Es sind bereits
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Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
nur für die StA sichtbar Der § 129 StGB wird genutzt, um die AktivistInnen der letzten Generation als kriminelle Vereinigung verfolgen zu können. Damit stehen sie leider in einer langen Tradition: Schon in den 80-ger Jahren wurde dieser Paragraf auf Protestierende gegen die Wiederbewaffnung und die atomare Aufrüstung angewendet. Auch gegen Frauen, die sich für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen einsetzten, wurde wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ ermittelt.
§129 StGB wird eingesetzt, wenn den Herrschenden Proteste missfallen. Werden AktivistInnen als Teil „einer kriminellen Vereinigung“ bezichtigt, hat das weitreichende Konsequenzen: Allein die Zughörigkeit dazu ist strafbar, ohne dass den AktivistInnen verbotene Handlungen nachgewiesen werden müssen. Protestaktionen können als strafbare Taten bezeichnet werden und PolizistInnen können mit gezogenen Waffen nachts vor Betten stehen. Die Mitgliedschaft in einer sogenannten „kriminellen“ Vereinigung zu unterstellen reicht aus, um AktivistInnen mit bis zu drei Jahren Gefängnis zu bestrafen.
Der § 129 StGB dient vor allem zur Einschüchterung und zum Ausforschen von KritikerInnen und – wie inzwischen bekannt ist – auch der Presse. Er wird offensichtlich angewendet, wenn eine Bewegung Aufmerksamkeit und Erfolge erzielt.
Für die Verfolgung von Straftaten benötigt man keinen §129 – es gibt dafür ausreichend gesetzliche Grundlagen.
Eckard Bade der Klimawandel und ein auch davon befeuertes ungebremstes Artensterben bedrohen Frieden, Freiheit und das Überleben der Menschheit - und damit auch alle demokratischen Prinzipien weltweit.


Der aktuelle Stand der Klimaforschung, regelmäßig zusammengefasst in den Sachstandsberichten des Weltklimarats (IPCC), zeigt die katastrophalen Folgen des Klimawandels in Bezug auf die (Über-)Lebensbedingungen auf diesem Planeten auf: Wir stehen jetzt (!) am Rand mehrerer Kipppunkte, unwiderruflicher und dann nicht mehr aufhaltbarer dramatischer Veränderungen im Klimasystem der Erde, die, einmal überschritten, die Lebensgrundlagen der Menschheit in einem Maße verändern, das Ihre und meine Vorstellungen bei weitem übertrifft. Über Rechtsstaatlichkeit, unabhängige Gerichte und Gewaltenteilung müssen wir uns dann nicht mehr unterhalten.

Das ist der größte Notstand für die Menschheit weltweit und aller Zeiten - und müsste damit in Deutschland eigentlich umgehend als „Rechtfertigender Notstand“ gemäß § 34 StGB Anerkennung finden.


Deutschland hat einen sehr großen Anteil am weltweiten Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase. In absoluten Zahlen steht Deutschland weltweit auf Platz sieben, historisch kumuliert (CO2 verbleibt bis zu tausende Jahre in der Atmosphäre!) sogar auf Platz sechs. In relativen Zahlen (Ausstoß pro Kopf) steht Deutschland weltweit auf Platz zehn (China: Platz 12) und handelsbereinigt (der größte Teil der CO2-Emissionen für unseren Konsum entsteht außerhalb Deutschlands) auf Platz 25 (China: Platz 49).

Damit hat Deutschland eine wesentliche Bedeutung im Kampf gegen diesen Notstand.


Während von Seiten der Wissenschaft an all diesen Fakten wirklich ganz und gar kein Zweifel mehr besteht, wirken noch immer die seit den 70er Jahren und bis heute von Seiten der Erdölindustrie jährlich mit millionenschweren Kampagnen geförderten Verunsicherungs- und Diffamierungskampagnen. Die über viele Jahrzehnte einflussreichste Branche der Welt, die fossile Industrie, nutzt noch immer ihre wirtschaftliche Machtposition, um politische und gesellschaftliche Prozesse in ihrem Sinne zu manipulieren und in der Folge auch die Exekutive und die Judikative zu beeinflussen. In der Folge sind die weltweit beschlossenenen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und auch die im Klimaschutzgesetz verankerten Ziele der Bundesrepublik Deutschland ganz und gar nicht ausreichend, um die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen. Die Wissenschaft prognostiziert für den aktuellen politischen Kurs eine Erderwärmung von 3 °C bis zum Jahr 2100 (AR6 des IPCC).

Die Justiz muss, genauso wie die Politik, diesen manipulativen und populistischen Einflüssen entschieden entgegentreten! Sie darf sich nicht instrumentalisieren lassen.


