Es sind bereits
2162
Stellungnahmen eingegangen.
Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:Name | Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft |
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Helmut Rösel | eindeutig politisch motivierte Aktivisten der Letzten Generation sollen nach § 129 StGB angeklagt werden, werden also der Bildung einer kriminellen Vereinigung beschuldigt, auf eine Ebene gestellt mit etwa der RAF, der Mafia oder den libanesischen Clans (wobei ich gar nicht sicher weiß, ob gegenüber letzteren überhaupt eine derartige Anklage läuft). Dies ist aus meiner Sicht eines freiheitlichen demokratischen Staates unwürdig, hier muß eine Differenzierung möglich sein zwischen Gruppierungen, die mittels massiver Gesetzesübertretungen, schwerer Gewalt und schwerster Straftaten wie Mord, Raub, Drogen- und Menschenhandel in erster Linie wirtschaftlichen Gewinn erzielen wollen (oder einen Umsturz anstreben wie die RAF) und politischen Aktivisten, die möglicherweise in der Wahl Ihrer Mittel etwas über die Stränge schlagen - ohne körperliche Gewalt anzuwenden oder Menschen körperlich zu Schaden. Mit einer solchen Anklage macht sich der Staat unglaubwürdig, verliert jedes Maß und Ziel und setzt sich dem Verdacht aus, politische Gegner mittels der Judikative zerstören zu wollen. Ein Vergleich mit Staaten wie Russland oder China würde sich aufdrängen,und das wäre gerade in Zeiten wie diesen mit ihrer gesellschaftlichen Zerrissenheit ein fatales Signal. Das Verfahren muss im Sinne der Demokratie eingestellt werden. |
Annika Steck | Ich kann nicht nachvollziehen wie es soweit kommen kann, das Menschen, welche selbstlos und so mutig sind und sich nur für das Wohlergehen aller einsetzen bestraft werden sollen. Hier muss berücksichtigt werden, warum diese Menschen es tun. Weil sie keine andere Wahl sehen als so zu handeln, um die Politik ihrerseits zum Handeln zu zwingen. Es geht um das Leben vieler Millionenen Menschen und die Zukunft der Menschheit. Bitte begreift das. Fühlt mit den AktivistInnen. Versucht sie zu verstehen. Niemand macht das aus Spaß und diese Menschen zu bestrafen, welche sowieso schon so viel opfern ist einfach nur unfair. Bitte handelt im Sinne der kommenden Generationen und der Welt. Ihr tragt damit viel Verantwortung. |
Julian Huber | Das Bundesverfassungsgericht hat im März 2021 klargestellt, dass das Grundgesetz zu wirksamen Maßnahmen gegen die Erderwärmung verpflichtet. Diese Pflicht gilt auch gegenüber zukünftigen Generationen, deren Möglichkeiten, ihre Freiheitsrechte auszuüben, ohne entsprechende Maßnahmen erheblich beeinträchtigt würden. Völkerrechtlich hat sich Deutschland konkret zu wirksamen Maßnahmen verpflichtet, um den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2° C über dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, ihn auf 1,5° C zu begrenzen. Neben Deutschland haben sich 194 weitere Staaten durch die Ratifikation des Übereinkommens von Paris von 2015 zu diesem Ziel bekannt und dadurch deutlich gemacht, dass ein globaler Konsens besteht. Diese Verpflichtung hat das Bundesverfassungsgericht als Konkretisierung des in Artikel 20a Grundgesetz verankerten Klimaschutzziels angesehen und so die Einhaltung der völkerrechtlichen Vorgaben verfassungsrechtlich abgesichert. Hierfür sind im Bundes-Klimaschutzgesetz konkrete Ziele sowie Mechanismen festgelegt, mit denen die schrittweise Erreichung dieses Zieles gewährleistet werden soll. Gegenwärtig ist aber eine Novelle geplant, die die sektorspezifischen Ziele schwächt. Damit sind die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts in Gefahr, die verlangen „dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln“. Auch