Es sind bereits
2162
Stellungnahmen eingegangen.
Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:Name | Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft |
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Anne Angermüller | Konsequenter Klimaschutz ist das wichtigste, was jetzt ansteht. Daher muss die letzte Generation so gut wie möglich unterstützt werden. Sie haben die Zeichen der Zeit erkannt. |
Corina Strößner | Ich möchte mich mit diesen Zeilen zu den laufenden Ermittlungen zur Einstufung der letzten Generation als kriminelle Vereinigung äußern. Ich werde dabei zunächst einige Angaben zu mir, meiner Wahrnehmung und meinem Bezug zur letzten Generation machen, sodann auf das Kernthema der Klimakatastrophe und einer katastrophalen Klimapolitik hinweisen. Abschließend möchte ich auch noch darstellen, warum ich die Ermittlungen als problematisch für unsere demokratisch-freiheitliche Grundordnung erachte. 1) Zu meiner Person und meiner Unterstützung der letzten Generation Ich wurde 1981 in Sachsen geboren und habe als Kind die letzten Jahre der DDR miterlebt. Meine Mutter war bekennende Nichtwählerin und war Teil der Bürgerrechtsbewegung. Sie hat mich dabei schon in recht jungen Jahren mit politischen Themen konfrontiert. Zu der Zeit kam ich auch erstmals mit Umweltpolitik in Berührung (Sauerer Regen, Waldsterben, Ozonloch). Ich nahm als Kind an den zunächst noch kleineren, aber schnell wachsenden Montagsdemonstrationen teil. In den folgenden Jahren erlebte ich den vielleicht zu schnellen Umbruch in ein neues System mit mehr Freiheiten. Dieser war aber auch neuen sozialen Problemen begleitet, insbesondere dem Aufkeimen von Rechtsradikalismus. Damit verbunden erlebte ich eine hohe Gewaltbereitschaft gegen die „Andersartigen“ (Ausländer, Punks, Obdachlose, Behinderte, Schwule und Lesben usw.) meist ausgehend von jugendlichen Menschen, die selbst aus prekären Lebensumständen kamen. In dieser Zeit habe ich mich selbst links sozialisiert, habe mich aber keiner politischen Gruppe oder Partei zugehörig gefühlt. Als junge Frau habe ich mich auf mein Studium der Philosophie konzentriert und dabei meine Liebe für Debatten und wissenschaftliche Methodik entdeckt. Aktuell arbeite ich als (habilitierte) Wissenschaftlerin für Philosophie und Kognitionswissenschaften. Dabei untersuche ich Rationalität, menschliche Fähigkeiten im Bereich des Schlussfolgerns und Argumentierens sowie die Bildung von Kategorien. Ich habe einen elfjährigen Sohn und lebe in einer festen Partnerschaft mit einer Lehrerin. Ich interessiere mich für Politik, habe mich aber in keiner Partei engagiert. Da mir Klimaschutz wichtig ist, habe ich seit Jahren auf Flugreisen verzichtet (beruflich und privat) und nutze kein Auto. Politisch habe ich mich aber, abgesehen von der Beteiligung an Klimastreiks, in den vergangenen Jahren nicht besonders engagiert. Der Erfolg von Politikern mit klimapolitischer Ausrichtung (wie Obama), das Pariser Abkommen und der wachsame Protest von Fridays for Future ließen hoffen, dass wir die Krise sehen und dagegen handeln. Gleichzeitig sah man während der Corona-Pandemie, dass viele Menschen solidarisch sein können und Politik einen großen Gestaltungsspielraum hat. Besonders beeindruckend war dabei gerade auch die Solidarität der jungen Menschen, die gerne bereit waren, Freiheit zu opfern für die Gesundheit anderer Menschen, und das vielleicht auch in der Hoffnung taten, dass man für ihre Zukunft das Gleiche tun würde. Seit dem Ende der pandemischen Phase von Corona und spätestens seit dem Angriff auf die Ukraine spüre ich deutlich, dass die Politik den Klimaschutz aus dem Fokus verliert. Mit Entsetzen habe ich festgestellt, wie einige Kilometer von