Es sind bereits
2162
Stellungnahmen eingegangen.
Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:Name | Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft |
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Dr. Thomas Wachter, Dipl.-Ing. Landespflege/Landschaftsökologie | ich appelliere an Sie, die Letze Generation nicht anzuklagen, da der Tatbestand des § 129 StGB meiner Meinung nach nicht erfüllt ist: (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt. Auch wenn ich einige Aktionen der Letzten Generation nicht für angemessen und zielführend halte, bin ich dennoch davon überzeugt, dass deren Aktionen keineswegs auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet sind, sondern darauf, in einem gesellschaftlichen und politischen Umfeld unzureichender Maßnahmen und Versäumnisse gegenüber den Bedrohungen des anthropogenen Klimawandels auf die aktuellen Versäumnisse hinzuweisen. Nach einem aktuellen Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) sagen fast alle Szenarien eine Erderwärmung um 1,5 Grad bereits im Zeitraum 2030 bis 2035 voraus. Die Folgen des Klimawandels sind weltweit, in Europa und auch in Deutschland offensichtlich. Deutschland hat seit 2018 die größte Dürreperiode seit 150 Jahren erlebt, die Grundwasservorräte haben sich im letzten Jahr zwar etwas erholt, sind aber in den östlichen Bundesländern weiterhin mangelhaft. Die deutschen Wälder sind mittlerweile stark geschädigt, laut BMEL weisen nur noch ca. 20 % der Bäume keine Kronenverlichtung auf. Dass die politischen Maßnahmen seit Jahren unzureichend sind, hat prominent das Bundesverfassungsgericht aufgezeigt, indem es mit Urteil vom 29.04.2021 das Deutsche Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig beurteilt hat. Auch die Nachbesserungen der damaligen und heutigen Regierung hinken hinter den Erfordernissen deutlich hinterher. Nach dem Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 30.11.2023 muss die Bundesregierung zusätzliche Sofortmaßnahmen beschließen, um die Treibhausgase aus Verkehr und Gebäuden zu senken. Als Umweltwissenschaftler, der seit ca. 20 Jahren Forschungsvorhaben u.a. zu Erneuerbaren Energien und Klimawandel bearbeitet, bin ich bezüglich der aktuellen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Maßnahmen sehr besorgt, da diese bei Weitem nicht den Notwendigkeiten der Bedrohungslage entsprechen. Die Einschränkungen, die von den Aktionen der Letzten Generation verursacht wurden, fallen außerdem im Vergleich zu den massiven wirtschaftlichen Schäden, die derzeit durch gewerkschaftlich organisierte Streiks ausgelöst werden, kaum ins Gewicht. Gleichwohl wird das in der Verfassung verankerte Streikrechts als hohes politische Gut in Kauf genommen und gewürdigt. Niemand würde im Schlaf daran denken, eine Gewerkschaft angesichts ihrer bewusst ausgelösten Schäden an kritischer Infrastruktur zu kriminalisieren. Daher sollte im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Letzte Generation auch keine Anklage nach § 129 StGB erfahren. |
Torben Schultz | Ich habe gerade mitbekommen, dass sie Mitglieder der Letzten Generation anklagen wollen. Dies aber nicht für ihre konkreten Taten des zivilen Ungehorsam, sondern weil sie sich zusammengetan haben, um in der Krise gemeinsam etwas zu verändern. Dazu wollen sie den Paragraph 129 StGB nutzen, der eigentlich der Bekämpfung organisierter Kriminalität dienen soll. Damit starten sie erstmals einen “Kampf” gegen gewaltfrei protestierende Klimaaktivist*innen. Die Aktionen der Letzten Generation sind zwar in Teilen unbequem, aber sie bringen niemanden bewusst zu Schaden. Sich zu versammeln und zusammenzukommen ist unser aller Grundrecht. Protest und Meinungskundgabe, auch wenn es stört, sind existenzielle Bestandteile unserer Demokratie. Wenn sie jetzt den sogenannten "Mafia-Paragraph" bemühen, statt einzelne Taten anzuklagen, dann trifft diese Anklage die ganze Gesellschaft. Deswegen bitte ich sie eindringlich abstand zu nehmen von einer Anklage nach Paragraph 129 StGB. |
Gregor Mainiero | leider erreicht mich die Nachricht, dass Mitglieder der Letzten Generation sich vor Gericht vor dem Hintergrund der organisierten Kriminalität verantworten sollen. Wenn ich davon ausgehe, dass dieser Schritt aus einer politischen Motivation geboren ist, möglicherweise der Einschüchterung dient, dann bedaure ich diesen Schritt auf tiefste, schneidet es doch tief ins demokratische Grundverständnis dieser Republik ein. Sicherlich war und ist die Justiz stets ein Spiegelbild der aktuell gültigen politischen Verhältnisse. Das Gerichtswesen unterliegt der Gesetzgebung und richtet danach. Innerhalb dessen bleiben Spielräume, die weit gefasst werden können. Sie sind vom Befinden der Akteure abhängig. Die relative Sicht der Dinge kann nur durch Wohlwollen und Verständnis objektiviert werden. Legal kann auch sein was als legitim gelten darf. Genauso handelte und erlies das Oberlandesgericht Naumburg am 22.02.2018 (2 Rv 157/17) ein Urteil, das Tierschützer vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freisprach. Die gemeinsam handelnden Tierschützer drangen in ein Stallgebäude ein und dokumentierten die dort vorhandenen Missstände. Dieser Umstand wurde straffrei gestellt, weil die schon zuvor informierten staatlichen Behörden keine Maßnahmen einleiteten, um den angezeigten Problemen nachzugehen. Lässt sich dieser Umstand nicht deckungsgleich auf dieses Verfahren übertragen? Sowohl der Tier-als auch der Klimaschutz sind verfassungsrechtlich fixierte Staatsziele. In beiden zu vergleichenden Fällen kommen die staatlichen Institutionen der Zielsetzung nicht nach. Die Legitimität des Handelns der Letzten Generation wurde stets so begründet. Jenem Gericht dass dies zum Anlass nimmt, daraus kein legales Handeln zu entscheiden, fehlt das Wohlwollen und die Weitsicht die gesellschaftlichen Prozesse in einem positivem Grundverständnis mit gestalten zu wollen. Ich bitte das Gericht daher auf dieser Grundlage zu urteilen. |
Andreas Eibl | Ich finde es unmöglich, dass hier aufgrund von populistischer Rhetorik aus Teilen der Politik Anklage erhoben wird. Ein solches Verfahren untergräbt die lebendige Demokratie Deutschlands und setzt einen, meiner Meinung nach, gefährlichen Präzedenzfall gegen zivilen Ungehorsam. Als Verfechter gelebter Demokratie bin ich dagegen, hier Anklage zu erheben und möchte Sie dazu auffordern, dieses Verfahren einzustellen. Vielen Dank für die Berücksichtigung meiner Stellungnahme. |