Es sind bereits
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Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
D. Kufahl hiermit nehme ich zur Frage, ob die "Letzte Generation" und weitere aktivistische Gruppen gegen die Umweltplünderung und -zerstörung kriminelle Vereinigungen bilden, Stellung.

Unser freiheitlich demokratisches System basiert auf der Gewaltenteilung der Legislative, Exekutive und Judikative. Für die, für die benannten Organe handelnden Personen besteht ganz allgemein die Pflicht zu gesetzmäßigem Verhalten, d. h., sie haben die ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse im Einklang mit dem objektiven Recht wahrzunehmen. Dazu müssen Sie sich die notwendigen Kenntnisse über die Gesetzeslage verschaffen. Sie dürfen ihre Befugnisse nur streng am Gesetz orientiert ausüben. Anders gewendet verweist der BGH im Zusammenhang der hier vorgeworfenen Straftatbestände auf die Verpflichtung staatlicher Stellen zum wirksamen Einschreiten, vergl. BGH, Urt. v. 4.12.1996 – 2 StR 347/96. Abgesehen davon, dass in der Lebenswirklichkeit die Möglichkeiten für effektive Hilfe oft begrenzt sind, sind die staatlichen Stellen trotz positiven Wissens der Umweltplünderung und -zerstörung nicht, erst recht nicht wirksam eingeschritten. Um dieses Versäumnis zu kaschieren, sind Sie, sehr geehrte Damen und Herren von Ihrer Behördenleitung oder dem Justizministerium angewiesen worden, gegen Mirjam Herrmann, Henning Jeschke, Lukas Popp, Edmund Schulz und Jakob Beyer strafrechtlich zu ermitteln. Dies ist indes die Ihnen zugewiesene Aufgabe, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Bei Ihren Ermittlungen haben Sie die über dem Gesetz stehen Grundrechte und Menschenrechte zu beachten. Der Grundgesetzgeber hat die doppelte Bindung an Gesetz und Recht aufgestellt, Art. 20 Abs. 3 GG. Die Gesetzgebundenheit ist keine bloße Formalität, sondern Grundlage für die Gewähr von Freiheiten. In einem freiheitlichen Staatswesen stellt "die geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit" dar, vergl. Rudolf von Ihering, Jurist, 1818–1892. So gesehen haben die Beschuldigten lediglich ihre Zwillingsschwester vor rechtswidrigen Angriffen geschützt.
Wesentlicher für eine Strafbarkeit gem. § 129 StBG ist indes die Legaldefinition der kriminellen Vereinigung. Zwar können auch Tätergruppierungen aus dem Bereich der organisierten Kriminalität ebenso wie sonstige Zusammenschlüsse aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität darunter zu subsumieren sein, dieses indes nur, wenn neben den sonstigen Voraussetzungen, der Zusammenschluss der Gruppierung ein übergeordnetes gemeinsames Interesse verfolgt. Das gemeinsame Interesse muss insbesondere über die bezweckte Begehung der konkreten Straftatenund ein Handeln um eines persönlichen materiellen Vorteils willen hinausgehen, vergl. BGH, Urteil vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21. Danach bestätigt sich aus der Gesetzesbegründung ergebenden Erwägungen bei Neufassung des § 129 StGB, dass neben der Organisationsstruktur gerade das Tatbestandsmerkmal der Verfolgung eines übergeordneten Interesses zur Unterscheidung zwischen Bande und Vereinigung dienen soll, vergl. BT-Drucks. 18/11275 S. 11; vergl. zuvor bereits BGH, Urteil vom 03.12.2009, Az. 3 StR 277/09. Zweifelsfrei dürfte das Tatbestandsmerkmal "Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses" nicht vorliegen, vielmehr könnten sich die Beschuldigten lediglich zur Durchsetzung ihrer gleichgerichteten Individualinteressen zusammengeschlossen haben. Selbst wenn die Auffassung des BGH Sie nicht überzeugen sollte, sollten Sie den übergesetzlichen Notstand nicht ungeprüft lassen, denn auch § 35 StGB ist objektives Recht und beschreibt die Ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse. Soweit meine Stellungnahme. Zu guter Letzt noch eine menschliche Anmerkung: Wir wissen aus der Vergangenheit, wie wichtig und demokratiefördernd ziviler Ungehorsam ist. Ziviler Ungehorsam ist unbequem und kann auch ärgerlich sein, aber er ist nicht kriminell. Ziviler Ungehorsam ist ein legitimes Mittel, seinen berechtigten Interessen Gehör zu verschaffen, zumal den wissenschaftlichen Aussagen nicht die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt wird. In diesem Sinne sollte Justizia urteilen.
Miriam Hechler Ich finde es unverhältnismäßig, hier mit der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu argumentieren, zumal die Bewegung das Straßen-Kleben nun aufgegeben hat. Zweck der Aktionen ist ja, aufmerksam zu machen auf ein drängendes Problem, das uns alle betrifft - und nicht, Menschen damit zu schaden. Als Bürgerin dieses Landes ist es mir wichtig, gewaltfreien Widerstand und zivilen Ungehorsam nicht zu kriminalisieren , damit Mittel der Demokratie nicht eingeschränkt werden.
Aber ich vertraue auch unserem Rechtsstaat, dass Sie nach bestem Wissen und Gewissen darüber diskutieren und es einordnen werden.
Kai Eichler hiermit möchte ich wie folgt Stellung beziehen.

