Es sind bereits
2162
Stellungnahmen eingegangen.
Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:Name | Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft |
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Falk Nicol | das Ziel der Letzten Generation ist es, Druck auf die politisch Verantwortlichen auszuüben, um einen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels und seiner für die gesamte Gesellschaft verheerenden Folgen zu leisten. Dies ist bei unzähligen Gelegenheiten glaubhaft dargelegt worden. Die StA Neuruppin muss sehr genau wissen, dass Handlungen, die sie als Straftaten bezeichnet, lediglich Mittel zum Zweck sind. Dennoch will sie Unterstützer*innen der Letzten Generation juristisch verfolgen. Nach 20 Jahren Leben in der DDR-Diktatur war ich 1990 froh über mehr Meinungsfreiheit und andere demokratische Rechte im wiedervereinten Deutschland. Ich wusste diese Vorzüge sehr zu schätzen und hielt sie keinesfalls für selbstverständlich! Aber die Kriminalisierungsversuche der Klimaproteste, die aufgrund der unzureichenden politischen Schutzmaßnahmen und des Verfassungsbruchs der Bundesregierung (Art. 20a) mehr als gerechtfertigt sind, haben mein Vertrauen in die Seriösität einiger deutscher Behörden erschüttert. Wegen diskutabler Regelbrüche darf eine legitime Protestbewegung nicht kriminalisiert werden. Die Sachargumente der Letzten Generation sind im Gegensatz zu denen der Menschen, die die Abkehr von fossilen Energieträgern verzögern oder verhindern wollen (z. B. Bundesministerien, die ihre Sektorenziele verfehlen) überzeugend und somit für Letztere offenbar bekämpfenswert. Die Klimaprotestler*innen sollen daher durch unverhältnismäßige Repressionen in Misskredit gebracht und der Bevölkerung soll eine nicht vorhandene Gefahr suggeriert werden. Diese Strategie ist durchschaubar und spielt klimawandelleugnenden und -verharmlosenden bzw. rechtsradikalen Kräften in die Karten. Staatsanwaltschaften dürfen nicht derart mit dem Feuer spielen! |
nur für die StA sichtbar | hiermit beziehe ich als Mitglied unserer Zivilgesellschaft entschieden Stellung gegen die Anwendung des Paragraphen 129 StGB im Verfahren gegen fünf Mitglieder der Klimagerechtigkeitsbewegung (Aktenzeichen 326Js14549/22). Bereits seit 2022 beobachte und erlebe ich befremdet und alarmiert, dass in unserem Land friedlicher Klimaaktivismus, der den Grundsätzen des zivilen Ungehorsams folgt, in vielfachen Repressionen bis hin zu Polizeigewahrsam und z.T. wochenlanger Präventivhaft mündet. Nun wird der Vorwurf geprüft, ob Klimaaktivist*innen eine kriminelle Vereinigung gebildet haben könnten, indem sie mit ihren Aktionen friedlich, gemeinsam und sichtbar dazu aufrufen, dass wir alle, Bürger*innen und Politiker*innen, uns endlich und nachhaltig mit einer zielführenden Klimapolitik für den Erhalt unser Lebensgrundlagen und gegen das zerstörerische „weiter so“ einsetzen. Ich bin zutiefst erschüttert von diesem Vorwurf und diesem Verfahren, das mit der Anwendung des §129 StGB auf einem Gesetz basiert, das ursprünglich zum Ziel hatte, juristisch gegen organisierte Kriminalität vorgehen zu können. Sie werden verstehen, dass mich als Mitglied der Zivilgesellschaft solches Vorgehen in höchstem Maße alarmiert, werden damit doch möglicherweise friedlicher Klimaaktivismus für den Erhalt unserer aller Lebensgrundlagen angesichts der Klimakrise mit den gewaltvollen Straftaten, die im Zeichen organisierter Kriminalität verhandelt werden, gleichgesetzt. Zudem stellt sich mir die gleichermaßen naheliegende wie sorgenvolle Frage, bei welchem Handeln der aktiven Zivilgesellschaft dieses Gesetz künftig ebenfalls Anwendung finden könnte? Dass der Klimawandel in rasendem Tempo voranschreitet und dass die daraus resultierenden Folgen für die Menschheit und ihre Lebensgrundlagen in vielen Regionen der Welt bereits verheerend und katastrophal sind und auch in Deutschland als einem geographisch und wirtschaftlich privilegierten Standort von Jahr zu Jahr fühlbarer und unübersehbarer werden, ist unter Wissenschaftler*innen seit Jahrzehnten unbestrittener Konsens und scheint nun endlich mehr und mehr auch im Bewusstsein unserer Gesellschaft anzukommen. Dem notwendigen nächsten Schritt, dass dieser Erkenntnis unverzügliches, konsequentes und an vielen Stellen auch unbequemes und unpopuläres Entscheiden und Handeln folgen muss, fehlt es dagegen immer noch und immer wieder an ausreichender Akzeptanz und Entschlossenheit in Gesellschaft und Politik, um wirkliche und zielführende Veränderungen zur Verlangsamung des Klimawandels auf den Weg zu bringen. Dabei ist der Erhalt unserer Lebensgrundlagen ein grundrechtsgleiches Recht, zu dessen Wahrung neben dem Staat alle Bürger*innen verpflichtet sind (Art. 20a GG). Ziviler Ungehorsam als akzeptierte Form