Es sind bereits
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Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
Jan Hensellek Ich fühle mich heute aufgefordert, zu den Vorgängen um die geplanten Anklagen gegen Unterstützer*innen der Letzten Generation Stellung zu beziehen, da sowohl der Vorwurf der kriminellen Vereinigung als auch die damit verbundenen Hausdurchsuchungen und Abhörmaßnahmen mir nicht nur stark überzogen vorkommen, sondern in meinen Augen auch einen überaus besorgniserregenden Eingriff in die demokratischen und freiheitlichen Grundsätze unserer Demokratie darstellen. Wo auch immer friedlichen Demonstrant*innen mit solch drastischen juristischen Mitteln begegnet wird setzt man einen gefährlichen Präzedenzfall für die Beschneidung der Möglichkeit zur demokratischen Beteiligung. Wenn der Staatsapparat auf eine solche demokratische Beteiligung mit Überwachung und rechtlicher Schikane reagiert, unterstreicht dies nur, warum viele Menschen in unserer heutigen Gesellschaft drastische und teils disruptive Protestformen als nötig sehen.

Die Proteste der Letzten Generation mögen kontrovers und disruptiv sein, doch was auch immer für ein Schaden selbst durch die radikaleren Aktionen wie Straßenblockaden und Farbattacken gegen Gebäuden entstehen mag, verblasst im Vergleich zu den Kosten die zweifelsohne durch die durchgeführten Überwachungsmaßnahmen sowie aktuelle und geplante Gerichtsprozesse entstanden sind und entstehen werden, geschweige denn den Schäden die bereits jetzt jährlich durch klimawandelbedingte Extremwetterereignisse entstehen. Wie vermutlich alle Beteiligten würde auch ich mit wünschen, dass solche Protestformen gar nicht erst nötig werden, doch die Untätigkeit, Ineffizienz und teilweise absichtliche Ignoranz der etablierten politischen Organe gegenüber den verheerenden globalen Folgen der menschengemachten Klimakriese zeigt, dass Wählen und persönliche Nachhaltigkeit allein nicht mehr ausreichen um die Katastrophe abzuwenden. Die Folgen des Klimawandels sind bereits seit Jahrzehnten allgemein bekannt und die Abkehr von fossilen Brennstoffen war bereits in meiner Kindheit ein großes gesellschaftliches Thema. Nun, in meinen späten Zwanzigern treten wir trotz dem und trotz all der spürbaren Konsequenzen unserer Untätigkeit, noch immer auf der Stelle, nicht zuletzt auf Grund kurzsichtiger wirtschaftlicher Interessen.

Im Angesicht solch katastrophaler Aussichten und solch peinlicher Untätigkeit ist das letzte was wir als Gesellschaft tun sollten, die zu kriminalisieren, die ihre Stimme erheben. Ich kann gut verstehen, dass Menschen in einer solchen Lage wütend sind, sich Machtlos fühlen und auf die Straße gehen Mich heute an Sie zu wenden ist mir deshalb persönlich ein wichtiges Anliegen. Als Bremen bin ich über die letzten Jahre ebenfalls selbst direkt von Extremwetter wie etwa den Überflutungen des vergangenen Winters betroffen. Auch wenn das Wasser bisher nur in meinem Keller steht, möchte ich nicht erst etwas sagen wenn es uns bis zum Hals steht.
Vera Krick hiermit möchten wir zur Frage, ob die "Letzte Generation vor den Kipppunkten" und weitere aktivistische Gruppen eine kriminelle Vereinigung bilden, Stellung beziehen.