meiner Heimat entfernt ein LNG-Terminal unter Umgehung rechtlicher Grundlage gebaut wird, nur wenige Kilometer von einem UNESCO-Weltnaturerbe und einem UNESCO-Reservat entfernt, auf Geheiß eines grünen Ministers für Klimaschutz. LNG ist extrem klimaschädlich. Ähnliche Situationen, in denen fossile Infrastruktur gegen Proteste ausgebaut wurde, gab es bereits früher (zum Beispiel im Hambacher Forst oder Lützerath). Ich habe immer weniger den Eindruck, dass die Politik das Problem der fossilen Energien verstanden hat und lösen will. Trotz meiner grundlegend kritischen Einstellung zur Klimapolitik war mein Blick auf letzte Generation lange sehr skeptisch. Mir schienen diese Aktionen recht kontraproduktiv. Ich hatte aber auch Mitgefühl mit den Personen der letzten Generation, wenn sie Opfer der Gewalt von Zivilisten wurden oder Polizisten Schmerzgriffe nutzen, und ich habe verstanden, aus welcher verzweifelten Situation heraus sie diesen Protest wählten. Die Protestform schien mir aber problematisch. Im Sommer letzten Jahres wurde ein Aktivist in meinem Wohnort (Stralsund) von einem Lkw-Fahrer (vermutlich fahrlässig) fast überfahren, nachdem der Fahrer mehrere Blockierer bedroht und von der Straße geschleift hat. Erschreckend viele Bürger und Bürgerinnen schienen diese Reaktion des Fahrers fast zu feiern. Der Aktivist, der beinahe überrollt worden wäre, äußerte in der Presse sein Mitgefühl für den Fahrer. Diese Perspektive ringt mir tiefen Respekt ab. Die Menschen in der letzten Generation sehen andere Personen als Menschen und entmenschlichen sie nicht durch entwertende Labels. In einer politisch polarisierten Welt, wo wir schnell darin sind, andere Personen als politische Feinde zu etikettieren (je nachdem, wo man selbst steht als „Nazi“ oder „Zecke“, „Schwurbler“ oder „Schlafschaf“) scheint mir das ein wertvoller Ansatz zu sein. Es ist auch aus der Gewaltforschung bekannt, dass verbalen und körperlichen Übergriffen eine Entmenschlichung des Opfers vorausgeht. Gerade deswegen fällt es mir schwer, die letzte Generation als eine Gefahr für die Öffentlichkeit wahrzunehmen. Die weitestgehend verständnisvolle Perspektive schien mir umso bemerkenswerter, als die Aktiven der letzten Generation selbst Opfer von Gewalt werden und ihrem Anliegen wenig Verständnis entgegengebracht wurde. Im Sommer 2023 bin ich zu einem Vortrag der letzten Generation gegangen. Dort habe ich mich lange mit den Mitgliedern unterhalten. Es war ein konstruktiver Dialog. Über die Ernsthaftigkeit des Problems Klimawandel waren wir uns einig. Wir tauschten uns über wissenschaftliche Erkenntnisse zu Protestformen aus. Ich wies auf andere politische Formen des Protests hin, unter anderem juristische Klagen, wie sie von der Umwelthilfe geführt werden. Die Aktivisten stimmten mir darin überein, dass auch dieser Weg sinnvoll ist, erklärten aber auch schlüssig, weswegen ihnen Methoden zivilen Ungehorsams als Methode notwendig und Erfolg versprechend schienen. In den folgenden Wochen habe ich weiter über die Gruppe informiert (hauptsächlich aus öffentlich-rechtlichen Medien). Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich ihren Protest für legitim halte, soweit er auf katastrophale politische Versäumnisse hinweist, auch wenn ich noch Zweifel an der Strategie hatte. Seither halte ich Kontakt zu der letzten Generation und habe sie auch sporadisch unterstützt (insbesondere finanziell). Anfang des Jahres fand ein Strategiewechsel statt, in dessen Rahmen auch die Protestform weiter reflektiert und in meinen Augen verbessert wurde. Seither unterstütze ich die letzte Generation vollständig und empfinde mich als ein Teil der Gruppe. Aus persönlicher Sicht möchte ich dabei noch einmal betonen, dass die starke Betonung von Gewaltfreiheit in Wort und Tat und gelebte Menschenwürde dabei für mich ein wesentlicher Grund sind, diese Gruppe zu unterstützen. Entschuldigen Sie diesen etwas längeren persönlicheren Bericht über meinen Hintergrund und meine Wahrnehmung der letzten Generation. Diese persönlichen Einordnungen waren mir wichtig, um besser zu erklären, weshalb Menschen die letzte Generation unterstützen und dass es dabei kaum um kriminelle Absichten geht. Es geht darum, auf eine existenzielle Bedrohung aufmerksam zu machen. 