neulich hat das OVG Berlin-Brandenburg klargestellt, dass auch die Regierung sich an geltendes Recht halten muss und wenn §8 KSG Sofortprogramme vorschreibt, die Regierung diese zu beschließen hat. Zum Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels und nach dem Übereinkommen von Paris muss der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf möglichst 1,5 Grad Celsius begrenzt werden (§ 1 KSG). Gewährleistet werden soll dies durch die Festlegung sektorbezogener Jahresemissionsmengen (§ 4 i.V.m. Anlage 2 KSG), um die nationalen Klimaschutzziele (§ 3 KSG) zu erreichen. Die Verantwortung für die Einhaltung der Jahresemissionsmengen liegt bei dem Ministerium, in dessen überwiegenden Zuständigkeitsbereich ein Sektor fällt (§ 4 Abs. 4 KSG). Wenn die Jahresemissionsmengen eines Sektors überschritten wurden, dann muss das verantwortliche Ministerium ein Sofortprogramm vorlegen, das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Sektors für die folgenden Jahre sicherstellt (§ 8 Abs. 1 KSG). Diese Maßnahmen müssen sodann von der Bundesregierung schnellstmöglich beschlossen werden (§ 8 Abs. 2 S. 1 KSG). Das ist nicht passiert. Wieder braucht es ein Gericht, damit gesetzlich vorgeschriebene Klimaschutzmaßnahmen auch ergriffen werden. Und dies, obwohl eine Klage auf Erlass des Programms im Gesetz eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Das Urteil schafft damit einen ebenso wichtigen wie überfälligen justiziablen Mechanismus für eine effektive Nachsteuerung bei Zielverfehlungen im Klimaschutz. Auch wenn im Lichte der anstehenden KSG-Novelle unklar ist, ob das Urteil tatsächliche Wirkungen entfalten wird, setzt es ein wichtiges Signal für mehr Rechtsdurchsetzung im Klimaschutzrecht. Dies alles spielt sich vor dem Hintergrund des Urteil des BVerfG vom 24.3.2021 ab, in dem eindeutig festgestellt wurde, dass sich aus Art. 20a eine Pflicht für den Staat ergibt, ein stabiles Klima und Lebensgrundlagen auch für zukünftige Generationen zu schützen und zu gewährleisten. Das sie dies nicht tut ist wissenschaftlicher Konsens und wird der Bundesregierung auch so Jahr für Jahr vom Expertenrat für Klimafragen erläutert. Die Anforderungen im KSG sind laut Wissenschaft nicht ausreichend und nicht einmal daran hält sich die Regierung. Und wenn dann der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, Rechtswissenschaftler*innen und Gerichte die Bundesregierung daran erinnern, dass sie sich doch ans KSG zu halten hat, werden diese Warnungen bewusst ignoriert. Das ein fortgesetztes legislatorisches Versagen vorliegt - seid 2015 wird gegen das Pariser Abkommen verstoßen, seid 2021 wird das KSG den Anforderungen des BVerfG nicht gerecht, wie lange warnt und ermahnt der Expertenrat für Klimafragen, stellvertretend für die gesamte wissenschaftliche Gemeinschaft, die Bundesregierung, 2022 und 2023 scheitert die Regierung Sofortprogramme in den Sektoren Gebäude und Verkehr zu beschließen - sollte an dieser Stelle nicht mehr zu bezweifeln sein. Stattdessen werden weiter fossile Industrien subventioniert, das Autobahnnetz ausgebaut, Wälder gerodet, der Ausbau von Erneuerbaren gebremst und Klimaschutz vernachlässigt. Jedes Flugzeug was abhebt, jede Tonne CO2 welche in die Atmosphäre gepustet wird, jeder Euro an Subventionen für Fossile Projekte ist ein Todesurteil für Millionen von Menschen. Diese werden von der Regierung vor unseren Augen unterschrieben und vollstreckt. Wie lange müssen wir noch warten, dass wir von einem systematischen Fehlversagen sprechen können, welches die Sperrwirkung staatlicher Verfahren aufhebt. Wir können es uns nicht leisten erst 2030 zu erkennen, das die Regierung