verfassungsrechtlich umstritten: Dass hier ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG vorliegt, weil das Merkmal der „Verwerflichkeit“ zu unbestimmt ist, dürfte anlässlich der Strafverfahren gegen Aktive der „Letzten Generation“ bald das Bundesverfassungsgericht beschäftigen. Vgl. hierzu z.B. Arvid Kerschnitzki, 2023, „Klimakleber“ als Nachweis der Verfassungswidrigkeit des § 240 StGB in https://www.juwiss.de/1-2023/.
Dieses Tatbestandsmerkmal ist rechtsgeschichtlich gesehen eine Ersatzformulierung für das in der NS-Zeit eingeführte Merkmal des „gesunden Volksempfindens“. Dieses wurde von den Nazis seinerzeit eingeführt, damit die NS-Moralvorstellungen über die Strafbarkeit oder Straflosigkeit entscheiden, und zwar nicht bereits vor einer potentiellen rechtswidrigen Handlung, sondern erst danach.
Nach dem Ende der NS-Zeit wurde zwar 1953 das „gesunde Volksempfinden“ durch die „Verwerflichkeit“ ersetzt, und die NS-Ideologie wich glücklicher Weise mit unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung vereinbaren Moralvorstellungen.
Die Unbestimmtheit des Rechtsbegriffs jedoch blieb bestehen. Erst das Strafgericht beurteilt die Verwerflichkeit im Nachhinein, während vor potentiellen Straftaten die Strafbarkeit oder Straffreiheit noch ungeklärt ist, wie es seinerzeit die NS-Strafrechtsreform bezweckt hatte.
Vgl. hierzu Leon Augustin Hill, Der Dualismus von Recht und Moral im NS-Strafrecht und heute in Göttinger Rechtszeitschrift 2/2020, S. 125 FF, wo es auf S. 132 heißt: „Der Richter hat die »Verwerflichkeit« daher, wie vom NS-Gesetzgeber beabsichtigt, 137 auch heute noch anhand gesetzlich nicht festgeschriebener Maßstäbe zu beurteilen: Die Norm stellt ihm frei, ob er »Verwerflichkeit« im Einzelfall bejaht oder verneint.“
Nach all dem entsteht leider der Eindruck, dass die Verfahren eher auf die Verschlechterungen der demokratischen Kultur in Deutschland zurückzuführen sind, als dass tatsächlich eine strafrechtliche Verurteilung in Aussicht steht.
Das ist leider geeignet, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu verringern, was fatal ist, zumal der Rechtsstaat als Basis unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung dringend des Schutzes bedarf. Er ist schweren Bedrohungen durch den erstarkten Rechtsextremismus ausgesetzt.
Eine Staatsanwaltschaft muss sich von Recht und Gesetz leiten lassen und als „objektivste Behörde der Welt“ sich nicht vom politisch immer undemokratischer werdenden Klima leiten lassen. Der Rechtsextremismus ist nicht dadurch zu bekämpfen, dass die Justiz gegen die politischen Feinde der extremen Rechten mit einschüchternden Ermittlungsverfahren vorgeht, die voraussichtlich nicht mit einer Verurteilung enden werden.

Luisa Milazzo, Rechtsanwältin



Lou Clanner Die Klimaaktivist*innen der Letzten Generation sind keine kriminelle Vereinigung!
Mit gewaltfreiem Widerstand wenden sich engagierte Menschen gegen Unrecht und Zerstörung der Lebensgrundlagen der ganzen Menschheit.
Solange Politik und Justiz im Kampf gegen kriminelles Wirtschaften, das massenhafte Abgastote und Klimatote willentlich in Kauf nimmt, versagen, sollte jeder Mensch Verantwortung übernehmen und Widerstand leisten. Auch Sie werden Ihren Kindern und Enkeln nicht sagen können, Sie hätten es nicht besser gewusst.
Solange die Verdrängung der Folgen unseres ausbeuterischen Verhaltens die Gefahr der totalen Selbstzerstörung birgt, bin ich dankbar für jeden gewaltfreien Weckruf.
Ich erwarte, dass Sie von einer Anklage der Letzten Generation nach §129 absehen und Ihre Zeit und Kraft gegen die zerstörerischen kriminellen Energien in der fossilen Wirtschaft und dem Ministerium für Autopolitik einsetzen.
Noch lässt sich die Klimakatastrophe abmildern.
Jan Hodapp Bitte bedenken Sie Ziel und Zweck dieser Protestaktion, es geht fast ausschließlich um uneigennützige Gründe. Es wäre schön, wenn den jungen Umweltschützern ein ähnliches Verständnis wie den armen, armen Landwirten entgegenkäme, die wegen wenigen Prozenten Mehrausgaben unangemeldet und ungestraft Stunden- bis Tagelang Straßen sperren und Angst bei Politikern verbreiten.
Georg Kury Zu Recht gibt es bei Atomkraftwerken eine Risikoanalyse für die Eintrittswahrscheinlichkeit eines nuklearen SuperGAUs mit bis zu 1.000 Toten.

Bei fossilen Kraftwerken und technischen Anwendungen würde eine analoge Risikobetrachtung angesichts einer drohenden Klimakatastrophe eine mehr als tausendfach höhere Eintrittswahrscheinlichkeit für einen fossilen SuperGAU mit Millionen Toten ergeben.

Die weitere Verbrennung fossiler Brennstoffe in Kraftwerken ist eine Ungleichbehandlung gegenüber der Nuklearenergie und eine Überschreitung des allgemein akzeptierten Todesrisikos technologischer Anwendungen wie es beispielsweise in der EN 50126 beschrieben ist.

Ein Protest gegen diese dauerhafte Gesetzesübertretung ist jedenfalls zulässig und auch notwendig.