Es sind bereits
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Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
Bodo Schubert Mein Name ist Bodo S. Ich bin 70 Jahre alt und engagiere mich ehrenamtlich bei verschiedenen NGOs bzw. Verbänden hier in Berlin, unter anderen bei Greenpeace, und setze mich schwerpunktmäßig für eine nachhaltige, ökologische Verkehrswende ein. Natürlich stehe ich für die Demokratie ein, für soziale Gerechtigkeit, kämpfe gegen den drohenden Klimakollaps und gegen die ihn befeuernden fossilen Mächte.

Wir leben in einer Zeit multipler Krisen. Kriege, Pandemien, der Aufstieg rechtsradikaler Bewegungen und weltweiter Migration infolge politischer, ökonomischer und ökologischer Vertreibung. Und eine dieser Krisen ist in den Köpfen der meisten Menschen noch gar nicht richtig angekommen. Das ist der Klimawandel, und der ist mehr als eine Krise, denn hier handelt es sich nicht um ein vorübergehendes Ereignis. Deswegen kann ich nicht einfach zusehen, wie eine fossile Industrie wissentlich den Tod vieler Menschen in Kauf nimmt und sich an den Lebensgrundlagen jetziger und zukünftiger Generationen vergreift.
Aber es ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, wenn ich mich dagegen auflehne. Es ist auch meine staatsbürgerliche Pflicht, Entwicklungen wie dem von Menschen gemachten Klimawandel entgegenzutreten, weil dieser – und das belegt unstreitig die Klimawissenschaft – uns sehenden Auges in die Katastrophe führt. Der 3°-Pfad, auf dem wir uns tatsächlich gerade befinden, kann vielleicht schon im nächsten Jahrhundert das Ende der menschlichen Zivilisation, so wie wir sie kennen, bedeuten.
Mir ist nicht egal, dass bereits bestehende Extremwetterereignisse heute schon viele Menschenleben kosten und Familien tödlich auseinanderreißen, mir ist nicht egal, wie es um die Lebensgrundlagen kommender Generationen bestellt sein wird, mir müsste dann ja auch egal sein, wie es meinen eigenen Kindern in Zukunft gehen wird. Und deswegen ist es wichtig, das Ganze im Blick zu behalten, dass mein Engagement für eine klimapositive und lebenswerte Welt bedeutet, dass ich gegen alle Kräfte aufstehen muss, die die Folgen ihres Handelns nicht bedenken.
Aber eins ist klar: Ich kann das nicht alleine tun. Alleine werde ich nichts bewirken. Und wenn in einer Demokratie wie der, in der wir leben, zivilgesellschaftliches Engagement nicht nur möglich, sondern auch gewollt ist, dann muss es auch möglich und gewollt sein, dass es Versammlungen und Vereinigungen gibt, die ihre Forderungen mit Nachdruck artikulieren. Allein und individuell wird es keinen wirksamen Widerstand geben! Das Recht auf Gründung einer Vereinigung und die Versammlungsfreiheit sind grundgesetzlich geschützt. Und gerade weil die Notwendigkeit des Handelns gegen den Klimawandel noch nicht bei der großen Mehrheit angekommen ist, braucht es den Schutz der Minderheit, damit sie ihre Forderungen friedlich und für alle wahrnehmbar artikulieren kann. Dazu zählt im Ernstfall auch der friedliche und zivile Ungehorsam. Und die Lage ist ernst! Unsere Grundrechte sind Rechte zum Schutz von Minderheiten und Minderheitspositionen! Diese Rechte dürfen nicht angetastet werden, auch nicht mit dem Argument der Verteidigung der freiheitlichen Grundordnung. Der §129 StGB aber wird zur Gefahr für die Demokratie, wenn er unter ihrem Deckmäntelchen Vereinigungen kriminalisiert, die sich der Marginalisierung der drohenden Klimakatastrophe entschieden entgegenstellen.
Ich erinnere an die Worte des UN-Generalsekretärs auf der vorletzten Klimakonferenz: „Die Radikalen sind nicht die Protestierenden. Es sind jene, die den Verpflichtungen zum Klimaschutz nicht nachkommen!“ Ich würde weitergehen und sagen: Die Kriminellen sind nicht die Protestierenden! Es sind jene, die ihren Profit über die Moral stellen, jene, denen die Lebensgrundlagen anderer Menschen egal sind!
Der friedliche Kampf für Klimagerechtigkeit und für die Einhaltung völkerrechtlich vereinbarter verbindlicher Klimaziele ist weder illegal noch kriminell. Er ist notwendiger denn je!
Heike Stobbe Für mich sind die Aktionen der letzten Generation reine Notwehr und ich bin dankbar, dass es junge und auch ältere Leute gibt, die das Risiko einer Strafe eingehen Und sich trotzdem für die rechtlich verbrieften Klimaziele einsetzen. Dies wäre nicht nötig, wenn unsere Regierung dieses täte. Sie ist der eigentliche Täter durch unterlassen. Kriminalisierung der einzelnen Mitglieder der letzten Generation ist absolut unangebracht . Sie sind die wahren Klimahelden, Ihnen gebührt Dank dafür, dass sie bei größter Hitze und bei größter Kälte bei stärksten Regen auf die Situation hinweisen. Keiner von Ihnen handelt egoistisch, das Engagement bezieht sich auf Generationen und ist überregional. Strafen weg, Entschädigung!
Thomas Hauschild hiermit möchte ich meine Bedenken bezüglich der möglichen Anklage von Klimaaktivisten nach § 129 StGB (Bildung einer kriminellen Vereinigung) äußern und darlegen, warum eine solche Anklage unangemessen wäre.