uns von alleine nicht retten wird. Wir können nicht erst dann erkennen, dass auch die 20. Beschwerde vor dem BVerfG und die 50. Klimaklage nicht am Verhalten der Regierung ändert. Die Regierung weigert sich Bewusst den vom Grundgesetz geforderten Schutz unserer Lebensgrundlagen umzusetzen. Daran wird sich von selbst nichts ändert. Stattdessen steckt Olaf Scholz und die Regierung weiter den Kopf in den Sand und verdrängt wie der Rest der Gesellschaft die größte Krise mit der die Menschheit jemals konfrontiert war. Wenn ein Ignorieren der Wissenschaft und Justiz seit fast 9 Jahren kein fortgesetztes Versagen und keine Dysfunktionalität staatlicher Mechanismen darstellt, dann sagen Sie mir doch bitte, ab wann dieser Punkt erreicht sein wird. Wir müssen jetzt handeln. In zwei Jahren ist es zu spät. Wir können es uns nicht leisten zu warten was bei der nächsten Wahl rauskommt, wir können es uns nicht leisten die nächste Petition zu starten und wir können es uns verdammt nochmal nicht leisten auf den nächsten Beschluss vom BVerfG, welcher ignoriert wird, zu warten. Die Regierung hat versagt. Das System versagt, die Anforderungen des Grundgesetzes durchzusetzen. Es braucht an dieser Stelle Protest und Widerstand aus der Gesellschaft. Es liegt an den Bürger*innen die Regierung auf den Boden der Verfassung zu holen. Das Gewaltmonopol und andere institutionelle Mechanismen wurden bereits ausgeschöpft und trotzdem hält die Regierung an einem verfassungsfeindlichen Kurs fest. Protest und ziviler Widerstand bleiben angesichts der Lage als legitime, angemesse und notwendige Option übrig. Dass die Menschen die sich mit diesem zivilem Widerstand für unser aller Lebensgrundlagen einsetzen und versuchen die Regierung an ihre verfassungsrechtlichen Pflichten zu erinnern, dafür kriminalisiert werden sollten, ist eine massive Gefahr für unsere Demokratie. Dadurch wird nicht nur legitimer ziviler Widerstand eingeschränkt, auch wird insgesamt die Beteiligung an allen Protestformen bedroht. Betroffen sind eine handvoll Menschen, gemeint sind wir alle. |
Lillith R. Huestegge | die "Letzte Generation" als kriminelle Vereinigung gem. §129 StGB einzustufen zu wollen, ist nicht in Ordnung. §129 StGB ist sinngemäß zu interpretieren. Dies sieht man allein schon daran, dass der Begriff der Vereinigung hier an sich zu weit gefasst ist; selbst die Planung eines Kindergeburtstages würde die Erfordernis dieses Begriffes erfüllen. Der Hauptzweck des §219 StGB konzentriert sich auf die Anstiftung, Beihilfe und Mittäter*innenschaft innerhalb eines Netzwerks. Die Organisation "Letzte Generation" hingegen hat sich von jeher immer für die Vermeidung von Straftaten in ihren Protesten ausgesprochen. Es werden bei Straßenblockaden Rettungsgassen gebildet um Gefahren, etwa im Sinne von §315b StGB, oder eine Nötigung zu vermeiden. Der Organisation liegt einzig die Verhinderung schlimmerer Übel, als momentan schon infolge des Klimawandels drohen, am Herzen und sie hat sich inzwischen sogar von den Klebeaktionen (und Ähnlichem) abgewandt. Dies mit einer kriminellen Instutionen, wie solche, aufgrund derer dieser Paragraph geschaffen wurde, zu vergleichen, ist unverhältnismäßig. Ihr seid auch eine Repräsentation unseres Staates, verehrte Staatsanwaltschaft, und ich bitte euch, Leute, die sich gewaltfrei für vom Staat versprochene Ziele einsetzen dermaßen zu behandeln. Ich weiß, dass hier viel politischer Druck gemacht wurde, von Leuten, die sich auch schon intensiv gegen friedliche, vollkommen legale Demonstrationen ähnlicher Menschengruppen ausgesprochen haben. Ich hoffe, dass im Hinterkopf eure eigentliche Aufgabe behaltet und nicht einfach derlei Druck nachgebt. |