2) Die Klimakrise Um zu beurteilen, ob Klimaaktivisten kriminell handeln, ist es wichtig, auch ihre Perspektive, Absichten und Überzeugungen zu berücksichtigen. Aus Sicht der letzten Generation stellt der Klimawandel eine Bedrohung unserer Lebensgrundlagen dar und überfordert die Möglichkeit menschlicher Zivilisation. Sie sehen durch die derzeitige Politik das Leben von Milliarden von Menschen, besonders im Globalen Süden, unmittelbar bedroht. Aus Sicht der Aktivisten der letzten Generation nehmen wir durch politische Untätigkeit den Tod vieler Menschen wissentlich in Kauf und unterstützen dies sogar in Form von Subventionen und Steuervergünstigungen für fossile Energien. Gleichzeitig setzten wir auch unsere eigenen Regionen massiven Risiken durch Trockenheit und Wetterextreme aus. Das Leiden dieser Opfer der Klimaveränderung mag zeitlich oder räumlich vermeintlich weit weg sein, aber das kann es kaum entschuldigen, soweit man sich über die Folgen unseres Handelns bewusst ist. Der Klimawandel wird innerhalb der nächsten Jahrzehnte zu einer existenziellen Krise für die Menschheit. Ich glaube, jede und jeder, der sich für einen Moment auf diese Perspektive einlässt, wird zustimmen, dass auch verzweifelt wirkende Protestformen nicht nur legitim, sondern geradezu geboten sind. Zumindest aus dieser Perspektive ist es klar, dass wir in einem Notstand sind und dringend handeln müssen. Aus dieser Wahrnehmung heraus nutzen die Klimakleber alle Protestformen des zivilen Widerstands. Die Frage ist nun: Was ist von dieser Perspektive zu halten? Wer die Forschung aus der Klimawissenschaft ernst nimmt, kann kaum einen Fehler in dieser zugegebenermaßen apokalyptischen Sicht sehen. Innerhalb der Klimawissenschaft herrscht weitestgehend Einigkeit darüber, dass es zu einer globalen Erwärmung kommt. Diese Erwärmung ist uneingeschränkt auf die Nutzung fossiler Energien zurückzuführen. Unbestritten ist auch, dass viele Veränderungen im Erdsystem irreversibel sind und die Erderwärmung weiter beschleunigen können. Eine solche schnelle Veränderung in unseren Lebensgrundlagen haben wir in der Geschichte des modernen Menschen bisher nicht erlebt. Viele Gebiete werden durch Überschwemmung oder zu großer Hitze grundsätzlich unbewohnbar für Menschen. Zum anderen bedroht die Krise die Zivilisation, insofern selbst vorhandene Ressourcen umverteilt werden müssen. In seinem bekannten Werk „Kollaps“ arbeitet die Geobiologe Jared Diamond heraus, wodurch Zivilisationen in der Vergangenheit untergegangen sind. Eine herausragende Rolle spielen ökologische Faktoren (Wasser, Wald, Böden, Klima). Es ist nicht sicher, dass unsere globale Zivilisation überhaupt mit den Veränderungen umgehen kann. Auch wenn wir einbeziehen, dass Gebiete des Globus bewohnbar bleiben und sich neue Gebiete erschließen, ist es schwer zu sehen, wie es uns gelingen kann, die Ressourcen fair zu verteilen. Bereits verhältnismäßig kleinere Engpässe und wirtschaftliche Krisen haben zu weitreichenden Konflikten geführt. So hat die Wirtschaftskrise der 30er den Faschismus und Zweiten Weltkrieg begünstigt. Um ein banaleres und aktuelleres Beispiel zu nennen: Allein der bloße