Es sind bereits
2162
Stellungnahmen eingegangen. Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:
Name Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft
Kurt Bernard Rummel Der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen die Beschuldigten ist nicht nur offensichtlich haltlos, sondern ein skandalöser Angriff auf die Freiheit der politischen Meinungsbildung und Kommunikation in der Bundesrepublik Deutschland.

Wie das Expertengremium der Vereinten Nationen IPCC in seinem Bericht AR6 Synthesis Report: Climate Change 2023 (https://www.ipcc.ch/report/sixth-assessment-report-cycle/) feststellt, befindet sich die Erde und die menschliche Gesellschaft auf einem katastrophalen Pfad. Zur Abwendung oder zumindest Milderung einer katastrophalen Entwicklung wurden völkerrechtlich bindende Vereinbarungen (z.B. Übereinkommen von Paris, 12.12.2015) geschlossen und in nationale Gesetzgebung (z.B. Bundes-Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 BGBl. I S. 2513) überführt. In den Jahren 2022 und 2023 hat die Bundesregierung die in diesem Gesetz formulierten Ziele nach Feststellung des von ihr selbst eingesetzten Klima-Expertenrats nicht nur ganz oder teilweise verfehlt (https://expertenrat-klima.de/content/uploads/2023/09/ERK2023_Pruefbericht-Gebaeude-Verkehr.pdf), sondern auch im Gesetz vorgesehene Maßnahmen wie Sofortprogramme in den Sektoren Gebäude und Verkehr abgelehnt. Eine katastrophale Entwicklung der Klimakrise ist damit zunehmend unausweichlich. Die Bundesregierung verstößt damit eklatant, regierungsamtlich (Expertenrat) und gerichtlich (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, November 2023) festgestellt gegen §20a GG sowie ihren Amtseid, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.

Auf diesem Hintergrund sind die Protestaktionen der Beschuldigten zu verstehen. Der Protest der Beschuldigten fand insbesondere im besonders betroffenen Bereich Verkehr statt und war damit unmittelbar sachbezogen. Da die Krise weiter fortschritt, andererseits andere politische und rechtliche Möglichkeiten der Einflussnahme im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit offenbar ausgeschöpft waren (nach bundesweiten Massendemonstrationen wurde eine teils "grüne" Regierung gewählt, jedoch nicht einschlägig tätig, Klimagesetze wurden beschlossen, aber geradezu demonstrativ nicht eingehalten), sahen die Beschuldigten keinen anderen Ausweg als zivilgesellschaftlichen Protest im Sinne von gewaltfreiem zivilen Ungehorsam (https://de.wikipedia.org/wiki/Ziviler_Ungehorsam).

Protest gegen Rechtsverletzungen der Bundes- und Landesregierungen ist demokratisch legitim und im Grundsatz hinzunehmen; er unterstützt die politisch-demokratische Willensbildung. Zu dieser Willensbildung ist ein gewisser Organisationsgrad der Protestierenden unerläßlich, um Positionen erarbeiten und kommunizieren zu können. Protestaktionen als Bestandteil dieser Kommunikation müssen ebenfalls offensichtlich weiträumig abgesprochen werden, u.a. mit Medienvertreter*innen. Dies ist ein fundamental anderer Vorgang als etwa die Absprache eines kriminellen Drogenhandel-Netzwerks, dem ja gerade keine kommunikative Absicht zu Schutze der Gesellschaft unterliegt, sondern die Erzielung persönlicher Vorteile bei ansonsten klandestinem Vorgehen. Hier wurden jedoch keine Straftaten als solche abgesprochen, sondern Kommunikationsmaßnahmen gegen eklatantes Unrecht und eine existentiell gefährliche Sachlage. Der Erfolg oder Misserfolg dieser Kommunikation kann nicht als Maßstab für deren Rechtmäßigkeit herangezogen werden. Bei dem Anliegen der Beschuldigten geht es um die Durchsetzung des Grundrechtes auf Erhaltung der Lebensgrundlagen i.S. von §20a GG. Dieses ist nicht Gegenstand einer Mehrheitsentscheidung.

Dass zivil ungehorsamer Protest mit gelegentlichen Rechtseinschränkungen Dritter einhergeht, versteht sich von selbst. Im Gegenteil, im Sinne einer medialen Wirksamkeit ist eine gewisse Störungswirkung von Protesten unabdingbar und angesichts der Dringlichkeit der Lage sogar geboten, zumindest vertretbar. Die Beschuldigten haben sich ersichtlich bemüht, über die Störungswirkung hinausgehende Beeinträchtigungen wie konkrete Gefährdung Dritter nach Möglichkeit zu vermeiden, z.B. durch Tragen von Warnwesten und Ermöglichung von Rettungsgassen. Dass diese Anstrengungen unternommen wurden, zeigt, dass es keinesfalls um die Maximierung der Störungswirkung um jeden Preis ging (was in der Tat verwerflich wäre), sondern um die Herstellung eines öffentlichkeitswirksamen Protestbildes mit den mildest möglichen, aber wirksamen Mitteln.
Aus solchen begrenzten Beeinträchtigungen, die durchweg nicht offensichtlich strafbewehrt sind, eine genuine Absicht zur Begehung von - explicite - Straftaten zu konstruieren, ist mehr als absurd. Es stellt vielmehr einen Angriff auf die Möglichkeit der demokratischen Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger dar, die nicht bereit sind, eine tatsächliche und physische Bedrohung der Bevölkerung in katastrophalem Ausmaß abzuwenden.

