Es sind bereits
2162
Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
Barbara Schramkowski Guten Tag, ich finde es schockierend, dass Sie Menschen, die im Kontext der sich zuspitzenden Klimakrise und den fehlenden ausreichenden Handlungen unserer Regierung Menschen, die mutig mit gewaltfreien Protesten im Rahmen vom zivilen Widerstand hierauf aufmerksam machen, anklagen wollen und die Letzte Generation als „kriminelle Vereinigung“ einstufen wollen. Dies passt zur Beobachtung von Amnesty International, die Deutschland erstmals als Land listen, in dem das Recht auf Versammlungsfreiheit zunehmend eingeschränkt werde. Angeführt werden Beispiele für Präventivhaft, Schmerzgriffe, repressive Gesetzgebung und Versammlungsverbote. Vor allem Klimaaktivistinnen und -aktivisten seien zurzeit zunehmenden Repressionen ausgesetzt. Scheinbar wird vergessen, dass die Aktionsform des zivilen Ungehorsams, den die LG nutzt, „zu dem unverzichtbaren Bestand einer reifen politischen Kultur“ (Habermas 1983: 43) gehört. Sie ist in den Worten des politischen Philosophen John Rawls (1979) eine „öffentliche, gewaltlose, gewissensbestimmte, aber politischen gesetzwidrige Handlung, die gewöhnlich eine Änderung der Gesetze oder der Regierungspolitik herbeiführen soll.“ Die Regelübertretungen der Letzten Generation fallen hierunter: Denn es geht um die absichtliche Verletzung einer rechtlichen Norm aus moralischen Gründen mit dem Ziel einem politischen Anliegen Gehör zu verschaffen. Dabei geht es nicht um ein Eigeninteresse, also darum sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen, sondern es wird gewissensbestimmt agiert. Zentral ist dabei der Ausschluss von Gewalt. Hier möchte ich auch in Erinnerung rufen, dass gewaltfreie Blockade-/Besetzungsaktionen ein etablierter Teil friedlicher Protestbewegungen sind, die ihre Kraft daraus ziehen, dass sie Orten stattfinden, an denen sie und ihr Anliegen, nämlich Klimaschutz, nicht ignoriert werden können. Hier konkret durch das Stoppen des Autoverkehrs zu einer Zeit, zu der viele Menschen im Auto unterwegs sind. Die Straße ist als symbolischer Ort gut gewählt, weil der Verkehrssektor in Deutschland für sehr großen Teil der Gesamt-Emissionen verantwortlich ist und auch weil die durch Autoverkehr verursachte Luftverschmutzung eine sehr große Gesundheitsgefahr ist (https://taz.de/Studie-zu-Luftverschmutzung/!5973233/: in Deutschland sterben laut dem Max-Planck-Institut rund 47.000 Menschen pro Jahr durch fossile Luftverschmutzung).
Zahlreiche Statements von Wissenschaftler:innen, die meine Argumente unterstützen, finden Sie hier auf der Seite von „Handeln statt Kriminalisieren“: https://handeln-statt-kriminalisieren.com/statements/ Vor dem Fällen eines Urteils sollten Sie sich alle Statements anhören.
Und hier finden Sie den rund 2000 Wissenschaftler:innen unterzeichneten Brief "Handeln statt Kriminalisieren": https://handeln-statt-kriminalisieren.com/ Auch diesen bitte ich Sie sorgfältig zu prüfen.
Und genau darum geht es: Wir brauchen konsequenten Klimaschutz und keine Kriminalisierung der Menschen, die aufzeigen, dass Deutschland nicht auf dem 1,5-Grad-Pfad ist und somit auch das Urteil vom Bundesverfassungsgericht zu dem Thema nicht ausreichend ernst nimmt.
Und zum Schluss bitte ich Sie die in dem Offenen Brief von Jurist:innen/Hochschulprofessor*innen benannten Argumente zur Kenntnis zu nehmen: "Für eine völker- und verfassungsrechtskonforme Klimaschutzpolitik", https://verfassungsblog.de/fur-eine-volker-und-verfassungsrechtskonforme-klimaschutzpolitik/


Dr. Andreas Hellmann Ich würde es für unangemessen und meines Rechtsempfindens unwürdig erachten, wenn die Anklage nach § 129 StGB zustande kommen würde. Im Kontext der massiven Beeinträchtigungen, die einzelne, nur ihrem persönlichen, privaten wirtschaftlichen Interessen verpflichteten Demonstranten, wie Lokführer und Landwirte angerichtet haben, wäre diese Anklage gegen idealistische junge Menschen völlig überzogen. Handelt es sich doch um junge Menschen, die nicht nur ohne persönliches finanzielles Interesse, sondern sogar im Gegenteil unter Einsatz von Gesundheit und Vermögen auf ein höchstrichterlich festgestelltes Staatsversagen hinweisen.
Abgesehen ist von einer strafrechtlichen Verfolgung abzusehen, wenn nach § 129, (3) Absatz 1, Satz 2 die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist.