Verdacht, es könnte eine Verknappung von Klopapier drohen, hat vor wenigen Jahren zu Panikkäufen und Tumulten an Ladenkassen geführt. Dass diese Menschheit mit Ruhe und Bedacht reagiert, wenn Wasser und fruchtbare Böden immer knapper werden, scheint mir recht illusorisch. Es wird zwangsläufig zu großen Fluchtbewegungen kommen. In den vergangenen Jahren sehen wir, wie schnell vergleichsweise geringe Migration schon zu politischen Verwerfungen führt. Der Klimawandel wird zwangsläufig zu deutlich mehr Flucht führen und selbst vermeintlich entwickelte Länder sehen sich schon jetzt in ihren Integrationsmöglichkeiten überfordert. Einige Personen haben darauf hingewiesen, dass Klimaschutz zwar ein legitimes politisches Anliegen sei, aber man ungehorsam Aktionen nicht dulden könne, weil man dann auch radikale Protestformen von rechts dulden müsse (etwa Blockade von Flüchtlingsunterkünften). Es scheint mir hier wichtig darauf hinzuweisen, dass Klimaschutz nicht nur ein linkes politisches Anliegen ist, sondern eine Lebensgrundlage. Unabhängig davon, ob ein Mensch als Linker vorwiegend soziale Sicherheit und Gleichheit anstrebt, als Liberaler die Freiheit als Gut betont oder als konservativer Patriot seine Heimat liebt, Klimaschutz ist Grundlage für alle diese Werte und die Klimakatastrophe bedroht alle. Selbst eine AfD-Anhängerin sollte, soweit sie den wissenschaftlichen Konsens akzeptiert, zumindest so weit für eine Begrenzung der Erderwärmung sein, als diese unweigerlich zu neuer Flucht führt. Der Gesetzgeber hat verstanden und anerkannt, dass der Erhalt von Lebensgrundlagen für junge und zukünftige Generationen ein Grundrecht ist, das mit Artikel 20a geregelt ist. Es wurde mit dem viel beachteten Klimabeschluss vom 24. März 2021 höchstrichterlich vom Verfassungsgericht festgestellt, dass das alte Klimaschutzgesetz nicht verfassungskonform ist. In der allgemeinen Tagespolitik (und auch in vielen juristischen Einzelentscheidungen) scheint aber oft noch der Eindruck zu herrschen, dass Klimapolitik eines von vielen Themen ist und in einer krisenhaften Welt und unter Sparzwängen kürzertreten muss. Selbst dort, wo Gerichte eindeutige Rechtsverletzungen aburteilen, reagiert die Politik mit Aufschiebestrategien. So hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Hr. Wissing (Verkehr) und Fr. Geywitz (Bau) dazu verurteilt, ein Klimaschutzprogramm zu verabschieden. Statt diesem Urteil nachzukommen, legten sie Revision ein und nutzen die Zeit, das entsprechende Klimaschutzgesetz abzuschwächen. In meinen Augen erscheint es zumindest ein fragwürdiges Verständnis von Rechtsstaatlichkeit, wenn die Regierung Gesetze, zu deren Einhaltung sie verurteilt wurden, einfach wieder abschafft. Bei solchen Vorkommnissen scheint es mir nahezu zynisch, den Menschen in der letzten Generation zu raten, ihre Rechte auf Erhalt von Lebensressourcen ausschließlich auf juristischem Weg einzufordern. Zweifelsohne nerven die Aktionen der letzten Generation. Sie tun dies ebenso wie die Proteste der Landwirtschaft. Sie tun es aber nicht für kleinere oder größere finanzielle Unterstützungen oder eine bessere gesellschaftliche Anerkennung, sondern für den Erhalt des Planeten und zumindest in subjektiver Wahrnehmung eines Notstands. In dieser Wahrnehmung werden sie aus der Wissenschaft bestätigt. Der wohl renommierteste Klimaforscher Deutschlands, John Schellnhuber, bemerkte, „dass wir unsere Kinder in einen globalen Schulbus hineinschieben, der mit 98 % Wahrscheinlichkeit tödlich verunglückt“. Als Mutter eines Schulkindes würde ich mich jederzeit gerne vor diesen metaphorischen Bus setzen, um ihn aufzuhalten. Nun ist das nicht möglich und die Blockaden trafen leider die Menschen in ihrem