Dem allgemeinen Rechtsverständnis nach wurde dieses Gesetz geschaffen, um Banden, die zur eigenen materiallen Bereicherung wiederholt Straftaten planen und begehen, leichter verurteilen zu können. Dies trifft nicht auf die Letzte Generation zu. Uns ist durch unser Engagement für Klimagerechtigkeit und Umweltschutz bekannt, wie die Letzte Generation arbeitet. Natürlich kennen wir nicht jede engagierte Person, nicht jedes Gespräch und Überlegung. Aber wir sind zu dem Schluss gekommen, dass bei der Letzten Generation Menschen aktiv sind, die friedlich, gewaltfrei, kooperativ, konsequent, mutig gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen kämpfen, indem sie die Regierung, die verantwortlichen Institutionen und die fossilen Unternehmen adressieren. Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte, dass diese Art "Rebellion" gegen machtvoll Instanzen mit unverhältnismäßiger Härte zurückgedrängt wird. Und hier appelieren wir an die Staatsanwaltschaft, die demokratische Gewaltenteilung ernst zu nehmen und zu nutzen und für Verhältnismäßigkeit zu sorgen. Vermutlich ist es ihre Aufgabe zu prüfen, ob Anklage erhoben wird, tun sie das. Im Gerichtsverfahren müsste dann ebenso geprüft werden, ob die Ermittlungsverfahren aufgrund §129 mit Beschlagahmung von Website, Hausdurchsuchung und die Vorverurteilung (das war wohl die StA München?) gerechtfertigt waren. Aus unserer Sicht waren sie es nicht. Und diese Kriminalisierung von legitimem Protest waren für uns der Anlass am Folgetag an die Letzte Generation zu spenden und uns seitdem für Klimagerechtigkeit zu engagieren. Denn wenn dieses friedliche, selbstlose Engagement für unser aller Lebensgrundlagen strafbar sein soll und so hart bestraft werden kann (§129), dann wollen wir auch auf die Anklagebank!

Wir sehen die Gefahr, dass es nicht funktionieren kann, wenn jeder Hinz und Kunz sich einfach auf die Straße setzt, um für seine Belange zu blockieren. Es ist richtig, dass die Polizei diese Blockaden auflöst. Aus unserer Sicht, waren die Blockaden aber nötig, denn alle anderen Protestformen haben nichts verändert, wurden nicht gehört, konnten ignoriert werden, während uns allen die Zeit davon läuft. Die Verantwortlichen, die Regierung, das Land hat diese Proteste gebraucht, um hinzusehen und den gewichtigen, vertrauenswürdigen, demokratisch legitimierten Warnungen Gehör zu verschaffen (Bundesverfassungsgerichtsurteil, UN-Generalsekretär, Forschung in Deutschland und international u.a.).

Beachten sie die Verhältnismäßigkeit, stellen sie dieses Engagement dem Verhalten gegenüber für bzw. gegen den der §129 wirklich gemacht ist. Prüfen sie, ob die jahrelangen bekannten und absichtsvollen Desinformationskampagnen der fossilen Konzerne zur eigenen Bereicherung nicht viel eher ein kriminelles Handeln darstellen, gegen das sich die Engagierten der Letzten Generation legitim stellen. Prüfen sie, ob der Protest der Letzten Generation gegen all zu passive Politiker*innen und der Weckruf für die Demokratie sich nicht als verhältnismäßig herausstellt.
Nicholas Andrae ich möchte hiermit Stellung zur Anklage von Mirjam Herrmann, Henning Jeschke, Lukas Popp, Jakob Beyer und Edmund Schultz aufgrund des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung beziehen.
Die Letzte Generation ging aus einer kleinen Gruppe von Menschen hervor, die vor der letzten Bundestagswahl mithilfe eines Hungerstreiks auf die Klimakrise aufmerksam machen wollten. In den folgenden Jahren entwickelte sich diese Gruppe zu einer stetig wachsenden Platform für gleichgesinnte Bürgerinnen und Bürger, die Vorträge organisieren, Vernetzungsarbeit leisten und in teilweise wöchentlichen Plenums Lösungsstrategien diskutieren.

Aus meiner Sicht kann nicht die Rede davon sein, dass Rechtsbruch der Hauptzweck oder auch nur ein Zweck dieser Gruppierung sei. Das Ziel der Letzten Generation ist die Einwirkung auf politische Akteure, im Rahmen des demokratischen Diskurses, um ihre politischen Ziele durchzusetzen. Diese sind: sozial gerechter Ausstieg aus allen fossilen Energien und Einführung eines Gesellschaftsrates. Dazu leistet die Letze Generation Bildungsarbeit in kommunalen, regionalen und überregionalen Strukturen. Die Letzte Generation verfolgt vollkommen uneigennützige Ziele.

