Es sind bereits
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Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
Gertrudis Coers Ich bin fassungslos, wie mit den Menschen umgegangen wird, die sich für den Erhalt unser aller Lebensgrundlagen einsetzen und die Ungerechtigkeit zwischen globalem Norden und Süden, zwischen der heutigen und den künftigen Generationen benennen.
Die Menschen haben völlig uneigennützige Ziele und die Geschichte hat gezeigt, dass friedlicher ziviler Ungehorsam Veränderungen in der Politik vorantreiben kann, die durch die politischen Systeme nicht vorankommen. Leider handelt die Politik lobby-getrieben und setzt sich nicht erstrangig für die Menschen ein, wie sie es eigentlich sollte.
Sie als Staatsanwaltschaft sollten anerkennen, wenn Menschen sich friedlich für ehrbare Ziele einsetzen und sie nicht vor Gericht bringen. Die Gerichte werden das Problem nicht lösen können. Das kann nur die Politik, indem sie ausreichende Maßnahmen ergreift, um die Menschen vor der Klimakatastrophe zu schützen.
Ich bin selber auch verzweifelt, weil die Politik nicht konsequent und radikal alles in ihrer Macht stehende veranlasst, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren sondern immer wieder Kompromisse eingeht. Die Wissenschaft ist sich einig, alle Fakten und Prognosen sind eindeutig. Der Schutz des Klimas muss oberste Priorität haben! Keine Gesellschaft kann überleben, wenn sich durch die Erderhitzung die Lebensbedingungen weltweit drastisch verschlechtern.
Welche Möglichkeiten bleiben uns Bürgern, wenn die Politik ihrer Pflicht nicht nachkommt? Klimaschutz ist nicht von politischen Mehrheiten abhängig. Hier geht es um unsere Grundrechte und die unserer Kinder, zu deren Schutz die Politik verpflichtet ist. Bitte berücksichtigen Sie dies bei Ihrer Entscheidung über eine Anklage.
Günter Ludwig

Protest muss wehtun, wenn er wirken soll.

Wenn der aktuelle Streik der GDL in die inzwischen sechste Runde geht (Stand: 12. März 2024), so ist dieser durch die Tarifautonomie gedeckt.
Für die Bahnkunden bedeutetet es allerdings monatelange massive Behinderungen, die faktisch auf eine Nötigung hinauslaufen, weil sich die meisten den Auswirkungen der Streiks schwerlich entziehen können.

Wenn aufgebrachte Bauern bei ihren Protesten den Bundesminister Robert Habeck am Verlassen einer Fähre hindern oder den Begleitschutz Cem Ödzdemirs gewaltsam attackieren und dessen Fahrzeuge beschädigen, so stellt dies in jedem Fall einen justiziablen Tatbestand dar.

In beiden Fällen können sowohl Streikende wie auch Protestierende sich scheinbar darauf verlassen, dass ihre Aktionen durch gut einspielte und etablierte Interessenvertretungen oder das „gesunde Volksempfinden“ ins „rechte Licht“ gerückt werden und ohne persönliche Beeinträchtigung ablaufen?

Wenn dagegen junge Menschen angesichts der offensichtlich bereits erreichten Kipppunkte der Klimaänderung ihre eigene Zukunft sowie die der Gesellschaft irreversibel gefährdet sehen und durch Aktionen des „zivilen Ungehorsams“ Politik und Rechtsprechung drängen wollen, den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 endlich ernst zu nehmen, so soll dies ein „krimineller Akt“ sein und allein schon die Organisation eines selbstlosen politischen Protestes die „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ nach §129 StGB darstellen?
Im Falle einer Verurteilung könnte das im Einzelfall bedeuten, dass den Beschuldigten sogar ihre soziale und berufliche Zukunft verbaut wird.