Alltag (Väter, Handwerkerinnen usw.). Man mag diese Proteste ablehnen oder strafrechtlich ahnen wollen. Es ist aber offensichtlich, dass kriminelle Handlungen nicht das Ziel der Aktion sind. Das vorrangige Ziel ist, auf die Notsituation hinzuweisen, nicht das Begehen von Straftaten. Zur Bekanntheit der Gruppe haben auch spektakuläre Aktionen beigetragen. Im Kern hält die Gruppe allerdings auch öffentliche Vorträge, spricht mit Medien, vernetzt sich mit anderen Gruppen, bietet Informationen zur Gewaltfreiheit, bemüht sich um Kommunikation mit der Lokalpolitik und nimmt bald auch als politische Gruppierung an Wahlen teil. Unabhängig davon, ob einzelne Aktionen von Menschen aus der letzten Generation überhaupt strafbar sind oder durch den Klimanotstand gerechtfertigt sind, ist es offensichtlich falsch, dass die Gruppe sich zur Begehung von Straftaten gebildet hat. Eine Verfolgung als kriminelle Vereinigung würde auch all jene Menschen betreffen, die nicht verdächtigt werden, an strafbaren Handlungen teilgenommen zu haben. 3) Demokratie Im letzten Teil meiner Stellungnahme möchte ich darauf eingehen, warum ich den Vorwurf, dass die letzte Generation eine kriminelle Vereinigung darstellt, für gefährlich halte und ich es für unerlässlich halte, alle entsprechenden Verfahren sofort zu stoppen. Bereits am ersten Tag der Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft mit Beschlagnahmung der Seite darauf hingewiesen, dass jede Unterstützung der letzten Generation strafbar sei, da es sich um eine kriminelle Vereinigung handle. Dass dies eine unrechtmäßige Vorverurteilung ohne vorherigen Prozess war, ist unter Juristen unbestritten. Es entstand der Eindruck, dass Vertreter des Staats sich unbedingt wehrhaft zeigen wollten und es dabei selbst mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht sehr genau nahmen. Weiterhin sorgt eine solche „Warnung an alle Unterstützer“ für Unbehagen. Macht sich ein Verein nun strafbar, wenn er Vorträge ermöglicht? Sind Spenden schon eine Straftat, wie dort von dem Staatsanwalt behauptet wurde? Hier ging es nicht darum, konkrete Taten zu verfolgen, sondern die gesamte Arbeit der Gruppe zu unterbinden, wodurch schon eine Webseite, die keinerlei strafrechtlich relevanten Inhalte hatte, als Tatwerkzeug interpretiert wurde. Ich glaube, dass die bisherigen Ermittlungen bereits Schaden an der Demokratie hinterlassen haben, indem der Eindruck entstehen konnte, dass nicht konkrete Straftaten, sondern der gesamte Diskurs mit den Menschen der letzten Generation unterbunden werden sollte. Der UN-Sonderberichterstatter Michel Forst hat vor wenigen Tagen kritisiert, dass juristische Aktionen gegen Aktivisten oft zu weit gehen. Dabei bezog er sich auch auf das Vorgehen in Bayern, Menschen vor Versammlungen präventiv in Gewahrsam zu nehmen, auch wenn es teilweise um nicht mehr als das Verhindern von Ordnungswidrigkeiten geht und dabei Grundrechte eingeschränkt werden. Auch dies scheint, genau wie die Verfolgung als kriminelle Vereinigung, kaum verhältnismäßig. Einige Teile der Bevölkerung und Medien vergleichen die letzte Generation mit der RAF oder sehen zumindest das Risiko, dass sich aus ihr militante Protestformen entwickeln könnten. Daher müsse der Staat präventiv eingreifen, bevor schwere Straftaten begangen werden, also zur Verhinderung von Radikalisierung. Diese Sichtweise ist in vielen Punkten unzutreffend: Erstens hat sich die letzte Generation ganz wesentlich der Gewaltfreiheit verschrieben und das sowohl moralisch als auch strategisch. Es wird fest davon ausgegangen, dass ein gewaltvolles Auftreten ineffektiver wäre als die gewählten störenden, aber friedlichen Protestformen. Entsprechend wird ein hohes Maß an