Es sind bereits
2162
Stellungnahmen eingegangen.
Bei einigen haben uns die Autor:innen erlaubt, sie hier zu veröffentlichen:Name | Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft |
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nur für die StA sichtbar | Dass Menschen sich organisieren, um für eine lebenswerte Zukunft einzutreten, ist kein Verbrechen. Rückwirkend wird man später vielleicht sagen, dass es einige wenige Menschen sind, die die Gefahr, die alle Menschen auf der Erde betrifft, erkannt und kommuniziert haben. Mit Mitteln, die später mal klein und nichtig erscheinen werden. Die GründerInnen der letzten Generation gehören zu diesen wenigen Menschen. Sie sollen daher nicht angeklagt werden. Sie setzen sich uneigennützig für unsere Zukunft ein, während ein Großteil der Menschheit weiterhin egoistisch eigene persönliche Ziele verfolgt. Mein dringender Appell an Sie als Staatsanwaltschaft: erkennen Sie den Wert der Gruppe für die Gesellschaft. Respektieren Sie den Einsatz der Gruppe für unser Klima. Erheben Sie keine Anklage. |
Frithjof Rittberger, Pfarrer | Das gewaltige Ausmaß der bereits in Deutschland und weltweit eingetretenen Schäden durch zunehmende Anreicherung von Treibhausgasen in der Atmosphäre wird von der Bundesregierung nicht nur in Kauf genommen, sondern nach wie vor durch Subventionen befeuert. Angesichts der um ein Vielfaches katastrophaleren Schäden, die gemäß Verfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 2021 für nachfolgende Generationen an Leib, Leben und natürlichen Lebensgrundlagen noch zu befürchten sind, muss die Verpflichtung der gewählten Volksvertretungen, „Schaden vom Volke abzuwenden“ und den verfassungsmäßigen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen nach Art. 20a GG zu gewährleisten, oberste Priorität aller staatlichen Organe haben. Dies betrifft neben der Gesetzgebung und Regierung in besonderem Maße die Justiz, aber auch die das Recht vollziehenden Organe einschließlich der Polizei, wie es in Art. 20a GG ausdrücklich festgehalten ist. Vor diesem Hintergrund befremdet es nicht nur, dass das Bundesklimaschutzgesetz seit Monaten rechtwidrig im Blick auf die sektoralen Treibhausgasreduktionsziele im Bereich Verkehr und Gebäude nicht eingehalten wird, sondern diese illegale Praxis nachträglich und ungeahndet demnächst für Recht und Gesetz erklärt werden soll, ohne dass eine vorherige Prüfung am Verfassungsgerichturteil von 2021 erfolgt. Noch befremdlicher ist es, dass unsere Rechtslage für dieses Missverhältnis zwischen Verfassungsauftrag und tatsächlichem Handeln des Staates keinerlei wahrnehmbare Sanktion oder gar Strafverfolgung vorzusehen scheint, obwohl die Folgen nach allem, was nach wissenschaftlichem Konsens prognostiziert wird, Tod und Leid von unvorstellbarem Ausmaß sein werden. Dies verstößt zudem auch gegen völkerrechtliche Verträge und Verpflichtungen. Vollends befremdlich erscheint mir und vielen anderen daher, dass diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die auf das institutionelle Hinnehmen oder Vergrößern dieses Missverhältnisses wirksam aufmerksam zu machen versuchen, nicht als Anlassgeber zur überfälligen Korrektur ernst genommen werden. Anstatt dass Staatsanwaltschaft, Justiz und Polizei nach Wegen suchen, verfassungswidrigem Handeln der Exekutive und Legislative wirksamer und proaktiv zu begegnen, wird gleichsam im Gegenteil ein hohes Maß an Energie aufgewandt, offen kommunizierten, friedlichen zivilen Protest nach Rechtsgrundlagen zu kriminalisieren, die ursprünglich gegen mordenden und menschenverachtenden Terror oder organsierte Gewaltkriminalität geschaffen wurden. Gruppen wie die „Letzte Generation vor den Kipppunkten“ zu kriminalisieren, sei es als Organisation insgesamt oder auch für einzelne Handlungen wie Blockaden, erscheint mir daher nicht nur von der Grundlage her absurd, sondern auch vollkommen unverhältnismäßig: Die Rechtsprechung hat wiederholt festgestellt, dass ziviler Ungehorsam, wie ihn die Letzte Generation geübt hat, allenfalls – und in vielen Fällen gar nicht – als Nötigung zu werten sei und auch in Relation zu den angemahnten Verfassungszielen gesehen werden könne. Die Unverhältnismäßigkeit der Kriminalisierung geht mit einem für das Ansehen des Rechtsstaats verheerenden