Dass eine katastrophale Entwicklung der Klimakrise bei weiterhin unzureichenden Gegenmaßnahmen der Bundes- und Landesregierungen unausweichlich ist, ist keine politische Meinung, sondern eine physikalische Tatsache und als solche bestens wissenschaftlich abgesichert. Gewaltfreien Protest gegen eine so offensichtliche Verletzung internationaler Verträge, des Grundgesetzes sowie des Amtseides politischer Entscheidungsträger, ja schlimmer noch, gegen eine existentielle Bedrohung der Menschheit zu kriminalisieren, widerspricht dem Grundgedanken der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Die Legitimität solchen Protestes kann auch nicht von der Zustimmung einer wie auch immer definierten Bevölkerungsmehrheit abhängig gemacht werden. Die Erhaltung menschlicher Lebensgrundlagen ist als Grundrecht nicht Gegenstand von Mehrheitsentscheidungen. Ihre Bedrohung ist aktuell wissenschaftlich gesichert massiv, im (Nicht-)Handeln der Bundes- und Landesregierungen manifest und damit akut. Protest gegen diese Bedrohung ist im Rahmen des bekannten Aktionsspektrums der Beschuldigten verhältnismäßig und legitim. Absprachen zur Organisation solchen Protestes sind damit nicht als kriminell einzuschätzen.
Frank Hartung Es darf nicht kriminalisiert werden, sich friedlich zu versammeln. In Zeiten der eskalierenden Klimakrise ist es unser aller Pflicht, auf diese Katastrophe aufmerksam zu machen. Werden weitere repressive Maßnahmen, wie das Vorwerfen der Bildung einer kriminellen Vereinigung, gegen friedlichen Klimaprotest angeführt, könnte das zu einem weiteren, besorgniserregenden Rückgang des zivilgesellschaftlichen Handlungsraums führen. Deutschland rutscht in Rankings über Freiheit und Demokratie, wie dem Civicus, weiter ab, und bestärkt sowie erleichtert rechtsextrem motivierte Narrative und Aktionen gegen Klimaschutz.
Wolfgang Rebel Was den Angeklagten der letzten Generation vorgeworfen wird, würde voraussetzen dass sie kriminelle Handlungen begangen haben. Es wurden wohl Regeln verletzt, um den politisch Verantwortlichen deutlich zu machen, dass diese unbedingt wesentlich mehr gegen die weitere Zuspitzung der Klimakrise tun müssen. Das aber ist gesellschaftliches Engagement und damit ein wichtiger Bestandteil unserer Demokratie. Die Angeklagten haben nicht heimlich wie Kriminelle gehandelt, sondern haben mit ihrem offenen Auftreten für ihr Handeln immer die Verantwortung übernommen. Das tun die politisch Verantwortlichen hinsichtlich der Bekämpfung der Klimakrise nicht, wie selbst das Bundesverfassungsgericht erklärte. Der § 129 darf hier meiner Meinung nach nicht angewendet werden, Anklage darf nicht erhoben werden - dieser Paragraph passt hier einfach nicht.
Charlotte Scheffel Sehr geehrte Damen und Herren,

es macht mich zutiefst betroffen, dass Sie beabsichtigen, fünf Mitglieder der „Letzte Generation“ durch Anklage zu kriminalisieren. Infolge dessen würden Sie ebenso alle Unterstützer und Werber in diese Kriminalisierung einbeziehen.

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass der Zweck und die Tätigkeit der Angeklagten nicht auf Begehung von Straftaten gerichtet ist. Deren Zweck und Tätigkeit ist darauf ausgerichtet, auf den akuten Klimanotstand hinzuweisen, der von wissenschaftlicher Seite (z. B. durch das Potsdamer Institut für Klimafolgeforschung) und durch die UN bestätigt ist. UN-Generalsekretär António Guterres sagte vor wenigen Tagen in Zusammenhang zum neuesten Weltwetterbericht, „unser Globus befindet sich am Rande des Abgrunds“. Dieser Tatbestand rechtfertigt bei Weitem die Ausrufung des nationalen Notstands in Deutschland, durch die die entsprechenden Notstandsgesetze angewendet werden könnten.

Die Bundesregierung aber antwortet darauf nicht in der gebotenen Intensität. Im Gegenteil – sie verzögert dringend gebotenes Handeln, das zum Schutz von Leben und der Lebensgrundlagen geboten wäre. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 2021 bestätigt. Auch die Nachbesserungen des Klimaschutzgesetztes sind nicht ausreichend. Dies bedeutet aber ein eklatanter Verstoß gegen die eigene Verfassung (Art. 20a GG).

Angesichts dessen sind die Aktivitäten der fünf Angeklagten rechtlich und sozial adäquat. Denn es steht unser aller Überleben auf dem Spiel.

Deshalb fordere ich die Staatsanwaltschaft und die Justiz auf, die Anklage gegen die Letzte Generation sorgfältig zu prüfen und dabei die Bedeutung des friedlichen, zivilen Engagements zu berücksichtigen.

Mit freundlichen Grüßen
Charlotte Scheffel
Im Blümert 40
73431 Aalen