Gewaltfreiheit gelebt, was auch bei allen Aufnahmen der Aktionen offensichtlich ist. Dies betrifft auch den Umgang mit der Polizei, der grundlegend verständnisvoll und nie entmenschlichend ist. Das ist das ganze Gegenteil der RAF („Der Bulle ist kein Mensch“). Ich bin fest davon überzeugt, dass die letzte Generation durch die Bildungsarbeit im Bereich des gewaltfreien Protests mit höherer Wahrscheinlichkeit Menschen von gewaltvollen Protestideen abbringt, als diese zu begünstigen. Weiterhin scheint es mir eine skurrile Annahme, dass durch einen möglichst harten Umgang mit zivilem Protest verhindert werden könne, dass sich gehaltvollere Protestformen bilden. Aus der Geschichte der RAF könnte man eher den gegenteiligen Schluss ziehen. Die weitestgehend friedlichen Formen des Protests in den späten 60er-Jahren trafen auf teilweise unangemessene Gewalt und Verurteilung seitens Staat und Medien und ihre legitimen Anliegen fanden wenig Gehör (Verbrechen der USA im Vietnamkrieg, fehlende Aufarbeitung der Nazizeit usw.). Begünstigt (wohlgemerkt nicht gerechtfertigt) wird Terrorismus und Extremismus durch fehlende demokratische Einbindung, Ohnmachtserleben und Verfolgung von politischen Gruppierungen. Eine pauschale Kriminalisierung der letzten Generation scheint mir daher gerade in dieser Hinsicht vollkommen kontraproduktiv. Ich halte es für ausgeschlossen, dass die letzte Generation diesbezüglich von ihren Werten abwendet. Gleichwohl kann ihre Kriminalisierung für zukünftige Bewegungen gerade dahin gehend interpretiert werden, dass gewaltfreier Protest nicht mehr als das geeignete Mittel erachtet wird. Besonders augenscheinlich für mich ist der unterschiedliche Umgang mit den Protesten aus der Agrarindustrie. Es ist offensichtlich, dass die Proteste von Personen aus Landwirtschaft oft weniger friedlich als die der letzten Generation abliefen. Soweit ich das aus den Medien verfolgen konnte, werden dabei mutmaßlich begangene Straftaten verfolgt, aber es wurden nie ganze Personengruppen samt Unterstützernetzwerken unter Verdacht gestellt. Viel mehr hat man sich, wie ich finde, zurecht mit den Forderungen auseinandergesetzt. Zu einem großen Teil wurden sie sogar erfüllt. Es ist für mich nicht einzusehen, weswegen der Protest der letzten Generation, der auf die Erhaltung von Lebensgrundlagen zielt und in Symbolik, Sprache und Taten friedlicher ist, verfolgt werden muss, während sich die Politik nicht ernsthaft mit den Forderungen auseinandersetzt. Die aktuell stattfindenden Ermittlungen, gemeinsam mit von einigen Medien betriebenen Skandalisierung, schadet dem demokratischen Diskurs in diesem Land. Dabei sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die letzte Generation nicht an der Legitimität der Staatsorgane oder der demokratisch-freiheitlichen Grundordnung zweifelt. Auch der Verfassungsschutz, der eigentlich nicht im Verdacht steht, auf dem linken Auge blind zu sein, hat keinen Extremismus festgestellt. Darin unterscheidet sich die letzte Generation deutlich von einer derzeit erstarkenden Partei mit blauem Logo. Dabei möchte ich darauf hinweisen, dass ich damit nicht sagen will, dass die AfD verboten und ihre Anhängerschaft kriminalisiert werden sollte. Ganz im Gegenteil denke ich, dass, auch wenn eine Partei verboten wird, es wichtig ist, ihre Anhängerschaft nicht aus demokratischen Prozessen auszuschließen. Eine Forderung der letzten Generation ist der Gesellschaftsrat, in welchem Menschen aus der gesamten Bevölkerung repräsentativ eingebunden werden. Diese können, weitestgehend unbeeinflusst von Lobbyisten und parteipolitischen Erwägungen, gemeinsam Lösungen auf dem Weg zur Klimaneutralität erarbeiten. Diese Lösungen sollen im Parlament eingebracht