Ziviler Ungehorsam ist im Sinne von einem „Recht auf Widerstand“ im Artikel 20 GG sowie mit dem Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 verfassungsrechtlich verankert. Darüberhinaus zeigen der Artikel 20a GG sowie der Leitsatz 4 des Klimaschutzurteils die besondere Verantwortung gegenüber künftigen Generationen auf. Leitsatz 2 des Klimaschutzurteils verpflichtet den Staat zur Herstellung von Klimaschutz und Klimaneutralität, und zwar mit dem Ziel, die globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen (Leitsatz 2d).

Aktuell liegt die Erderwärmung laut NASA-Daten bei 1,45 °C, überproportional steigend. Der EU-Klimadienst Copernicus, der genauso wie die NASA ständig die Erderwärmung misst, hat über die vergangenen zwölf Monate erstmals sogar eine Erderwärmung von über 1,5 °C festgestellt.

Der Notstand ist bereits da!


Im Angesicht dieser wissenschaftlichen Fakten und rechtlichen Grundlagen ist es für mich nicht nachvollziehbar, Gruppen, die gewaltfreien, öffentlich angekündigten und moralisch begründeten zivilen Ungehorsam, also eine „überlegte und gezielte Übertretung von Gesetzen um dringender gesellschaftlicher Ziele willen“ (Howard Zinn, Disobedience and Democracy, New York 1968, S. 119) begehen, auch nur in die Nähe von kriminellen Vereinigungen zu rücken.

Bitte bleiben Sie in Ihrer Urteilskraft neutral und objektiv. Bitte lassen sie sich nicht von populären oder populistischen Stimmungen und auch nicht von profitorientierten Interessen beeinflussen. Bitte beenden Sie diese mit jedem Jahr fortschreitenden Klimawandels weniger erklärbare Diskussion, indem Sie keine Anklage nach § 129 StGB gegen die „Letzte Generation vor den Kippunkten" erheben. Es hätte eine fatale Signalwirkung, würde in der Folge die demokratischen Grundrechte nach Artikel 20 GG aufweichen und wäre Wasser auf die Mühlen autokratischer und populistischer Interessengruppen in Deutschland und Europa.
Dr. Jutta Bernick Ich finde es als Nicht-Juristin völlig unangemessen und unverhältnismäßig, gegen die Aktivist:innen der Letzten Generation, die sich auf Straßen festgeklebt und damit Verkehrsstaus verursacht haben, wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung" zu ermitteln.
Nach Stellungnahme der Jurist:innen, die ich dazu befragt habe, ist zwar damit der Straftatbestand der Nötigung genau so erfüllt wie bei den Straßenblockaden durch die Landwirte, die ich im Januar diesen Jahres besonders stark erlebt habe.
Mit dem Unterschied, dass diese nicht kriminalisiert, sondern auf höchster politischer Ebene zu Gesprächen eingeladen wurden. Nach dem Grund dafür habe ich verschiedene Spitzenpolitiker gefragt, habe aber nur aus dem Büro des Bundeskanzlers eine Antwort bekommen, die mir leider nichts erklärt hat.
Wie ich zu dem "Klimakleben" stehe, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht so genau. Aber ich habe großes Verständnis für die meist jungen Leute, die meine Kinder und auch schon fast meine Enkel sein könnten. Es ist doch wahrlich "fünf vor zwölf", was unsere Maßnahmen zum weiter rasant verlaufenden Klimawandel angeht; die Menschheit ist im Begriff, sich ihr eigenes Grab zu schaufeln. So dramatisch ist es. Und damit gefährdet sie vor allem unsere Kinder und Enkel (mich wird es nicht mehr so hart treffen, ich bin jetzt 67 Jahre alt) und die Reaktionen der Politik werden von den "Klimaklebern" offenbar als völlig unzureichend erlebt. Ich verstehe, dass es ihnen nicht reicht, alle vier Jahre zur Wahl für den Bundestag zu gehen oder sich in einer der etablierten Parteien zu engagieren, sondern dass sie sich zu drastischeren Maßnahmen genötigt sehen. Aber eine kriminelle Vereinigung?
Also, wenn es denn aus juristischer Sicht unbedingt Handlungsbedarf gibt, ermitteln Sie wegen Nötigung, aber dann bitte auch gegen die Landwirte wegen dieser sehr einschränkenden Straßenblockaden!
Maximilian King Das Recht auf Klimaschutz (siehe BGH) ist gegeben. Eine intakte Umwelt unsere gemeinsame Lebensgrundlage. Wenn der Staat in der Umsetzung des Schutzes versagt (wissenschaftlich fundiert) muss auch das Demonstrationsrecht dagegen gelten. Das einfordern geltenden Rechts soll keine Straftat sein. Der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung ist unverschämt und erinnert an autoritäre Regime die ihre Kritiker unterdrücken, aber nicht an eine rechtsstaatliche Demokratie.