Es sind bereits
2162
Stellungnahmen eingegangen.
Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:Name | Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft |
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Arno Kurtenacker | §129 StGB greift nach meiner Einschätzung im Falle der "Letzten Generation" nicht. Ziel der Letzten Generation ist nicht, wie im Gesetz verlangt, die Begehung einer Straftat, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit i.S. von §118 OWiG ("Grober Unfug") bzw. bestenfalls eine "Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung" i.S. von §129 (3), Ziff. 2. Eine Anklage auf Basis von §129 StGB würde mMn das Rechtsgut des Paragrafen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung, pervertieren. Zum Einen müssten dann folgerichtig viele Formen des organisierten Protestes darunter fallen. Die GdL als kriminelle Organisation zu bezeichen, nur weil sie den Bahnverkehr mehrfach wiederholt und organisiert zum Erliegen gebracht hat, geht aber sicherlich genauso zu weit, wie die Aufrufe zu den sog. Bauernprotesten unter den §129 StGB unter Anklage zu stellen. Zum Anderen würde dann auch normales, sozialadäquates Verhalten unter einen neuen Licht erscheinen. Beispielsweise führen Veranstaltungen wie Volksfeste oder Karneval regelmäßig zu Behinderungen. Auch der Umstand, dass die Organisation und Durchführung der Fußball-EM mit Behinderungen und Belästigungen einher gehen wird, ist sicherlich kein Grund, die UEFA als kriminelle Vereinigung zu bezeichnen. Recht zu sprechen hat immer etwas mit "Augenmaß" zu tun. Eine Anklage gegen die Letzte Generation nach §129 StGB wäre nach meiner Meinung genau das Gegenteil von Augenmaß. Aus meiner Sicht wäre das ein falsches Signal in Richtung einer aktiven Bürgergesellschaft und eine Relativierung von Formen der Kriminalität, die eine echte Gefahr für die Sicherheit und Ordnung darstellen. |
nur für die StA sichtbar | Mir persönlich fehlt die Expertise und das detaillierte Hintergrundwissen, um das Verfahren juristisch bewerten zu können und eine stichhaltige Bewertung auf der Grundlage der Gesetze zu liefern. Daher muss ich mich auf Expertenmeinungen zurückziehen. Dennis Bock hat auf einer Internetseite der Kriminalpolizei (1) Anmerkungen zum Beschluss des Landgerichts München zum Anfangsverdacht auf das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung gegen die „Letzte Generation“ gem. § 129 StGB geliefert. Prof. Dr. Dennis Bock ist Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches und Internationales Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht. Seinen Ausführungen folgend, ist der Antrag der Staatsanwaltschaft gegen die „Letzte Generation“ nicht haltbar. Vermutlich wird es auch andere Expertenmeinungen zum Verfahren geben, die Dennis Bock widersprechen. Zumindest lässt sich wohl feststellen, dass ein juristischer Diskurs entstanden ist, in dem Schuld und Unschuld nahe beieinanderliegen und nur durch juristische Nuancen und Expertenperspektiven voneinander unterscheidbar sind. Ich möchte mich daher nur auf einige Aspekte des Verfahrens beziehen, die ich auch ohne juristische Sachkenntnis zu beurteilen für möglich halte. Es gibt, von nahezu allen wissenschaftlichen und seriösen Experten, keinen Zweifel mehr an einer globalen Klimakrise, in der wir uns befinden. Ich verzichte auf einzelne Verweise aus der überwältigenden Menge an Publikationen aus Fachjournalen, vielen Berichten des Weltklimarates (IPCC) und kontinuierlich aktualisierten nationalen Berichten (z.B. der ‚Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung‘ (WBGU)). In nahezu allen Veröffentlichungen werden dringend notwendige Maßnahmen und ein gesellschaftlicher Wandel eingefordert. Solange wir als Gesellschaft Verantwortung für die Umwelt und nachfolgende Generationen übernehmen wollen, ist die Missachtung der evidenzbasierten Forderungen irrational. Dahingehend sind die Ziele des „Letzte Generation“ nicht nur sinnvoll, sondern auch zwingend notwendig. Sie stehen im Einklang mit Empfehlungen des IPCC-Berichts (Dekarbonisierung), weltweiten Standards (Tempo 100) und den von der Mehrheit der Gesellschaft gewünschten Bedürfnissen (9-Euro-Ticket oder Forderungen nach einem Gesellschaftsrat). Ein