werden. Damit würden neue Formen basisdemokratischer Partizipation geschaffen. Am 16. März habe ich selbst aktiv an einer Versammlung der letzten Generation in Sassnitz teilgenommen. Ich habe sehr dankbar zur Kenntnis genommen, dass die Polizei unser Versammlungsrecht geachtet hat. Am selben Tag wurde in Russland gewählt. Das geschah unter politischem Ausschluss der Opposition, die in Gefängnissen sitzt oder im Exil lebt. Ich empfand große Dankbarkeit dafür, dass ich in einem demokratischen Land lebe, in dem wir es leichter haben zu protestieren. Ich möchte, dass das so bleibt. Die Ermittlung gegen die letzte Generation als Vereinigung hat dem politischen Diskurs bereits Schaden zugefügt. Ob beabsichtigt oder nicht, solange die letzte Generation unter dem Verdacht steht, eine kriminelle Vereinigung zu sein, betrifft das auch ihre Rolle im demokratischen Diskurs. Menschen in politischen Machtpositionen haben es dadurch leichter, sinnvolle Forderungen zu ignorieren (es sind nur Kriminelle). Umgekehrt ist es kaum mehr möglich, für diese Menschen, Forderungen der letzten Generation zu übernehmen, da man dann ja scheinbar gemeinsame Sachen mit Kriminellen macht. Daher sollte die Ermittlung diesbezüglich zügig zu einem Ende gebracht werden, meines Erachtens nach mit einer Einstellung des Verfahrens. Vielen Dank. |
Prof. Dr. Stefan Bauberger SJ | Ich beschäftige mich seit mehr als 30 Jahren mit den Problemen der Klimakrise und engagiere mich zu diesen Fragen. In meinem Physikstudium habe ich davon erfahren. Die wesentlichen Fakten waren schon damals bekannt. Inzwischen ist die Dringlichkeit dieses Menschheitsproblem noch viel deutlicher sichtbar geworden und seit einigen Jahren in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Zu dieser öffentlichen Wahrnehmung haben glücklicherweise Gruppierungen wie die Letzte Generation einen sehr wertvollen Beitrag geleistet. Dieser Beitrag ist wertvoll, weil die Klimaveränderung sehr viele Menschen um ihre Heimat und sehr wahrscheinlich auch viele um ihr Leben bringen wird. Auch hier sind die wissenschaftlichen Prognosen inzwischen sehr fundiert. Selbst wenn sehr rasch weltweit radikale Maßnahmen gegen die Klimakrise ergriffen werden, werden die zu erwartenden Migrationsströme in diesem Jahrhundert alles in den Schatten stellen, was bisher an Migration erfolgt ist. Wenn die Maßnahmen langsamer ergriffen werden, dann droht eine unvorstellbare weltweite Katastrophe, wenn einige Milliarden Menschen nicht mehr dort leben können, wo sie jetzt leben. Dabei trifft es die ärmeren Länder im Süden viel stärker als die reicheren Länder. Jede Maßnahme zur Dekarbonisierung wird deshalb Menschenleben retten, und sie wird umso mehr Menschenleben retten, je schneller sie erfolgt. Deshalb solidarisiere ich mich mit den Aktivist*innen der Letzten Generation. Ihre Maßnahmen sind völlig angemessen im Verhältnis zu den zu erwartenden katastrophalen Folgen der zögerlichen Politik im Bereich der Klimapolitik. Alle Aktionen der Letzten Generation sind als ziviler Ungehorsam gestaltet worden. Sie sind nicht kriminell, geschweige denn ist diese Gruppierung eine kriminelle Vereinigung. Dieser Vorwurf ist ganz offensichtlich konstruiert, um unbequeme Kritiker mundtot zu machen. |
Marcus | ich wende mich gegen den Vorgang, dass Mirjam Herrmann, Henning Jeschke, Lukas Popp, Edmund Schulz und Jakob Beyer vorgeworfen wird, eine kriminelle Vereinigung gegründet zu haben. Als Demokrat, als Vater von drei Kindern (21, 25, 30), als freier Unternehmer und als Mensch sage ich: "Die Initiativen der 'Letzten Generation' sind gerechtfertigt und die Motivation der Menschen ist lauter". Bitte sehen sie davon ab, diese Menschen zu kriminalisieren. |