Die Tätigkeit der Letzten Generation besteht darin, Bürgerinnen und Bürgern eine Platform für klimapolitischen Austausch zu geben und auf den eklatanten Rechtsbruch der Bundesregierung aufmerksam zu machen. Dazu setzen Mitglieder der Letzten Generation eine ganze Bandbreite an Mitteln ein, die sich in jedem Fall durch ihre Friedlichkeit und Gewaltfreiheit auszeichnen. Der erste Kontakt mit der Letzten Generation erfolgt für sehr viele Personen über nieder Schwellige “Küche-für-alle” (Küfa) - Projekte, an denen gemeinsam gekocht, gegessen und diskutiert wird. Beiträge in Massenmedien und auf Social Media, angemeldete Demonstrationen oder Informationsveranstaltungen in Fußgängerzonen, wie zu letzte im Rahmen der Sammlung von Unterschriften für die Wahl zum Europäischen Parlament, gehören sicherlich zu den häufigsten und insgesamt wirkstärksten Maßnahmen.

Im Rahmen dieses Protests entscheiden sich immer wieder einzelne Mitglieder der Letzten Generation, sich mit ihrer Hand auf die Straße zu kleben und dadurch konsekutiv eine Räumung erheblich zu erschweren. Dazu ist zu sagen, dass sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nur ein kleiner Teil der Protestierenden dazu entscheidet, ihrem Protest auf diese Weise Nachdruck zu verleihen. Des weiteren ist das Festkleben auf der Fahrbahn keineswegs Ziel des Protests, sondern lediglich ein Ausdruck der individuellen Verzweiflung der Protestierenden. Im Gegenteil ist es sogar so, dass die Organisation der Letzten Generation regelmäßig versucht, Maßnahmen zu treffen, um ein solches Verhalten aus individueller Sicht der Protestierenden nicht erforderlich zu machen. Meist kommt dieses Mittel durch Einzelpersonen praktisch erst dann zum Einsatz, wenn sich diese durch ein aggressives Eingreifen durch die Polizei in ihrer Demonstrationsfreiheit eingeschränkt sehen. Während die überwältigende Mehrheit der Protestierenden den Anweisungen der Polizei Folge leistet, entscheiden sich dann einige wenige, gewaltfrei zivilen Widerstand zu leisten.

Es ist mir kein einziger Fall bekannt, in dem die Letzte Generation als Organisation mit ihrer Vielzahl an Strukturen im Bereich klimapolitische Aufklärung, öffentliche Bildung und Vernetzung, den oben genannten individuellen Protest einiger ihrer Mitglieder aktiv befördert oder eingefordert hat. Die Letzte Generation hat immer wieder öffentlich betont, dass der Protest einiger ihrer Mitglieder eine individuelle Entscheidung ist, dessen Konsequenzen auch individuell zu tragen sind. Diesen Eindruck muss auch jeder gewinnen, der sich jemals selbst auf Veranstaltungen der Letzten Generation aufgehalten hat. Jedem Protestierenden werden teils sehr drastisch die möglichen Konsequenzen des eigenen Handelns aufgezeigt und während es durchaus das Ziel ist, Bürgerinnen und Bürger zum Protest zu motivieren, so werden die rechtlichen Rahmenbedingungen dennoch sehr deutlich dargelegt und vor allem neuen und jungen Protestierenden aktiv davon abgeraten, diese zu übertreten. Es ist allgemein bekannt, dass das klimapolitisch völlig verfehlte Handeln der Bundesregierung sehr großen öffentlichen Unmut und Unverständnis ausgelöst hat. Derartige Informationsveranstaltung sind daher fast schon als Deradikalisierungsprojekte zu sehen, da, anders als zum Beispiel bei den jüngsten Bauernprotesten, Teilnehmerinnen und Teilnehmer aktiv auf rechtliche Schranken aufmerksam gemacht werden. Andererseits kann die Organisation einer Demonstration schlecht jedem Teilnehmer und jeder Teilnehmerin wirksam verbieten Klebstoffe mit zur Demonstration zu bringen. Werden dann tatsächlich Methoden des zivilen Widerstandes durch einzelne Teilnehmende gewählt und durch Gerichte Strafen verhängt oder zivilrechtliche Ansprüche bestätigt, übernimmt die Letzte Generation in keinem Fall die entsprechenden Zahlungen ihrer Mitglieder. Was die Letzte Generation tatsächlich ermöglicht, ist eine Rechtsberatung in entsprechenden Fällen, was hoffentlich im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten liegen sollte.