interessanter Nebenaspekt ist, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit seinem Urteil im November 2023 auf die vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eingereichte Klage hin die Bundesregierung erneut zu mehr Klimaschutz aufgefordert hat, da offensichtlich die bisherigen Maßnahmen unzureichend sind. In diesen Punkten der Zielsetzung scheint die „Letzte Generation“ im Einklang mit geltendem Recht zu sein. Bezüglich der Maßnahmen der „Letzte Generation“, die sie ergreifen, um auf die wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und juristischen notwendigen Ziele hinzuweisen, ist es irritierend, dass die friedlichen Protestaktionen und Bemühungen für einen nachhaltigen Wandel als kriminell angesehen werden. Möglicherweise sind nicht alle Maßnahmen in Übereinstimmung mit dem Gesetz vertretbar. Unbestritten ist aber wohl der fehlende Personenschaden bzw. geringe Sachschaden, sowie das vertretbare Verhältnis von Grenzüberschreitungen einerseits und der fehlenden Umsetzung von notwendigen Maßnahmen andererseits. Angesichts der genannten Klimakrise und der fehlenden Umsetzung von Maßnahmen erscheinen die juristischen Fragen (wie z.B. Nötigung ab der zweiten Staureihe) banal und unverhältnismäßig. Vielmehr stellt sich die Frage, ob hier einem medialen Interesse und/oder ideologischen Klimakrisenskepsis zu viel Raum gegeben wird. Insgesamt sehe ich bei Zielen, Zweck und Maßnahmen keinerlei Verbindung zur Kriminalität, Schäden oder gar Selbstbereicherung. Ich appelliere daher an die Vernunft und bitte darum, den Antrag der Staatsanwaltschaft zurückzuweisen. Der Vorwurf, eine kriminelle Vereinigung zu bilden, ist diffamierend. Die Bewegung ist transparent und offen für jeden, der sich dem wissenschaftlich und gesellschaftlich sinnvollen Anliegen anschließen möchte. Der "Letzten Generation" sollte weiterhin die Möglichkeit gegeben werden, sich friedlich und entschlossen für eine lebenswerte Zukunft einzusetzen. (1) https://www.kriminalpolizei.de/ausgaben/2024/maerz/detailansicht-maerz/artikel/die-letzte-generation-als-kriminelle-vereinigung.html |
nur für die StA sichtbar | ich nehme wie folgt Stellung: Menschen, die sich zusammenschließen, um die Einhaltung der Pariser Klimaziele einzufordern, bilden keine kriminelle Vereinigung (§129 StGB)! Wie kann es kriminell sein, sich solidarisch für eine bessere Zukunft einzusetzen? Im Idealfall wären alle Proteste und Demos und Aktionen unnötig, weil wir eine Regierung und Verwaltung hätten, die mit Volldampf Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreift und damit in der EU und weltweit Vorreiter ist. Dann könnten die Beschuldigten wieder ganz egoistisch ihr eigenes Leben leben. |
Irmgard Fischer | Laut dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, rasen wir in die Klimahölle. Dasselbe sagen auch deutsche Wissenschaftler, wie Schellnhuber, einer der weltweit renommiertesten Klimaexperten. Fast alle Staaten der Erde haben auf der 21. UN-Klimakonferenz 2015 mit dem Übereinkommen von Paris einen Vertrag unterzeichnet, nach dem sie Anstrengungen unternehmen wollten, die 1,5 Grad nicht vor zum Jahr 2100 zu erreichen. Dies ging schon mal schief. Die 1,5 Grad habe wir schon 77 Jahre vorher, nämlich im Jahr 2023 gerissen. Wir müssen den fossilen Wahnsinn stoppen. Fast alle Politiker weltweit sind auf dem falschen Kurs und werden von Machtinteressen und dem Profitstreben der Lobbyisten der fossilen Industrie geleitet. Diese wissen, dass nicht mehr allzu lange Geld damit gemacht werden kann. Die Bundesregierung ignoriert ihre eigenen Klimagesetze. Sie hört nicht auf den eigenen Expertenrat für Klimafragen. Alles was die Bundesregierung tut ist Greenwashing. Die Zivilgesellschaft ist gefordert, den Menschen die Augen zu öffnen und gegenzusteuern. Wenn sich mehrere Menschen dafür engagieren, dürfen sie nicht als kriminelle Vereinigung diffamiert werden. Ich habe bei verschiedenen Gerichtsverhandlungen in Frankfurt a. M. als Beobachter teilgenommen. Immer wieder sagten Richter:innen und Staatanwält:innen, sie müssten wegen Nötigung verurteilen. Sie verstünden die Beweggründe und sehen die Klimakrise. Aber in den nächsten Jahren werde möglicherweise anders geurteilt. Bitte urteilen Sie jetzt schon anders! |