Ich denke eher, dass es den jungen Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ an einer breiten vernunftorientierten, gesellschaftlichen Lobby fehlt, die ihre Aktionen als das wahrnehmen was sie sind:

„Ziviler Ungehorsam wird zur heiligen Pflicht, wenn der Staat den Boden des Rechts verlassen hat.“
[… oder wie in diesem Fall nicht entschieden genug betritt]
Henry David Thoreau, 1849

„Die überlegte und gezielte Übertretung von Gesetzen um dringender gesellschaftlicher Ziele willen“
Howard Zinn, 1968

„[…] Erst dann, wenn die Entscheidungsträger und die sie kontrollierende Justiz wie auch die öffentliche Meinung ernst nehmen, dass die Erderwärmung ein irreversibler Kumulationsschaden ist, besteht die Chance auf eine Abkehr von der Verzögerungstaktik der letzten Jahre. […]
Weil es sich um einen menschenrechtlich begründeten und wissenschaftlich fundierten Anspruch auf Maßnahmen zur Erhaltung von Gesundheit, Leben und Eigentum handelt, kann und muss er auch gegen die träge Mehrheit durchgesetzt werden, denn das ist die originäre Aufgabe der Rechtsprechung, insbesondere der Verfassungsgerichtsbarkeit.
Es wird Zeit, die juristischen Instrumente zu schärfen, denn die Freiheit der künftigen Generationen muss durch sofortiges Handeln gesichert werden.“

Thomas Groß, Professor für Öffentliches Recht, Europarecht und Rechtsvergleichung an der Universität Osnabrück
18. März 2023

https://verfassungsblog.de/zwei-jahre-klimabeschluss-des-bundesverfassungsgerichts/
Margarete Müller Die Mitglieder der letzten Generation haben keine Waffen und leisten überwiegend passiven Widerstand gegen eine Regierung ,die wirklich gar nichts gegen die drohende Klimakrise unternimmt.Diese Menschen sind keine Terrororganisation!Für mich ist das Notwehr in einer sehr schwierigen Situation ,in der wir uns bald alle befinden.Die Inhaftierung dieser Menschen ist skandalös.Vor allem wenn man liest ,wie mit nachgewiesen rechtsradikalen Tätern nachsichtig umgegangen wird.Ich bin empört!
Martin Mayr mit dieser Anklage überzieht das deutsche Establishment und die deutsche Justiz völlig! Die Letzte Generation setzt sich für elementare Menschenrechte ein - siehe 17 UN Nachhaltigkeitsziele, siehe Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Sie, die Letzte Generation, setzt sich für kommende Generationen ein, was vielen der im Wohlstand und Neo-Liberalismus groß und bequem gewordenen Babyboomer eher (überwiegend) fremd ist. Den Mächtigen in unserem Land, wie Wirtschaft, Industrie, Finanz, Politik und deren einflussreichen Lobbies, ist alles ein Dorn im Auge, was dem Kapitalfluss aus der Gelddruckmaschine "Deutschland/EU" eine Umsteuerung in eine gerechtere demokratischere Zukunft bescheren würde.

Da passen auch die Landwirte mit ihren unangemessenen Protesten perfekt rein. Sie, die Bauern, haben Narrenfreiheit, möchte man meinen. Alles Zukunftsorientierte abwehren, Transformation konsequent verhindern und, wie Jahrzehnte gewohnt, reichlich Subventionen kassieren. Für Subventionen ist die EU gut genug, ansonsten ein "dummer Bürokratenhaufen" (was in bäuerlichen Kreisen durchaus eine übliche Formulierung ist): Zeitgleiche Verkehrsblockaden zur Stoßzeit in ganzen Regionen (über Wochen und Monate), unsägliche Lärm- und Abgasbelastung durch übergroße angsteinflößende Traktoren mit verkehrsgefährdenden Fahrmanövern, brennende Straßenbarrikaden, Nötigung gegenüber einem Bundesminister, der nach seinem Urlaub von der Fähre gehen möchte, primitive Beleidigungen gegenüber Vertretern/Vertreterinnen des Staates bzw. der aufgeklärten Zivilgesellschaft. Die Bauern dürfen das. Ja, die dürfen das? Sie halten Rechts und Extrem Rechts die Stange bzw. sichern den Erhalt von deren Macht und Einfluss (in allen Bereichen).
Ja, wir wollen und brauchen sie, die Bauern. Aber bitte mit Blick nach vorne!

Kriminelle sind nur die in der Letzte Generation? Personen der politischen Öffentlichkeit in Bayern sind sogar der Überzeugung, dass die da von der Letzten Generation zweifellos Terroristen wären. (Herzliche Grüße in mein Geburtsland Bayern! Geht's no?)

Ich hoffe auf Ihr Augenmaß und Ihre Expertise sowie Ihr Gespür für demokratische Werte, Menschlichkeit, Fairness und Zukunftsorientierung bzw -fähigkeit.