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Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
Rainer Doemen Ich empfinde es als befremdlich, sollte die Judikative die "§ 129 StGB-Karte" pauschal gegen Aktivisti der Letzten Generation ziehen. Ich stellte mir bislang in unserer demokratisch legitimierten Verfassung - m. E. der besten Verfassung weltweit - vor, dass unsere dritte verfassungsrechtlich legitimierte Gewalt, die Judikative, Verlässlichkeit und Sicherheit generieren soll. Als einfacher Bürger habe ich bei der Rechtsprechung stets das Bild der WAAGE vor Augen. Stets sollten Staatsanwälte und Richter die beiden Waagschalen sach- und fachgerecht und emotionsfrei (geht das überhaupt) befüllen und rein Fakten basiert durch einen Prozess mit sich führen.
Ich empfinde es befremdlich, wenn verzweifelte, sehr mutige Aktivisti der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" beschuldigt werden sollten (Waagschale Nr. 1).
In der Waagschale Nr. 2 sammeln sich zwischenzeitlich eine wachsende Anzahl Menschen, die es durch ihre mutigen, verzweifelten Methoden und Maßnahmen, die gewaltfrei gegen Mensch und Leben gerichtet sind, geschafft haben, die fortschreitenden Missachtungen (klima)wissenschaftlicher Erkenntnisse und damit verbundener Handlungszwänge, denen (gewählte) Entscheider*innen nur mit unzureichender Wirkung gegensteuern, ins Bewusstsein unserer Wählerschaft zu bringen. Zeigen die Aktivisti der Letzten Generation mit ihren Aktionen nicht straffrei auf - bei gutem Willen in der Deutung unserer tollen Verfassung noch vereinbar mit dem Maß für "zivilen Ungehorsam" -, dass wir als Gesellschaft wirksame Schritte zur Einhaltung der rechtlich bindenden 1.5°Celsius-Grenze von Paris nicht hinreichend beachten bzw. uns gar nicht erst bewusst machen? Ohne Bewusstseinsmachung durch die öffentlichkeitswirksamen, umstrittenen Aktionen der Aktivisti der Letzten Generation wurden wir Menschen (als Gesellschaft betrachtet) in unserem Alltagsleben nicht wirkungsvoll erreicht. Sind im Lichte unserer Verfassung, der Rechtsprechung insbesondere unseres BVerfG zu den vier Klimaklagen und im Lichte von unzureichend ambitionierten Regierungszielen auf sämtlichen hierarchischen Ebenen zur Bekämpfung des Klimawandels die Aktionen der Aktivisti ernsthaft und rein juristisch ganzheitlich subsumiert betrachtet - überhaupt als strafrechtliche Handlungen (§ 129 StGB) einordenbar?
Ein "Weiter so" ohne die strittigen öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Aktivisti der Letzten Generation hätte nicht zu einer Bewusstseinsmachung geführt. Diese ist zwingend durch öffentlichkeitswirksame Maßnahmen herbeizuführen, weil weder zuvor noch aktuell Entscheider*innen Handlungen vornahmen bzw. aktuell vornehmen, mit denen wir gesamtheitlich betrachtet in D unsere völkerrechtlich verbindlichen Ziele - Einhaltung der 1,5°Celsius Grenze - einhalten. Die "§ 129 StGB-Karte" zu ziehen wird dem hohen Gut unseres nationalen Strafrechts m. E. nicht gerecht. Im Gegenteil: dieses Vorgehen schadet der Achtung und Wertigkeit der dritten Gewalt im Staate aus Sicht des Volkes. Aktivisti handeln wahrscheinlich in vollem Bewusstsein, aber auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse in einer begründeten NOTLAGE. Die Waagschale Nr. 2 wiegt m. E. erheblich schwerer als die Waagschale Nr. 1.
nur für die StA sichtbar Ziviler Ungehorsam, als gewaltfreier Widerstand gegen bestimmte Gesetze, Vorschriften oder Regierungsentscheidungen, beruft sich auf eine lange Tradition, in der das moralische Gewissen des Einzelnen über den Buchstaben des Gesetzes gestellt wird. Diese Aktionsform beinhaltet bewusst begangene Gesetzesübertretungen, die dazu dienen, auf Missstände aufmerksam zu machen und dringend notwendige Debatten in der Gesellschaft anzustoßen.