Die Letzte Generation ist keine kriminelle Vereinigung, sondern eine Klimaschutzgruppe, die inzwischen zum Beispiel auch für das Europaparlament kandidiert.

Klimaschützen ist kein Verbrechen und deshalb bin ich entsetzt, dass einige Mitglieder behandelt werden als wären sie Mitglieder der Mafia! 

Ihre Mittel, auf die Dringlichkeit von raschen und wirkungsvollen politischen Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe hinzuweisen, sind gewaltfrei.

Das Ziel der Letzten Generation: Sie wollen die menschliche Zivilisation retten vor der Klimakatastrophe, in die die Menschheit immer weiter hineinläuft. Wenn die Treibhausgasemissionen, z. B. durch den Verkehr und Energiesektor, durch die Landwirtschaft, durch die Industrie und im Gebäudesektor, nicht schnell und drastisch reduziert werden, sind die Aussichten für die menschliche Zivilisation wie wir sie kennen dramatisch: Sie wird zu Grunde gehen und das Leiden durch die rapide Erderhitzung wird immer mehr und immer katastrophaler werden.

Ich teile mit der Letzten Generation das Ziel: Ich will ebenfalls unsere Lebensgrundlagen bewahren und konsequent und schnellstmöglich das fossile Zeitalter beenden und umsteuern, hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Ich will, dass nicht nur meine Generation, sondern auch unsere Kinder und Kindeskinder ein gutes Leben führen können. 

Straßenblockaden erzeugen kein Klima der Angst, wie es bei kriminellen Banden der Fall wäre. Bilderrahmen mit Brei oder Farbe zu beschmutzen sind keine erheblichen Straftaten. Ich finde es völlig abwegig, aus solchen symbolischen Störaktionen eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu konstruieren. Das höchste deutsche Gericht in Strafsachen, der Bundesgerichtshof BGH, gibt eine Erheblichkeitsschwelle für Ermittlungen wegen einer kriminellen Vereinigung vor. Diese Grundsätze der Rechtsprechung dürfen Sie nicht missachten und unerhebliche Störaktionen mit organisierter Kriminalität gleichsetzen.

Mein Eindruck: Die Strafverfahren wegen Bildung einer angeblich kriminellen Vereinigung sind politisch motiviert. Schließlich stören auch andere immer wieder den Verkehr und werden nicht mit solchen Verfahren überzogen, z. B. führten die Traktorproteste aus der Landwirtschaft nicht zu Verfahren gegen Bauernvereinigungen.

Ich habe den Eindruck, dass die Ermittlungen geführt werden, obwohl eigentlich klar ist, dass eine Verurteilung extrem unwahrscheinlich ist, weil das drastische Ermittlungen wie z. B. Abhören und Hausdurchsuchungen möglich macht. Das wirkt auf mich wie eine Maßnahme, um Aktive von ihrem Einsatz für den Schutz unserer Lebensgrundlagen abzuhalten und andere von entsprechendem Engagement abzuschrecken.

Das ist auf keinen Fall organisierte Kriminalität, wie wir sie von gewalttätigen Banden kennen.

Sogar UN-Sonderberichterstatter Michel Forst warnt eindringlich vor einer Kriminalisierung von klimaaktivistisch engagierten Menschen, die er als "environmental defenders"  bezeichnet. Er schließt dabei ausdrücklich Menschen ein, die zivilen Ungehorsam als Methode wählen.

Stellen Sie das Verfahren ein!
nur für die StA sichtbar Ich finde es äußerst bedenklich, dass ein Paragraph, der - im Sinne des Gesetzgebers - gegen mafiöse kriminelle Machenschaften formuliert wurde, nun gegen Personen zum Einsatz kommen soll, die sich zusammentun, um gemeinsam etwas gegen die Klimakrise zu tun. Die darauf aufmerksam machen, dass ihrer Überzeugung nach (die im Einklang mit wissenschaftlichen Einschätzungen steht) die Regierungen nicht genug dazu tun, ihren verfassungsgemäßen Auftrag zu erfüllen, auch nachfolgende Generationen zu schützen.
Das ist unbequem und die Methoden sind nervig, keine Frage - aber diesen Aktionen des zivilen Ungehorsams nun mit dem scharfen Schwert des Strafgesetzbuches zu begegnen halte ich für absolut unverhältnismäßig. Und noch weiter: Ich fürchte, es unterminiert unsere Bemühungen, eine kritische, aufgeklärte Bürgerschaft zu erhalten, die wir als Korrektiv drohender demokratiefeindlicher Staatsumbaupläne dringend benötigen.
Ich plädiere daher dafür, die Möglichkeiten milderer Anklageansätze auszuschöpfen.