politischer Partizipation ist das Recht aller Bürger*innen, die in Anerkennung unserer demokratischen Grundordnung konsequent friedlich, aber auch nachdrücklich und sichtbar auf die Einhaltung der Grundrechte hinweisen wollen. Im zivilen Ungehorsam wird bewusst und immer friedlich gegen rechtliche Normen verstoßen. Die daraus folgenden Bestrafungen, die auf der Basis des geltenden Rechts von Ihnen und Ihren Kolleg*innen festgelegt werden, werden dabei erwartet und in Kauf genommen. Im Vertrauen auf eben dieses geltende Recht und im Vertrauen auf diejenigen, die dieses Recht nach den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit anwenden, leisten Klimaaktivist*innen zivilen Ungehorsam. Die Anwendung des §129 StGB in Zusammenhang mit zivilem Ungehorsam wirft bei mir viele Fragen auf, vor allem aber die, ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist. |
Dr. Jürgen Wiegand | Sie erwägen eine Anklage gegen Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation nach §129 StGB als kriminelle Vereinigung. In Anbetracht der Zielsetzung und den Voraussetzungen des EU-Rahmenbeschlusses 2008/841/JI frage ich mich, ob hier eine Tür zu einer politischen Verfolgung von Protestformen geöffnet werden soll, die unweigerlich mit Gesetzesverstößen verbunden sind. Eine kriminelle Vereinigung im Sinne des EU Rahmenbeschlusses wäre im Fall der Letzten Generation nämlich substanzlos, da die Merkmale “finanzieller oder sonstigen materiellen Vorteil zu verschaffen” sowie insbesondere die “Verabredung zu Straftaten , die im Höchstmaß von mindestens vier Jahren bedroht sind” im Fall der letzten Generation nicht vorliegen. Im Ergebnis führt die deutsche überobligatorische Auslegung des EU Rahmenbeschlusses zu einer Repression von friedlichen und gewaltlosen Protestformen, die natürlich die öffentliche Ordnung stören, die aber in meinem Verständnis zu einer Demokratie dazu gehören und zumal als letztes Mittel (vgl. Guterres) legitim sein müssen, wenn vielleicht auch nicht straffrei - aber darum geht es hier ja gar nicht! Auch mich persönlich bedrohen Sie in der Folge mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren, da ich die Letzte Generation unterstütze und beabsichtige, dies auch weiterhin zu tun. Ich bin in den Rauchschwaden der 68er Proteste in Frankfurt am Main aufgewachsen und habe sehr bewusst und entsetzt den “Deutschen Herbst” der RAF erlebt. Aus diesen Erfahrungen hat sich bei mir, auch als Soldat, ehrlich gesagt eine andere Vorstellung von einem wehrhaften Rechtsstaat und einer wehrhaften Demokratie herausgebildet, als das, was Sie hier anstrengen. Das juristische Instrument, das Sie aus meiner Sicht sehr leichtfertig und bequemer Weise in die Hand nehmen, sollte keinesfalls irgendwann mal anderen in die Hände fallen und ich kann Sie nur auffordern, es lieber wieder in den Werkzeugkasten zu legen. (s. Kriminalpolitische Zeitschrift 4/2023; Heger, Huthmann). Als Physiker erlauben Sie mir bitte noch eine naturwissenschaftliche Sicht auf die Verhältnisse: Gesetze gelten auch in der Natur, wenn auch nie von einem Parlament beschlossen. Als Konsequenz von Übertretungen ist hier nach wie vor die Todesstrafe oder besser -folge möglich. Spätestens seit den Exxon-Studien aus den 70ern gab es eine Vereinigung unterschiedlicher Interessengruppen, die entgegen besseren Wissens, also vorsätzlich zur Erlangung eigener finanzieller und anderer Vorteile, zum Schaden Dritter handelte. Die Einzeltatbestände mögen nach jeweils geltendem Recht legal gewesen sein, aber in ihrem Schädigungsvorsatz doch sicherlich kriminell. Ich kann die jüngere Generation nur für ihre Gewaltlosigkeit und Friedfertigkeit bewundern angesichts dieser hartnäckigen, ignoranten, teils zynischen und absichtsvollen Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen. Bedenken Sie daher bitte Ihre hohe Verantwortung, die Ihnen unserer Rechtsstaat zuweist, und machen Sie sich nicht mitschuldig an einem Unrecht, welches den Rechtsrahmen ohnehin sprengt. |
Jörg Hutmacher | Offensichtlich wurde bereits bei der Formulierung des §129 erkannt, dass sich in Bezug auf politische Willensbildung und -bekundung im Rahmen einer freiheitlich orientierten Gesellschaft problematische Überschneidungen ergeben können. Verankert in §129.3. Die Handlungsstrategien der 'Letzten Generation' erklären sich doch explizit infolge des Mangels an ernster Gegenwärtigung der Klimakrise durch das etablierte Parteienspektrum. Daher fanden sich Menschen zusammen, die den Ernst der Lage als 'Letzte Generation' breitenwirksam für die gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung in Aktion umgesetzt haben. Humane Lebensperspektive ist der ganze Tenor all ihrer Handlungen. Darin den Zweck einer kriminellen Vereinigung zu insistieren, entbehrt der Menschlichkeit. |