Der Protest gegen den Klimawandel durch zivilen Ungehorsam fällt in genau diese Kategorie. Meine Generation sieht sich mit einer globalen Krise konfrontiert, die nicht nur ihre Zukunft, sondern die des gesamten Planeten bedroht. Die Protestaktionen der "Letzten Generation" sind Ausdruck eines tief empfundenen Bedürfnisses, die politischen Entscheidungsträger zum Handeln zu bewegen. Diese jungen Aktivistinnen und Aktivisten greifen zu Mitteln des zivilen Ungehorsams nicht aus Mangel an Respekt vor dem Gesetz, sondern aus einer tiefen Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft und zukünftigen Generationen.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte im April 2021 mehrere Klimaklagen für teilweise begründet signalisiert damit, dass die deutsche Politik nicht genug unternimmt, um den Klimawandel zu bekämpfen und seine verheerenden Auswirkungen zu mildern. Dieses Urteil unterstreicht, dass der Staat eine Verantwortung hat, die Lebensgrundlagen auch für zukünftige Generationen zu schützen und bekräftigt indirekt die Bedeutung des zivilgesellschaftlichen Engagements für politische Veränderungen.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann auch als Bestätigung gesehen werden, dass Proteste und ziviler Ungehorsam gegen die deutsche Klimapolitik nicht nur legitim sind, sondern eine notwendige Reaktion auf das unzureichende Handeln der politischen Entscheidungsträger darstellen. Zu erwähnen ist hierbei auch, dass Jahre zuvor schon angemeldete Demonstrationen im Rahmen von "Fridays for Future" stattfanden - leider mit unzureichender Reaktion aus der Politik. Als Folge sind für mich aktivere Protestformen ein essentieller Teil der demokratischen Auseinandersetzung und ein Mittel, durch das Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme erheben können.

In einer funktionierenden Demokratie ist es von zentraler Bedeutung, dass Bürgerinnen und Bürger die Freiheit haben, auf Missstände aufmerksam zu machen und für Veränderungen einzutreten – auch und gerade wenn dies bedeutet, die Komfortzone des gesetzlich geregelten Protests zu verlassen. Ziviler Ungehorsam im Kampf gegen den Klimawandel ist daher kein Ausdruck von Gesetzlosigkeit, sondern vielmehr von demokratischer Verantwortung und dem Engagement für eine lebenswerte Zukunft.

Die "Letzte Generation", die sich für Klimaschutz zum Schutz künftiger Generationen einsetzt, als kriminelle Vereinigung darzustellen ist für mich ein direkter Angriff auf unsere demokratischen Grundwerte.
Ich spreche mich daher ausdrücklich gegen eine Anklage der Beschuldigten nach §129 StGB aus.
Thomas Weimann Es fällt mir aus nichtjuristischer Sicht sehr schwer, den Hilferuf von Menschen, umgesetzt in verschiedenste Aktionen, als relevant für dem Bereich "kriminelle Vereinigung einzuordnen.

Wir stehen als internationale Gemeinschaft vor der größten Herausforderung der Menschheit. Schlimm genug, dass Teile der Gesellschaft dies aus meiner Sicht leugnen. Ebenso wie Teile der Politik hier viel zu zögerlich agieren. Wenn sich dann Menschen engagieren und versuchen, Öffentlichkeit für dieses absolut zentrale Thema zu schaffen, dann sollten wir ihnen dankbar sein anstatt sie zu kriminalisieren. Exempel als Abschreckung zu statuieren wäre aus meiner Sicht hier absolut fehl am Platze.

Ich bitte Sie diese Aspekte in Ihre Bewertung mit einfließen zu lassen.
Susanne Harant Ich finde es unglaublich, dass in unserem Land protestierende Menschen mit zweierlei Maß gemessen werden. Die Landwirte, die auch Straßen blockieren und sogar zu Gewalttaten auffordern werden nicht behelligt, aber Menschen, die sich um den Zustand unseres Planeten sorgen und passive Aktionen durchführen sehr wohl.