Soweit mir bekannt sind alle die als rechtswidrig bekannt gewordenen Aktionen der "letzten Generation" nicht im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht.
Somit sollte m.A. die Staatsanwaltschaft Neuruppin keine Klage erheben.
Maico Riegelmann Ich nehme hier Stellung als Mutter einer 19-jährigen Tochter, der nach dem Abi eigentlich die Welt offenstehen sollte. Aber welche Welt, welche (nahe!) Zukunft erwartet sie? Seit 2018 mehren sich die "Rekord-Sommer" bis heute mit zu wenig Regen und zu viel Hitzetagen. Dies wird von Forschung und Wissenschaft eindeutig auf den von Menschen gemachten Klimawandel zurückgeführt. Das Jahr 2022 war ein Horrorjahr, voller Hitzewellen und schlimmsten Dürren weltweit. Gleichzeitig konnten die 5 weltweit größten Ölkonzerne Rekordgewinne verbuchen, allein im zweiten Quartal 2022 sind es rund 62 Milliarden Dollar. Dabei handelt es sich um GEWINNE, nicht um UMSATZ! (Quelle: "Deutschland 2050"). Und auf wessen Kosten geschieht dies? Wundert es Sie wirklich, dass in Anbetracht weiterhin untätiger Politiker, die sich ihren Großspendern mehr verpflichtet sehen und offenbar nur in Legislaturperioden denken, die Menschen weiterhin untätig bleiben? Obwohl sie ja schon in unseren "gemäßigten" Breiten die Klimakrise voll und ganz am eigenen Leib erfahren? Muss erst eine weitere Katastrophe wie die Überschwemmung des Ahrtals passieren? Nicht zu vergessen, welche weltweit noch viel verheerendere Überschwemmungen, Dürren und Waldbrände durch die Klimakrise ausgelöst und verstärkt werden.
Viele Menschen meinen, nein! Sie wollen, dass unsere Regierung gegensteuert, aber sie tut es nicht! Jedenfalls nicht annähernd genug! 2019 demonstrierten rund 1,4 Mio. Menschen in Berlin, weil sie sich eine bessere Klimapolitik wünschen. Zahlreiche Klimagruppen entstehen, darunter auch die Letzte Generation. Ich habe als Journalistin dort viele Wochen recherchiert und so viele selbstlose, idealistische, hoffnungsvolle und großartige Menschen kennengelernt, die ihr eigenes Leben auf Eis gelegt haben, Studium abgebrochen, Beruf aufgegeben oder umorientiert - aus der Einsicht heraus, dass alles keinen Sinn macht, wenn es uns nicht gelingt g-e-m-e-i-n-s-a-m diese größte Herausforderung der Menschheit zu meistern.
Sich von der Letzten Generation jetzt einige Menschen herauszugreifen, um ein Exempel zu statuieren stellt in meinen Augen eine nicht zu rechtfertigende Willkür dar. Natürlich sind die Protestaktionen der Letzten Generation störend. Im Grunde trifft dies aber auf alle aktiven Protestformen zu, nicht zuletzt und insbesondere auf die ausufernden Bauernproteste. Ich bin nicht mit allen Aktivitäten der Letzten Generation einverstanden, aber ich bin dankbar, dass sie auch für mich und meine Familie und unsere gesamte Gesellschaft mit soviel Einsatz kämpfen.
Was mich besonders erzürnt: dass der Rechtsstaat hier mit zweierlei Maß misst, Bauern, AfD, Nazis usw. frei protestieren lässt und man sich bei der Strafverfolgung öffentlich so gegen die Letzte Generation einschießt, ist dies nur Wasser auf die Mühlen derer, die unseren Rechtsstaat wirklich gefährden. Und schwächt zudem auch noch diejenigen, die im Grunde für die Allgemeinheit (und nicht nur für ihren eigenen Vorteil) kämpfen.
Wann endlich landen die wirklich Schuldigen der Klimamisere auf der Anklagebank?
Ich weiß, dass Sie nur nach Recht und Gesetz urteilen können. Aber die Rechtsgeschichte zeigt, dass es eine Entwicklung gibt und geben muss!
Die Letzte Generation ist ein deutlicher Fingerzeig, dass die Rechtsinstrumente unserer fortschreitenden Gefährdung durch die Klimakrise entsprechend verändert und weiter entwickelt werden müssen.
Ich danke Ihnen für Ihr Bemühen, dem gerecht zu werden.
Ralf Ahlers Für das obige Verfahren mache ich mir den verlinkten Kommentar für mich zu eigen und verweise zudem außerdem zusätzlich auf die Gefahr, daß sich in nächster Zukunft "linke" Wählergruppen" aus dem Vertrauen zu diesem Staat verabschieden werden, sollte sich dieser weiterhin so selbstdemontieren.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bauernproteste-der-gefaehrliche-doppelstandard-des-staates-a-dabbc247-6610-4a9f-a9ae-ef7b1464f4ad?giftToken=2e096264-b76b-46c5-9562-484a78b899fb