begleitenden Vorgehen bei manchen Polizeieinsätzen einher, die mit Schmerzgriffen und Demütigungen erfolgt sind, wie sie international sogar durch Amnesty International verurteilt wurden. Die relative polizeiliche Zurückhaltung bei den jüngsten „Bauern“-Protesten mit schwerem Gerät und teils tatsächlicher Gewaltausübung spricht umso mehr gegen eine kriminalisierende Bewertung der von Grundsatz aus wehr- und schutzlosen Protestierenden der Letzten Genration Die Begründungslogik, die Kriminalisierung sei „präventiv“ geboten, verkennt, dass es sich hier eben nicht um eine Vereinigung zum Zweck der (zunehmenden) Begehung von Straftaten als (lukrativem oder ideologischem) Selbstzweck handelt, sondern dass hier eine für demokratische Staaten in Ausnahmesituationen konstitutive Form zivilen Ungehorsams vorliegt, der seine gewählten Mittel nicht nur der Gewaltlosigkeit unterwirft, sondern diese auch stets selbst in Frage stellt und nach den jeweils mildesten Mitteln sucht, mehr Aufmerksamkeit statt mehr Ablehnung für das gesellschaftlich und verfassungsmäßig Not-Wendende zu erlangen. Der jüngste Strategiewechsel der Letzten Generation zur kreativeren Einbeziehung breiteren Protests ist ein gutes Beispiel dafür, wie unplausibel die Anwendung von Präventivhaft oder gar Kriminalisierungsverfahren sind. Vielmehr wäre es für den Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung und des Rechtsstaats wesentlich, dass auch Justiz und Polizei den Wert zivilen Ungehorsams in seiner Funktion für Konfliktlösungen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung anerkennen, wie jüngst in der preisgekrönten Dissertation von Samira Akbarian herausgestellt wurde (https://koerber-stiftung.de/projekte/deutscher-studienpreis/alle-preistraeger-innen/2023/ziviler-ungehorsam-als-verfassungsinterpretation/) Persönlich sind auf mich als Pfarrer an meinem Wohnort wie auch innerhalb meiner Landeskirche viele Menschen der Letzten Generation, die sich bewusst und mit Ernst als Christen verstehen, zugekommen und haben um Vermittlung von Gesprächen zu Oberbürgermeister wie Kirchengemeinden und auch Kirchenleitungen gebeten, wiederholt zu gemeinsamen Gottesdiensten und Veranstaltungen in Gemeinden und Akademien angeregt und mit eingeladen und mit unterschiedlichen Menschen und Gruppen das Gespräch gesucht. Etliche Menschen aus unterschiedlichsten Berufen aus Bildung, Erziehung, Wissenschaft, im Ruhestand oder in Studium und Ausbildung, habe ich bei Protestdemonstrationen gegen Präventionshaft und Kriminalisierung kennen gelernt, die dort auf die Letzte Generation aufmerksam geworden sind und die Bewegung seither aufgrund ihrer gewissenhaften und dem Schutz der Lebensgrundlagen und Bewahrung der Schöpfung verpflichtenden Haltung unterstützen. Ich bitte Sie darum um eine angemessene Gesamtabwägung der auf dem Spiel stehenden verfassungsgemäßen Ziele zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und eine sachlich begründete Neubewertung der Letzten Generation als einer legitimen Akteurin innerhalb des demokratischen Rechtsstaats. |
Wiebke Knäpper | es versetzt mich in große Sorge, dass ich hören musste, dass im Kontext vom Umgang mit Menschen, die sich dafür einsetzten, dass endlich mehr für den Klimaschutz getan werden sollte, viele Unterlagen gesendet wurden und es nur vier Wochen Zeit für eine juristische Bearbeitung der Unterlagen gibt. Das schwächt mein Vertrauen in einen fairen und gewissenhaften Ablauf. In der weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema ist mir aufgefallen, dass ich bei einer Einordnung von Beteiligten als kriminelle Vereinigung nicht mitgehen kann. Eine Einschätzung die laut dem Strafrechtler Mark Zöller mehrheitlich von Fachleuten geteilt wird (Letzte Generation – Legitim oder kriminelle Vereinigung?, 2023). Besonders ist mein Eindruck, dass das Begehen von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist und es im Kern darum geht sich für Klimaschutz einzusetzen (vgl. Bildung krimineller Vereinigungen, o. J.). Jetzt kann natürlich die Frage entstehen, warum es hier nicht ausreichend sein soll auf klassische Protestformen wie vorangemeldete Demonstrationen zurückzugreifen. Hier handelt es sich aus meiner Perspektive um ein Problem das sehr gut durch Hirschhausen (o. J.) zusammengefasst wird: „Es ist schwer, ehrenamtlich die Welt zu retten, wenn andere sie hauptberuflich zerstören.