Das sich Klimaprotest in den letzten Jahren radikalisiert, steht außer Frage. Es gibt eine Reihe von Organisationen oder Gruppierungen, deren Tätigkeit es tatsächlich ist, Straftaten zu begehen. Die Letzte Generation gehört nicht dazu. Im Gegenteil hat sie sich immer wieder von derartigen Vorhaben abgegrenzt. Wieso jetzt ausschließlich gegen eine der friedlichsten Akteurinnen ermittelt wird, bleibt unklar. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass eben die Gewaltfreiheit und besonders das öffentliche Eintreten einzelner Mitglieder für Ihre persönlichen Taten, diese zu einem leichten Ziel macht. Es bleibt zu fragen, welche Folgen für den Klimaprotest denn mit einer Verurteilung und damit Zerschlagung der Letzten Generation intendiert sein könnten? Besonders bedenklich ist dies, da die Letzte Generation kürzlichen ihren Mitgliedern eben jenes Verhalten, dass zu diesem Prozess führte, untersagt hat. Dies ist insofern als Lernprozess zu verstehen, als dass die Letzte Generation als Organisation sich durchaus der Tatsache bewusst ist, dass ein fortgesetzter Rechtsbruch einzelner Mitglieder auf Dauer die Organisation als solche beschädigen würde. Während ich diese Stellungnahme schreibe, sammeln in ganz Deutschland engagierte Bürgerinnen und Bürger Unterstützungsunterschriften für die Zulassung der Letzten Generation zur Europawahl. Es kann doch nicht ernsthaft behauptet werden, dass die Tätigkeit dieser Mitglieder der Letzten Generation auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist.

Zusammenfassend sehe ich keinen Grund, den Zweck oder die Tätigkeit der Letzten Generation als “auf die Begehung von Straftaten gerichtet” anzusehen.

Abschließend möchte ich mir die Bemerkung erlauben, dass ich es als höchst fatal ansehe, dass eine zivilgesellschaftliche Bewegung, die sich die Gewaltfreiheit und Demokratie auf die Fahnen geschrieben hat, mit einem derartigen Aufwand verfolgt und polizeilichem Druck ausgesetzt wird. Demokratie lebt in Gesetzen und Demokratie lebt durch politischem Protest. Die Regierungen brechen die Gesetze und attackieren den Protest. Bruch internationaler Verträge, Verstoß gegen Grundrechte und jetzt auch noch die Kriminalisierung einer vollkommen friedlichen Protestbewegung? Menschen mit dem “Mafia-Paragraphen” zu verurteilen, weil sie sich im Gruppenrahmen Körperteile auf Teerflächen kleben – ja wo leben wir denn?!
Ronja Künkler Die Klimakatastrophe wird uns alle betreffen! Sie zerstört unsere Lebensgrundlagen. Das heißt sie zerstört das, worauf wir unsere Gesellschaft gebaut haben. Sie bedroht die Demokratie, unsere Freiheit, unseren Frieden.
Die Wissenshaft liefert uns die Warnungen un Fakten und wir reagieren nicht darauf.
Die Bundesregierung bricht ihre eigenen Klimagesetze. Deswegen reichen Demonstrationen und Petitionen offensichtlich nicht mehr aus.
Deswegen ist ziviler Widerstand jetzt wichtig und notwendig.
Genau wie auch in der Vergangenheit Ungerechtigkeiten beseitigt wurden indem Menschen - auch sehr unbequem - protestiert haben (z.B Frauenwahlrecht, Bürgerrechte, etc)
Die Letzte Generation und viele andere aus der Klimabewegung übernehmen diesen unangenehmen Job gerade. Sie zeigen uns auf, dass wir in großer Gefahr sind und dass wir handeln müssen.
Dass diese nun als "kriminelle Vereinigung" verfolgt werden soll, halte ich für sehr gefährlich. Die Kriminalisierung von friedlichem Protest wird auch zurecht von verschiedensten internationalen Organisationen (UN, Amnesty International, etc) kritisiert.
Wir brauchen dringend mehr von diesem friedlichen und störenden Protest. Die übertriebene rechtliche Verfolgung führt aber zu einer Abschreckung und beeinflusst somit Menschen darin ihr Recht auf Protest auszuüben.
Angesichts der größten Bedrohung in der Geschichte der Menschheit - dem drohenden Klimakollaps - bitte ich Sie von der Anklage abzusehen. Es ist die Verantwortung unserer jetztigen Generation auf diesem Planeten, dass wir ihn auch für zukünftige Generationen bewahren.
Und wer das mit friedlichen Mitteln einfordert ist nicht kriminell!