Erstens basiert das Engagement der Klimaaktivisten auf dem berechtigten und dringenden Anliegen, auf die schwerwiegenden und potenziell irreversiblen Auswirkungen der Klimakatastrophe aufmerksam zu machen. Ihr Handeln ist in erster Linie durch das Ziel motiviert, öffentliches Bewusstsein für eine der größten Herausforderungen unserer Zeit zu schaffen und politische sowie gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen. Dieses Engagement für den Umweltschutz und die Zukunft unseres Planeten als kriminelle Handlung zu klassifizieren, würde nicht nur das grundlegende Recht auf freie Meinungsäußerung und friedlichen Protest untergraben, sondern auch das wichtige gesellschaftliche Anliegen, dem sie dienen, in Misskredit bringen.

Zweitens erfordert der Tatbestand des § 129 StGB die Existenz einer Vereinigung, deren Zwecke oder Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen. Während einzelne Aktionen von Aktivisten zuweilen rechtliche Grenzen testen oder überschreiten mögen, ist es ein Fehlschluss zu behaupten, dass die kollektiven Bestrebungen der Klimabewegung auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet sind. Vielmehr sind ihre Aktionen meistens als symbolische Akte der zivilen Ungehorsamkeit konzipiert, die darauf abzielen, auf friedliche Weise Druck auf die Politik und Gesellschaft auszuüben.

Drittens würde die Anklage von Klimaaktivisten nach § 129 StGB einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, der potenziell jede Form von zivilem Engagement oder Protest unter Generalverdacht stellen könnte. Dies hätte nicht nur abschreckende Effekte auf die Ausübung demokratischer Grundrechte, sondern könnte auch das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und die Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns untergraben.

Abschließend appelliere ich an die Staatsanwaltschaft Neuruppin, die besondere Natur des Engagements von Klimaaktivisten zu berücksichtigen und von einer Anklage nach § 129 StGB abzusehen. Es ist essenziell, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedlichen Protest als Säulen einer demokratischen Gesellschaft geschützt und gewahrt werden, insbesondere wenn es darum geht, auf drängende globale Herausforderungen wie die Klimakatastrophe aufmerksam zu machen.
Oliver Rau ich halte die beabsichtigte Anklage nach § 129 StGB für komplett verfehlt.

Das wir gerade ungebremst in die Klimahölle rasen, hat unter anderem der Generalsekretär der Vereinten Nationen bereits thematisiert. Auch und gerade aus der Wissenschaft und von den Klimaexpert:innen kommen seit Jahren immer dringlichere Stellungnahmen und unmissverständliche Hinweise.

Fast alle Staaten der Erde, einschließlich Deutschland, einigten sich auf der 21. UN-Klimakonferenz 2015 mit dem Übereinkommen von Paris auf das verbindliche Ziel, die Klimaerwärmung auf allerhöchstens 1,5 Grad zu begrenzen. Dieses - wie gesagt: bindende - Ziel wurde bereits im vergangenen Jahr verfehlt.

Die Bundesregierung unter Führung des selbsternannten "Klimakanzlers" ignoriert ihre eigenen Klimagesetze und missachtet die Empfehlungen des eigenen Expertenrates für Klimafragen. Stattdessen, so mein Eindruck, wächst der Einfluss der Fossillobby, die ungeachtet der davon ausgehenden Gefahr für unseren Planeten alles versucht, ihr einträgliches Geschäftsmodell weiter zu betreiben, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Augenscheinlich hat sie damit Erfolg. Das ist Irrsinn, die Politik zeigt sich hier vollkommen unverantwortlich und nicht vom Interesse der Bürger:innen geleitet.

So liegt es in den Händen der Zivilgesellschaft, das längst überfällige, massive Umsteuern in der Klimapolitik einzufordern. Friedliche Proteste und Demonstrationen, die es bereits seit vielen Jahren zu Hauf gab, haben augenscheinlich keinen Erfolg gehabt. Da das Zeitfenster zur Verhinderung der schlimmsten, lebensbedrohendsten Ausmaße der kommenden Klimakatastrophe immer knapper und die dann notwendig werdenden Maßnahmen immer radikaler ausfallen werden müssen, bleibt leider kein anderer Weg als den Alltag zu stören, um Bewusstsein in Gesellschaft und Politik zu schaffen. Verglichen mit den Störungen, die von immer häufigeren Starkregenereignissen, Stürmen, Hitzewellen, dem Anstieg des Meeresspiegels und so weiter ausgehen, fallen die Aktionen der Beschuldigten sogar sehr, sehr milde aus. Eine Einstufung als "kriminelle Vereinigung" rechtfertigen sie also keinesfalls. Im Gegenteil gehörte den Betroffenen für ihren vorbildlichen gesellschaftspolitischen Einsatz das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Ich kann daher nur appellieren, das Vertrauen in den Rechtsstaat nicht dadurch zu unterhöhlen, engagierte Bürgerinnen und Bürger als "Terroristen" zu brandmarken. Herzlichen Dank!