“. Und um sich das Problem vor Augen zu führen helfen Zahlen. Im Jahr 2020 wurden beispielsweise 5,9 Trillionen Dollar weltweit in die Subventionierung der fossilen Industrie geleitet, was pro Minute 11 Millionen Dollar entspricht (Thunberg, 2022). Kaum auszudenken welche Mittel also für Anwälte, PR und Marketing zur Verfügung stehen. Aus meiner Perspektive gibt es keinen effektiven Mechanismus der eine wirklich freiheitliche und demokratische Gesellschaft sichert, während gleichzeitig Geldkonzentration in den Händen weniger tendenziell zunimmt. Zudem sind viele Menschen mit ganz unmittelbaren Themen wie Beruf und familiären Verantwortlichkeiten stark oder sogar voll ausgelastet, so dass sich wenige Menschen wirklich eingehend mit dem Thema beschäftigen können Einen Überblick über verwandte Mechanismen findet sich bei Husmann (2023). Statt die Menschen in den Fokus zu rücken, die auf Probleme hinweisen, sollten die Probleme selbst angegangen werden. Und genau hier sehe ich auch den Staat in der Pflicht. |
Anton Hickl | Die Letzte Generation ist keine kriminelle Vereinigung, sondern eine Klimaschutzgruppe, die inzwischen zum Beispiel auch für das Europaparlament kandidiert. Klimaschützen ist kein Verbrechen und deshalb bin ich entsetzt, dass einige Mitglieder behandelt werden als wären sie Mitglieder der Mafia! Ihre Mittel, auf die Dringlichkeit von raschen und wirkungsvollen politischen Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe hinzuweisen, sind gewaltfrei. Das Ziel der Letzten Generation: Sie wollen die menschliche Zivilisation retten vor der Klimakatastrophe, in die die Menschheit immer weiter hineinläuft. Wenn die Treibhausgasemissionen, z. B. durch den Verkehr und Energiesektor, durch die Landwirtschaft, durch die Industrie und im Gebäudesektor, nicht schnell und drastisch reduziert werden, sind die Aussichten für die menschliche Zivilisation wie wir sie kennen dramatisch: Sie wird zu Grunde gehen und das Leiden durch die rapide Erderhitzung wird immer mehr und immer katastrophaler werden. Ich teile mit der Letzten Generation das Ziel: Ich will ebenfalls unsere Lebensgrundlagen bewahren und konsequent und schnellstmöglich das fossile Zeitalter beenden und umsteuern, hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Ich will, dass nicht nur meine Generation, sondern auch unsere Kinder und Kindeskinder ein gutes Leben führen können. Straßenblockaden erzeugen kein Klima der Angst, wie es bei kriminellen Banden der Fall wäre. Bilderrahmen mit Brei oder Farbe zu beschmutzen sind keine erheblichen Straftaten. Ich finde es völlig abwegig, aus solchen symbolischen Störaktionen eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu konstruieren. Das höchste deutsche Gericht in Strafsachen, der Bundesgerichtshof BGH, gibt eine Erheblichkeitsschwelle für Ermittlungen wegen einer kriminellen Vereinigung vor. Diese Grundsätze der Rechtsprechung dürfen Sie nicht missachten und unerhebliche Störaktionen mit organisierter Kriminalität gleichsetzen. Mein Eindruck: Die Strafverfahren wegen Bildung einer angeblich kriminellen Vereinigung sind politisch motiviert. Schließlich stören auch andere immer wieder den Verkehr und werden nicht mit solchen Verfahren überzogen, z. B. führten die Traktorproteste aus der Landwirtschaft nicht zu Verfahren gegen Bauernvereinigungen. Ich habe den Eindruck, dass die Ermittlungen geführt werden, obwohl eigentlich klar ist, dass eine Verurteilung extrem unwahrscheinlich ist, weil das drastische Ermittlungen wie z. B. Abhören und Hausdurchsuchungen möglich macht. Das wirkt auf mich wie eine Maßnahme, um Aktive von ihrem Einsatz für den Schutz unserer Lebensgrundlagen abzuhalten und andere von entsprechendem Engagement abzuschrecken. Auch wenn die Mittel der Letzten Generation nicht meine eigenen sind: Das ist auf keinen Fall organisierte Kriminalität wie von gewalttätigen Banden. Sogar UN-Sonderberichterstatter Michel Forst warnt eindringlich vor einer Kriminalisierung von klimaaktivistisch engagierten Menschen, die er als "environmental defenders" bezeichnet. Er schließt dabei ausdrücklich Menschen ein, die zivilen Ungehorsam als Methode wählen. Stellen Sie das Verfahren ein! |